Bad Berleburg. . Ramy ist ein Beispiel für Integration. Der 29-jährige ist vor vier Jahren aus religiösen Gründen von Ägypten nach Deutschland geflüchtet.

Ramy kann ein Beispiel dafür sein, wie Integration von Flüchtlingen funktioniert. Der 29-jährige ist vor vier Jahren aus religiösen Gründen von Ägypten nach Deutschland geflüchtet. Dass Ramy in Deutschland und in Wittgenstein Fuß fassen kann, hat der zurückhaltende junge Mann mehreren Umständen zu verdanken.

Seinem Mut, seinem Fleiß und letztlich auch deutschen Helfern wie Horst Seeger vom „Café International“ in Bad Berleburg, Christine Beitzel von der Flüchtlingsinitiative oder dem Siegener Anwalt Adhi Molzberger. Im Interview erzählt Ramy, begleitet von Horst Seeger und Christine Beitzel, seine Geschichte.

Warum sind Sie aus Ihrer Heimat Ägypten geflohen?

Ramy: In Ägypten hatte ich keine Hoffnung mehr. Ich bin koptischer Christ. Wir werden unterdrückt. Das ist nicht der einzige Grund, aber auch einer.

Horst Seeger: Du bist ja gekommen, weil Dein Priester gesagt hat: „Ramy, Du musst gehen.“ Er wollte ja sein Land noch nicht verlassen, aber man hat es ihm nahe gelegt, weil er gefährdet ist.

Wie sieht diese Unterdrückung aus?

Für uns ist die Situation als Minderheit in Ägypten nicht gut. Egal, ob bei Schulen oder in der gesundheitlichen Versorgung – das finden wir in Ägypten nicht. Auch unsere Sicherheit ist nicht gegeben.

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Wie äußert sich das für Euch Christen im Alltag?

Ramy: Menschen kommen in unseren Laden, probieren Waren und fragen dann, ob wir Christen oder Muslime sind – nur um zu sagen, dass sie nicht bei Christen einkaufen werden.

Horst Seeger: Die Probleme zwischen Christen und Muslimen in Ägypten werden nicht objektiv dargestellt. Die tatsächliche Situation für die koptischen Christen ist eine Verfolgungssituation.

War die Situation schon immer so, oder hat sie sich durch den Regierungswechsel verändert?

Ramy: Vorher war es besser.
Horst Seeger: Und dann kam Mursi.

Was haben Sie daheim in Ägypten gearbeitet?

Ramy: Ich habe Abitur gemacht, BWL studiert und später mit meinem Bruder im Import-Export-Getränkegeschäft meiner Eltern gearbeitet. Ich hab’ die Buchhaltung gemacht.

Wann sind Sie nach Deutschland geflohen und wie kommen sie nach Bad Berleburg?

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Ramy: Das war 2013. Ich habe mir ein Visum für Georgien besorgt und bin über Georgien nach München geflogen. Und seit September 2013 bin ich in Bad Berleburg.

Wie sind Sie in Berleburg aufgenommen worden?

Ramy: Pfarrerin Latzel-Binder und Herr Seeger haben geholfen. Wir haben uns von der Tafel ernährt und Deutsch mit Martina Pritzel gelernt.

Wann haben Sie angefangen, in Deutschland zu arbeiten?

Ramy: Ich habe dann im Rathaus gefragt, weil ich arbeiten möchte. Da hat man mir gesagt, dass das nicht geht. Ich müsste erst einmal ein Jahr hier sein. Aber ich konnte arbeiten für einen Euro die Stunde beim Hausmeister im Gymnasium. Später dann bin ich zur Ausländerbehörde gegangen. Die haben mir erlaubt, zu arbeiten – und ich habe bei zwei Jahre bei McDonald’s gearbeitet.

Waren Sie zu dieser Zeit schon als Flüchtling anerkannt?

Integrationshelfer gesucht

Integration Lernen und Leben – eine Initiative Berleburger Bürger, die von Christine Beitzel und Britta Matthes gegründet wurde, etabliert Strukturen und Hilfen für Flüchtlinge.

Christine Beitzel bedankt sich bei vielen Helfern aus der Stadtverwaltung und anderen Institutionen für die gute Zusammenarbeit, aber es gibt noch viel zu tun. Wer mitmachen möchte, und sei es auch nur mit einem kleinen bisschen Zeit, ist willkommen.

Mehr Informationen und Ansprechpartner gibt es über diese Emailadresse: integration-lernen-leben@gmail.com

Ramy: Nein, mein erstes Interview, meine erste Anhörung bei der Ausländerbehörde war im November 2015. Und da habe ich eine negative Entscheidung bekommen. Im Oktober 2016 bekam ich dann auch meinen Abschiebungstermin. Das war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich war dann bei Herrn Seeger und habe ihm gesagt, ich muss gehen.

Horst Seeger: Da musste sofort gehandelt werden. Ich bin dann sofort mit ihm zum Anwalt Adhi Molzberger nach Siegen. Der hat eine einstweilige Verfügung gegen die Abschiebung erwirkt und wir haben uns mit einer Petition an die Härtefallkommission des NRW-Landtages gewendet. Daraufhin wurde die Entscheidung zurückgenommen. Der Ramy konnte damals auch gar nicht abgeschoben werden, er war ja seelisch krank geworden.

Sie haben nun Bleiberecht. Was machen Sie jetzt?

Ramy: Ich mache eine Ausbildung bei BSW zum Maschinen- und Anlagenführer.

Wollen Sie in Wittgenstein bleiben?

Ramy: Ja. Hier ist es besser als in der großen Stadt. Wittgenstein ist wie eine große Familie. Und hier ist es nicht so laut wie in Düsseldorf oder Köln. Da bin ich auch öfter. Aber hier ist es besser.

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Ist Ramy ein Beispiel für gelungene Integration?

Horst Seeger: Was heißt Integration? Wann gelingt die wirklich? Da sehen wir noch manche Baustelle. Im sozialen Bereich bei der praktischen Hilfe können wir einiges abfangen. Da ist zunächst das Materielle. Aber wenn wir dann an die eigentlichen Probleme kommen, die die Menschen mitbringen, wenn wir diese Geschichten mal hören können, wenn das sprachlich möglich ist, dann fängt Integration an. An der Stelle sind wir aber noch gar nicht.

Christine Beitzel: Leider ist es oft lange nicht möglich, dass uns die Menschen diese Geschichten erzählen. Es wichtig zu erfahren: Wie geht es den Menschen wirklich, auch wenn sie eine Wohnung, Möbel und Kleidung haben? Die Inte­gration fängt jetzt erst an – und ich hoffe, dass sich mehr Menschen Zeit für die Flüchtlinge nehmen und mit ihnen sprechen. Das ist wichtig.