Bad Berleburg. Der Trägerverein des Artenschutzprojektes begründet die Abschüsse mit der Sicherstellung der genetischen Vielfalt..

Der Wisent-Verein hat die frei lebende Herde im Rothaargebirge verkleinert. Nach Angaben des Vereins wurden zwei Jungbullen - nach vorheriger Genehmigung durch Aufsichtsbehörden - geschossen. Der Wisent-Verein hatte dafür bei den Kreisen Siegen-Wittgenstein, Hochsauerland und Olpe artenschutzrechtliche Genehmigungen beantragt. Alle drei Kreise argumentierten, dass die Wisente derzeit nicht herrenlos seien. Daher sei für die „letale Entnahme“ eine artenschutzrechtliche Genehmigung nicht erforderlich. Sämtliche weiteren ordnungsrechtlichen Genehmigungen waren vorsorglich bereits eingeholt worden. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor, die der Verein am Montagnachmittag veröffentlichte.

Größe der Herde

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Zu Zeitpunkt und Ort der Tötung machten der Verein auch auf Nachfrage keine Angaben. Laut Pressesprecher Dr. Michael Emmrich ist die Herde nach diesem Eingriff „um die 20 Tiere stark“. Genauere Angaben könne man nicht machen, weil es sehr schwer sei, die genaue Größe der Herde zu ermitteln, da sich nicht alle Tiere am selben Ort aufhalten. Das Wildbret eines der beiden getöteten Wisente konnte vermarktet werden.

Genetische Variabilität

Neben der Herdengröße sei die genetische Variabilität ein wichtiger Faktor für den Erhalt einer Population. In der Wisent-Gruppe im Rothaargebirge sei die genetische Problematik immer drängender geworden. Denn dort können sich die geschlechtsreifen männlichen Nachkommen des inzwischen verendeten Altbullen Egnar mit ihren Müttern, Tanten und Schwestern paaren. „Die Entnahme von Tieren aus der Gruppe war deshalb aus genetischen Gründen zur Vermeidung von Inzucht und somit zum gesunden Erhalt der Herde insgesamt notwendig“, so der Trägerverein.

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Ähnlich wie im Falle von Egnar habe sich das Herdenmanagement lange vergeblich um Abnehmer für junge männliche Tiere bemüht, so Dr. Emmrich. Hintergrund sei, dass Bullen für andere Artenschutzprojekte nicht interessant seien. Denn pro Kuhherde werde in der Fortpflanzungsperiode lediglich ein Bulle benötigt.

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Diese Haltung leitet sich aus der Sozialstruktur der Tiere ab. Denn in der Fortpflanzungsperiode wird ein Bulle für eine Kuhherde benötigt. Bei den Nachkommen halten sich weibliche und männliche Tiere mit jeweils einem Anteil von rund 50 Prozent allerdings die Waage.

Keine Umsiedlung ins Besuchergehege

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Der Wisent-Verein habe sich auch intensiv mit einer möglichen Umsiedlung der Bullen in das 20 Hektar große Besucherareal „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“ befasst. Dagegen sprachen aber vielerlei Gründe. Wesentlich war, dass das Verhalten der in Freiheit geborenen Tiere im Besucherareal nicht abschätzbar gewesen wäre.

Wisent-Wildnis in Wingeshausen mit steigenden Besucherzahlen

Hervorragende Besucherzahlen legte Klaus Brenner, 2. Vorsitzender des Trägervereins des Wisentprojektes, am Freitag vor.

So verzeichnet die Wisentwildnis am Rothaarsteig – das Schaufenster des Artenschutzprojektes in Wingeshausen – im Jahr 2019 insgesamt 35.000 Besucher. Das entspreche einer Steigerung von 5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018. Anhand von Bonussystemen wie der Schmallenberg-Card und der Winterbergkarte lasse sich zudem feststellen, dass 9500 Besucher aus dem Sauerland in das Schaugehege gekommen sind.

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Pech habe man indes mit drei Wisentkühen im Gehege gehabt. Die drei Kühe aus dem Donaumoos seien als Ersatz für drei Bullen gekommen, die man an ein Artenschutzprojekt in Rumänien abgegeben habe. Alle drei hätten auch in der Wisentwildnis gekalbt. Dann sei es aber nach einem Vierteljahr zu Rangkämpfen zwischen den Kühen der Herde gekommen. Dabei seien die neuen Kühe gestorben. Rangkämpfe unter Kühen waren so noch nicht wissenschaftlich bekannt. „Wir haben da Neuland betreten“, formuliert es Brenner.

Herde fühlt sich sehr wohl

Über die freilebende Herde informierte der 3. Vorsitzende Johannes Röhl: „Die Herde fühlt sich sehr wohl. Die Reproduktionsrate ist höher als erwartet.“ Sechs bis sieben Kälber seien geboren worden. Drei Tiere habe man verloren. Eines durch den Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 236 und zwei weitere habe man Krankheitsbedingt erlösen müssen. Darunter war auch Bulle Egnar.

26.000 Euro weniger

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Auch zu den Ersatzleistungen für Schälschäden konnte Johannes Röhl Auskunft geben: In 2019 habe der Verein 49.000 Euro an Geschädigte gezahlt. 2018 waren es noch 75.000 Euro gewesen. Grundsätzlich gelte, dass alle berechtigten Ansprüche auf Schadenersatz beglichen werden – zunächst über den Ausgleichsfonds und sollte dieser ausgeschöpft sein, über eine Versicherung.

Die Reduzierung der Herde – es sind weitere Entnahmen geplant – wird von dafür rechtlich autorisierten Person vorgenommen. Es handele sich um eine von Beginn des Artenschutzprojektes an mit eingeplante Maßnahme.