Karlsruhe/Bad Berleburg. Der Bundesgerichtshof wird die Entscheidung über die Wisente in Wittgenstein wohl an das Oberlandesgericht zurückgeben. Tendenz ist erkennbar.
Am 2. November 1993 – Fußball-Nostalgiker werden sich erinnern – feierte der Karlsruher SC in seinem Wildparkstadion mit dem 7:0 gegen den FC Valencia im Uefa-Pokal das „Wunder vom Wildpark“. Auf den Tag genau 25 Jahre danach hat der KSC vor dem Umbau in ein reines Fußballstadion sein letztes Punktspiel in der traditionsreichen Arena bestritten. Das Spiel endete 2:1 für die Gastgeber, so mancher Fan verdrückte eine Träne.
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Vier Kilometer weiter, am Bundesgerichtshof, gab es am Freitag beim Aufeinandertreffen des Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein und Waldbauern aus dem Schmallenberger Sauerland vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zwar noch kein Ergebnis, sprich: eine Entscheidung.
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Als Sieger gingen aber die beiden klagenden Waldbauern aus Schmallenberg-Oberkirchen aus der mündlichen Verhandlung. Fast möchte man meinen, dass dem in Westeuropa einzigartigen Wisent-Auswilderungsprojekt jetzt nur noch ein „Wunder von Wittgenstein“ hilft.
Wisentprozess: Waldbauern sehen positive Bewegung
Es ist voll im Karlsruher Verhandlungssaal. Fast 50 Besucher aus Südwestfalen wollen die juristische Auseinandersetzung vor dem höchsten deutschen Gericht verfolgen. Dieter Schulz, Anwalt des klagenden Waldbauern Hubertus Dohle, zeigt auf seine Aktentasche. Der Griff hat sich wegen Überbeanspruchung gelöst: „Sehen Sie, wie viele Unterlagen dieses Verfahren schon hervorgebracht hat.“
Sein Mandant lächelt zunächst eher gequält: „Ich hätte nie gedacht, dass die Sache bis zum Bundesgerichtshof geht. So langsam reicht es.“ Nach eineinhalb Stunden Verhandlung ist aus dem gequälten Lächeln ein zufriedenes geworden. „Ich bin fassungslos im positiven Sinne“, sagt er, „endlich geht es voran. Endlich sieht ein Gericht, dass das Eigentum von Waldbauern, dass an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden soll, schützenswert ist.“
Vorsitzende teilt rechtliche Einschätzung der Waldbauern
Anders auf Seiten des Trägervereins. Die Delegation aus Wittgenstein mit dem 1. Vorsitzenden Bernd Fuhrmann an der Spitze zieht sich zunächst wortlos zur Nachbesprechung zurück.
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Zu nachhaltig klingt noch die rechtliche Einschätzung der Vorsitzenden des V. Senats des BGH, Christina Stresemann, in ihren Ohren. Sie teilt in wichtigen Punkten die Auffassung der klagenden Waldbauern.
Wisente verursachen Schäden an Buchen im Privatwald
Vor fünf Jahren waren Wisente im Wittgensteiner Land in die Natur entlassen worden. Schnell hatten die Tiere das eigentliche Projektgebiet verlassen und insbesondere in Privatwald im Schmallenberger Sauerland Schälschäden an Buchen verursacht. Richterin Stresemann macht alsbald klar, dass man in der nach wie vor laufenden, aber nicht „auf unendliche Zeit ausdehnbaren Freisetzungsphase“ die Wisente nicht als „herrenlos“ und „wild“ im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ansehen könne. „Die Tiere sind noch nicht in die Natur übergegangen. Sie sind erst herrenlos, wenn sie die Freiheit wiedererlangt haben.“
Und überhaupt: Nach wie vor seien die Wisente wiederauffindbar und damit zu kontrollieren und zu beeinflussen. „Dass die Wisente selbstständig die dritte Phase des Projekts – die Herrenlosigkeit – eingeleitet haben, indem sie das Projektgebiet zwischenzeitlich verlassen haben, sehen wir nicht.“ Das findet insbesondere beim früheren Staatssekretär und heutigen juristischen Beistand des klagenden Waldbauern Georg Schütte-Feldmann, Hartmut Schauerte, Zustimmung: „Der BGH hat dem Trägerverein ganz klar ins Stammbuch geschrieben, dass er sich nicht aus der Verantwortung für die Tiere stehlen kann.“
"Ein in Westeuropa einmaliges Artenschutzprojekt"
Der 1. Vorsitzende des Trägervereins, Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, will nach der Nachbesprechung der mündlichen Verhandlung nichts von Enttäuschung wissen. Es gehe nicht daran, ob er glücklich oder unglücklich mit den eineinhalb Stunden in Karlsruhe sei, sagt der Wittgensteiner. „Es geht um ein in Westeuropa einmaliges Artenschutzprojekt.“ Er seit ermutigt – zum einen habe der BGH nicht das Aus des Wisent-Projekts verkündet, zum anderen wisse man jetzt, dass man mit seinen Vertragspartnern über das Ende der zweiten Phase – die Freisetzung der Tiere – reden müsse.
Der Senat hat zunächst die Anwälte des Trägervereins und der Waldbauern zu schriftlichen Stellung nahmen aufgefordert. Am Ende könnte der Rechtsstreit wieder an die Vorinstanz – das Oberlandesgericht Hamm – zurückgehen. Senatsvorsitzende Stresemann hat am Ende ihres Vortrages noch das Bedürfnis zu „allgemeinen“ Worten: „Es ist nicht so, dass der BGH heute über das Schicksal der Wisente entscheidet, wie es im Vorfeld hieß.“ Man habe den Eindruck, dass im Wisent-Streit ein „Warten auf die Gerichte“ überhand genommen habe. Gefragt seien die Vertragspartner des Wisent-Projekts – und insbesondere die Politik.