Bad Laasphe/Dorot. Am 75. Jahrestag waren Dalia und Naftali Lavi ins Laaspher Rathaus eingeladen, wo sich die Gäste ins Goldene Buch der Stadt eintrugen.

„Nobody believes in God“ - auf Deutsch: Keiner glaubt an Gott. Klar antwortete Dalia Lavi am Mittwochabend im Laaspher Haus des Gastes auf die Frage, wie das denn mit Religion in ihrem Kibbuz aussehe, wenn es da offensichtlich keine Synagoge gebe. Zuvor hatte die Israelin, mehr als eine Stunde lang über das Leben im Kibbuz Dorot gesprochen. Der Christlich-Jüdische Freundeskreis Bad Laasphe hatte Dalia und ihren Bruder Naftali für sechs Tage nach Deutschland eingeladen. Eine Spende eigens dafür und ein aus diesem Anlass gewährter günstiger Übernachtungs-Tarif im Laaspher Hotel am Fang entlasteten dabei den Freundeskreis finanziell. Dalia und Naftali sind die Kinder von Baruch Lavi, vor 100 Jahren als Berthold Beifus in Laasphe geboren.

50 Zuhörer

Knapp 50 Besucher waren im Haus des Gastes. Sie kamen aus ganz Wittgenstein und dem benachbarten hessischen Hinterland. Zunächst hatte Rainer Becker als Vorsitzender berichtet, wie sich Dalia Lavi 2016 nach dem alljährlichen Überseebrief, mit dem der Freundeskreis die Laaspher Juden und deren Nachfahren in der Welt über seine Arbeit informiert, gemeldet hatte. Nach dem Tod ihres Vaters wolle sie gern in Kontakt bleiben. Sie unterstützte den Freundeskreis, der 2016 sein 25-jähriges Bestehen mit einer großen Jubiläums-Ausstellung feierte, durch historische Fotos von der Laaspher Familie Beifus. Der Überseebrief wird von dem Laaspher Ulrich Weiß übersetzt, er war jetzt im Haus des Gastes, um bei Dalia Lavis Kibbuz-Vortrag zu dolmetschen: Referat, Fragen, Antworten.

Die Kibbuz-Bewegung erklärt

Die Zuhörer erfuhren viel über die Kibbuz-Bewegung, die Dalias und Naftalis Vater von Anfang begeisterte. 1939 war er aus den Niederlanden nach Palästina emigriert. Er habe gleich gewusst, dass er im Kibbuz als Pionier arbeiten wolle. Die harsche Bedingung eines einfachen Lebens in einer unwirtlichen Umgebung habe ihn nicht geschreckt. Im Gegenteil: Die Idee des gleichberechtigten Teilens bei schwerer Arbeit in einer Gemeinschaft, die Nahrung und Wohnung biete, habe ihn sogar angezogen. Und tatsächlich wurde aus dem wüsten Flecken, auf dem der Kibbuz Dorot 1941 mit ein paar Zelten und Schuppen von deutschen Juden gegründet wurde, über die Jahrzehnte ein grüner Ort im Negev mit einer großen Fabrik für Wasserleitungs-Kontrollventile.

Als der Wallauer Heinrich Höse vom Christlich-Jüdischen Freundeskreis Dalia Lavi das Gedenkbuch für die Laaspher Juden im Rathaus zeigte, war sie erschüttert. Von dem Buch hatte sie schon in Israel von ihrem Vater gehört.
Als der Wallauer Heinrich Höse vom Christlich-Jüdischen Freundeskreis Dalia Lavi das Gedenkbuch für die Laaspher Juden im Rathaus zeigte, war sie erschüttert. Von dem Buch hatte sie schon in Israel von ihrem Vater gehört. © Jens Gesper

Einer aus dem komplett weltlichen Kibbuz, nur etwa fünf Prozent sind religiös, war in den 70er Jahren Knesset-Abgeordneter, er saß nicht zufällig für eine linke Parteien-Allianz im israelischen Parlament. Über Politik mochte Dalia Lavi in Bad Laasphe aber nicht sprechen, sie ging jedoch davon aus, dass die Palästinenser im Gaza-Streifen, der gerade mal 15 Kilometer von Dorot entfernt liegt, ein hartes Leben haben.

Neue Zeiten

Den neuen Zeiten mit einem stärkeren Bedürfnis für Individualismus mussten die Kibbuzim Rechnung tragen. Die Dinge änderten sich: Die Kinder werden nirgendwo mehr komplett in gemeinsame Kinderhäuser ausgelagert, sie leben jetzt im bei ihren Eltern. Die Kibbuzniks haben inzwischen selbst zuhause Küchen, es wird nicht mehr ausschließlich in Gemeinschaft gegessen. Die Bewohner arbeiten heute teilweise auch außerhalb vom Kibbuz. Ihr Vater, so erinnerte sich Dalia Lavi beim Vortrag, habe fast 60 Jahre in der Ventil-Fabrik geschuftet, die auch ihr und ihrem Bruder Arbeit gegeben habe.

Als sich Naftali und Dalia Lavi ins Goldene Buch der Stadt eintrugen, hatten sie zwei Bilder von ihrem Kibbuz Dorot als Geschenk für Bad Laasphe dabei. Hier zeigen die beiden Bürgermeister Dr. Torsten Spillmann (links) und Rainer Becker (rechts) den Standort ihrer Häuser.
Als sich Naftali und Dalia Lavi ins Goldene Buch der Stadt eintrugen, hatten sie zwei Bilder von ihrem Kibbuz Dorot als Geschenk für Bad Laasphe dabei. Hier zeigen die beiden Bürgermeister Dr. Torsten Spillmann (links) und Rainer Becker (rechts) den Standort ihrer Häuser. © Jens Gesper

Schon ihr Vater habe nicht mehr an Gott geglaubt, obwohl seine Eltern - der gebürtige Laaspher Herz Beifus und seine Ehefrau Minna - noch religiös gewesen seien. Es ist müßig darüber nachzudenken, wie die in ihrer Unmenschlichkeit unvorstellbaren Gräuel der Nazi-Herrschaft den Glauben von Menschen an Gott beeinflusst haben. Aber in Bad Laasphe war es am Donnerstag der Christlich-Jüdische Freundeskreis, der an die Deportation von 18 älteren Juden aus Laasphe am 27. Juli 1942 nach Theresienstadt erinnerte. An diesem 75. Jahrestag waren Dalia und Naftali Lavi morgens zunächst ins Laaspher Rathaus eingeladen, wo sich die Gäste ins Goldene Buch der Stadt eintrugen. In das Goldene Buch der Stadt, aus der ihre Großeltern Herz und Minna Beifus auf den Tag genau 75 Jahre zuvor nach Theresienstadt deportiert worden waren, um zwei Monate später im Konzentrationslager Treblinka ermordet zu werden.

Emotional berührend war es auch am Nachmittag, als sich eine Gruppe auf einen Stadtgang durch Bad Laasphe machte, um entlang ihrer Stolpersteine an die 18 Menschen zu denken, die 75 Jahre zuvor aus Laasphe deportiert und in den sicheren Tod geschickt wurden.