Großenbach. Markus Dreisbach geht zum telefonieren oder zum WhatsApp verschicken auf den Friedhof. Das Dorf fühlt sich beim Breitband-Ausbau abgehängt.
Markus Dreisbach liebt seine Heimat. Der 30-Jährige ist in Großenbach aufgewachsen und dort mittlerweile auch Ortsvorsteher. Für ihn ist das 35-Einwohner-Dorf sein Ruhepol, ein Fleckchen, an dem er entspannen und entschleunigen kann. Das Internet hilft ihm dabei – indem das manchmal nämlich gar nicht erst verfügbar ist. Der Breitband-Ausbau ist noch nicht bis Großenbach vorgedrungen. Markus Dreisbach nutzt deswegen LTE-Technik, um Zuhause online erreichbar zu sein. „Bei Unwetter oder Schneefall sind die Funkmasten aber oft störanfällig. Dann haben wir auch kein Internet“, so Dreisbach.
Streaming-Dienste sind so gut wie nicht nutzbar
50 Euro bezahlt Dreisbach für 250 GB Datenvolumen pro Monat – das sind nur die Kosten für die Internetverbindung zu Hause. Für seinen Mobilfunkvertrag zahlt er nochmal 60 Euro im Monat, in dem 10 GB inklusive sind. Anspruchsvolle Surf-Leistungen – wie zum Beispiel Streaming-Dienste – kann er damit trotzdem nicht komfortabel nutzen. Weil er mitunter lange warten muss, bis ein Video lädt, es zwischendurch abbricht oder ein Film schlichtweg zu viel Datenvolumen verbraucht. „Es ist nicht so, dass ich darauf unbedingt angewiesen bin“, sagt Dreisbach. „Aber es ist ein Nachteil gegenüber der Stadt oder anderen Dörfern, die bereits Breitband-Zugang haben.“ Man fühle sich abgehängt.
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Bereits im März 2018 hatte der Kreis Siegen-Wittgenstein verkündet, dass er eine flächendeckende Breitband-Versorgung bis Mai 2019 anstrebe – als der erste Landkreis in ganz NRW. „Flächendeckend heißt für mich überall“, meint Dreisbach. Die Kreisverwaltung hält dagegen: Auch nach Ende der Ausbaumaßnahmen werde es noch eine Anzahl von Haushalten geben, für die noch keine Verbesserung erreicht werden könne. Das seien Haushalte in Einzellagen außerhalb geschlossener Ortsteile oder in einer solchen Randlage, dass für sie aus technischen Gründen die Herstellung einer Anbindung mit mehr als 50 MBit/s nicht gewährleistet werden könne. Das sei Voraussetzung gewesen, um überhaupt Fördermittel erhalten zu können.
Keine Zukunft für die kleinen Dörfer?
„Ich sehe es als eine Staatspflicht an, dass wir eine vernünftige Internetversorgung haben. Überall in Deutschland“, fordert Dreisbach. Von der Politik bekomme er das Gefühl vermittelt, dass man keine Zukunft für die kleinen Dörfer sehe. „Ich setze mich mit Überzeugung dafür ein, dass so eine Siedlung wie Großenbach nicht ausstirbt und sich auch junge Familien dafür begeistern können, hierher zu ziehen.“ Doch mittlerweile sei der Internetanschluss ein ausschlaggebendes Kriterium für ein Hauskauf; ein Kriterium, mit dem Großenbach nicht punkten kann. Und für potentielle Käufer somit nicht attraktiv genug ist.
Arbeiten bis 2022
Laut Aussage der Kreisverwaltung sollen bis Ende 2019 insgesamt 98 Prozent der Haushalte in Siegen-Wittgenstein einen Breitband-Anschluss bekommen.
Für die restlichen 2 Prozent – wozu auch Großenbach gehört – soll es nach jetzigem Stand 2022 so weit sein.
Auch wenn entlegene Dörfer wie Großenbach, aber auch Steinbach oder Bernshausen, noch nicht von dem versprochenen Highspeed-Internet profitieren, sieht Dreisbach die positiven Entwicklung unter der Regierung von Landrat Andreas Müller. Vor allem die LTE-Versorgung vor gut vier Jahren sei ein Quantensprung für das Dorf gewesen. „Davor hatten wir einen Internetstick, der den besten Empfang hatte, wenn man ihn an der Wohnzimmerlampe befestigt hatte“, erzählt Dreisbach und fängt bei der unfreiwillig komischen Erinnerungen an zu lachen. Seit der LTE-Einführung sei aber kein nennenswerter Fortschritt für das Dorf mehr passiert. „Dass die Politik mittlerweile über 5G-Technik diskutiert, wir aber in einem Bereich unterwegs sind, in denen nicht mal 3G funktioniert, ist Irrsinn“, findet Dreisbach.
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Irrsinn sei auch, dass er auf dem höher gelegenen Friedhof den besten Handy- und Internetempfang im Dorf habe. Ausgerechnet dort, wo es am wenigsten nötig wäre. „Manchmal muss ich extra hier hochfahren, um telefonieren zu können oder auch nur, um eine WhatsApp zu verschicken, weil die zuhause nicht ‘rausgegangen ist.“ Bei jeder Ortsvorstehersitzung der Stadt Bad Laasphe habe er das Problem angesprochen. Die Situation ist also bekannt. „Mir ist bewusst, dass bei der Stadt und beim Kreis die Daumenschrauben angezogen sind. Aber müsste da die Bezirksregierung Arnsberg nicht auch mal die Gegenden fördern, die noch nicht gefördert wurden?“
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So viel sich Dreisbach in der Vergangenheit über die Internet-Problematik aufgeregt hat, so viel nimmt er sie jetzt mit Humor. „Manchmal mache ich mir einen Spaß daraus und rufe bei einem Internet-Anbieter an, was er mir für ein Angebot machen kann. Dann sind die Mitarbeiter erst ganz euphorisch – bis ich ihnen meine Adresse sage, sie auf der Karte nachschauen und sich dann entschuldigen müssen, dass sie nichts für mich tun können.“ Und trotzdem liebt Dreisbach sein Dorf. Das könne man nicht in Übertragungsgeschwindigkeit messen.