Bad Berleburg/Bad Laasphe. Nicht Lesen zu können, schützt nicht vor Strafe. Speziell in diesem Fall spielen Verstehen und mögliche Gutgläubigkeit eine große Rolle.

„Es ist offensichtlich, dass es sich hier um eine Masche handelt. Wir reden von organisierter Kriminalität“, sagt Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel. Hintergrund ist ein klassisches Betrugsverfahren rund um einen Autokauf in Bad Laasphe, bei dem auch nach dem Urteilsspruch gegen eine 42-jährige Analphabetin aus Rumänien einige Fragen offen bleiben müssen.

Der Vorwurf der Urkundenfälschung wurde fallen gelassen, weil dies umfangreiche Ermittlungen im Umfeld eines inzwischen insolventen Subunternehmers eines Paketdienstes in Haiger nötig gemacht hätte. So blieb es beim Betrug, den das Gericht nach der Beweisaufnahme und der Vernehmung des Automobilverkäufers sowie zweier Bankmitarbeiter als erwiesen ansah.

30.240 Euro Schaden

Von größtem Interesse war, wie die Frau an den für den Autokauf nötigen Kredit in Höhe von 30.240 Euro kommen konnte: Die Angeklagte aus Neunkirchen ist nach eigenem Bekunden Analphabetin und kann weder deutsche noch rumänische Texte lesen. Außerdem ist sie ohne Übersetzer auch nicht in der Lage, sich zu verständigen. Bei Gericht half eine vereidigte Übersetzerin.

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Die Angeklagte war mit ihrem Mann von Neunkirchen nach Bad Laasphe gefahren, weil Bekannte so zufrieden mit dem Autohaus gewesen seien, berichtete sie. Am 14. Juni 2017 wurde dort ein gebrauchter Kombi der gehobenen Mittelklasse bestellt. Um ihre Liquidität nachzuweisen, zeigte die Angeklagte zwei Gehaltsabrechnungen ihres Arbeitgebers vor. Diese wiesen aus, dass sie 1600 Euro netto im Monat verdiene. Möglicherweise aber könnten beide gefälscht sein. Denn die Frau hat nach eigenen Angaben nie Geld von ihrem Arbeitgeber erhalten, sondern sei nur vertröstet worden.

Söhne und Mann verleugnet

Außerdem gab die Mutter von vier Söhnen (24, 19, 17 und 13 Jahre alt) an, nicht verheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Der Autoverkäufer trug das so in die Formulare ein und die Analphabetin unterschrieb, dass alle Angaben wahrheitsgemäß seien.

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Auf die Nachfrage der Oberamtsanwältin Hippenstiel, wie denn die Verständigung funktioniert habe, erläuterte der Autoverkäufer im Zeugenstand, dass er einerseits russisch mit ihr gesprochen habe und dass ein weiterer Rumäne anwesend gewesen sei, der schon bei zwei anderen Autoverkäufen behilflich gewesen sei. Interessanterweise stellte sich heraus, dass alle drei Geschäfte im Nachhinein geplatzt sind.

Auto bei Unfall in Rumänien zerstört

Auf die Nachfrage beim Verkäufer, ob er sich nicht gewundert habe, dass die Käuferin angegeben habe, nicht verheiratet zu sein, obwohl sie mit einem Mann ins Autohaus gekommen sei, der den gleichen Nachnamen trug, sagte der Zeuge, man habe ihm erklärt, dass die beiden nicht verwandt seien und dieser Name so häufig wie Schmidt oder Müller in Deutschland sei. Kurz nachdem das Auto ausgeliefert worden war, fuhr der Ehemann mit dem Wagen nach Rumänien und hatte dort einen Unfall. Ein nicht versicherter Holzlaster war auf seinen Kombi aufgefahren und auf das Fahrzeug gestürzt – Totalschaden.

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Das trifft vor allem die Darlehnsgeber, denn das Auto ist als Sicherheit nicht mehr vorhanden. Wie zwei Zeugen für das Geldinstitut des Autoherstellers aussagten, hatte die Angeklagte keine Ratenzahlungen vorgenommen. Gleichzeitig war ihr Vertrag durch Zufall in der Abteilung für Betrugsprävention aufgefallen. Der angebliche Arbeitgeber der Frau, der insolvente Paketdienst-Subunternehmer aus Haiger, war in drei anderen Fällen als Arbeitgeber von Kunden bei einem anderen Autohaus aufgetaucht. Diese Käufer hatten unter einem Vorwand versucht, Ersatz-Fahrzeugbriefe zu bekommen, hatten dann die Kredite platzen lassen und versucht, die Fahrzeuge zu verkaufen.

Arbeitgeber genauer unter die Lupe nehmen

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Vor diesem Hintergrund regte der Anwalt der Angeklagten Ermittlungen gegen das Unternehmen an. Weil diese das Verfahren aber verzögert hätten und der Betrug als erwiesen galt, wurde die Urkundenfälschung nicht weiter verfolgt. „Ich wusste nicht, dass die Gehaltsabrechnungen falsch waren. Ich habe doch immer auf Geld gewartet“, beteuerte die Angeklagte. Doch das nutzt ihr nichts. Sie hat falsche Dokumente vorgelegt und verschwiegen, dass sie drei unterhaltspflichtige Kinder hatte und ihr Mann ebenfalls arbeitslos war, sie also gar kein Geld für ein Luxusauto hatte. „Auch wenn Sie Analphabetin sind, müssen Sie wissen, was Sie unterschreiben“, hielt die Anklägerin der Frau vor.

In Anbetracht der prekären Lage forderte die Anklage nur eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu 15 Euro. Allerdings muss die Angeklagte den Schaden ersetzen. Das heißt, eine ersatzweise Vermögenseinziehung im Gesamtwert von 30.240 Euro steht ebenso ins Haus.