Wunderthausen. . Die Kapelle in Wunderthausen ist womöglich deutlich älter als bislang angenommen. Das haben ungewöhnliche Aktenfunde von Andreas Wahl ergeben.
- Die Kapelle in Wunderthausen ist womöglich noch deutlich älter als bislang angenommen.
- Das Baujahr 1733, das in der Literatur kursiere, sei nicht zu belegen, sagt Andreas Wahl, Mitglied des Wittgensteiner Heimatvereins.
- Wahl hat alte Rechnungen aus dem Schlossarchiv in Bad Berleburg eingesehen, die diese These belegen können.
Die Kapelle in Wunderthausen ist womöglich noch deutlich älter als bislang angenommen. Das Baujahr 1733, das in der Literatur kursiere, sei nicht zu belegen, sagt Andreas Wahl, Mitglied des Wittgensteiner Heimatvereins – und gibt gute Gründe dafür an. So seien „für die Jahre 1672, 1682, 1686 verstärkt und später immer wieder“ Maurer-Arbeiten an der Kapelle belegbar – nämlich anhand vorliegender Abrechnungen der Wunderthäuser Kapellengemeinde. Der Fund der Belege – ein echter „Glücksfall“, findet Wahl.
Seine These: „Da die Abrechnungen schon damals in zweifacher Ausfertigung erstellt werden mussten, ist davon auszugehen, das nur die Unterlagen die Zeit überdauert haben, die über die Kirchengemeinde Girkhausen, der die Kapellengemeinde Wunderthausen in dieser Zeit angehörte, nach Berleburg gelangten.“ Und tatsächlich: „Im bestens sortierten Kreiskirchenarchiv Wittgenstein konnte ich die Unterlagen bei Dr. Johannes Burkhardt als zuständigem Kreiskirchenarchivar dann einsehen. Sie sind unter der Signatur Kirchengemeinde Bad Berleburg Nr. 150, Rechnungen der Kapelle Wunderthausen, Band I+II, abgelegt.“
Quelle aus dem Jahr 1615
Der Hobby-Heimatforscher aus Wunderthausen verweist auf einen „Beginn der vorliegenden Abrechnungen aus dem Jahre 1658, die sich auf noch ältere Unterlagen beziehen“. Mehr noch: „Als weitere Quelle taucht in den Chroniken der benachbarten Stadt Hallenberg ein Geldbetrag für Bauarbeiten an der Wunderthäuser Kapelle aus dem Jahre 1615 auf.“ Konkrete Hinweise auf einen Neubau der Kapelle? Allerdings Fehlanzeige, stellt Wahl fest. Immerhin: „Umfangreiche Dachdecker-Arbeiten“ seien bereits „für 1704/1705 nachweisbar“, berichtet Wahl weiter. Und „die Schiefer-Eindeckung ist sicherlich dafür verantwortlich, dass die Kapelle bei den großen Dorfbränden von 1887 und 1893 verschont geblieben ist“, schätzt der Hobby-Forscher. Die „kunstvoll gestaltete Kanzel mit gemauertem Unterbau“ sei den Unterlagen zufolge bereits 1708 entstanden. Und „weitere Ausbauten und Renovierungen folgten in den Jahren 1714, 1726, 1742, 1749, 1751, 1753, 1755, 1769, 1788 und 1791“.
Finanzierung durch Zins-Einnahmen
Die aufgelisteten Ausgaben werfen natürlich die Frage auf: Wie hat sich so eine kleine Kapellengemeinde überhaupt finanzieren können? Das interessiert Andreas Wahl als Fachberater eines bekannten Versicherungsunternehmens natürlich brennend. Seine Erklärung dazu: „Neben den üblichen Einnahmen aus Almosen, Spenden und finanziellen Mitteln aus Nachlässen werden Zins-Einnahmen aus verliehenem Kapital in nicht geringem Umfang erwirtschaftet. Sicherlich würde man heute von Bank-Geschäften sprechen, der jährliche Schuldzins lag konstant bei etwa fünf Prozent – und das über einige Jahrhunderte.“
„Eine solche Einnahme beispielsweise, die später als Spende in die Kapellen-Rechnungen einfloss, stammte vom Grafen Ernst zu Sayn Wittgenstein-Homburg (1599-1649)“, erzählt Wahl. Er habe „die Wunderthäuser vermutlich aufgrund ihrer enormen Verluste im 30-jährigen Krieg (1618-1648) finanziell unterstützt“.
Die Recherche in den Rechnungsunterlagen aus dem Archiv sei im Übrigen durchaus abenteuerlich gewesen, macht Andreas Wahl nicht ohne ein Schmunzeln deutlich. „Bei der Durchsicht der Belege auf handgeschöpftem Papier, die von wechselnden Kapellenmeistern mit spitzer Feder verfasst wurden, kommen erstaunliche Details zu Tage, die so nicht zu erwarten waren.“ Außerdem habe sich bei der Handschrift „bis heute nicht viel geändert“, sagt Wahl und ergänzt: „Von gestochen scharfem Schriftbild, fast künstlerisch ausgeschmückt, bis hin zur sogenannten ,Sauklaue’, die das Entziffern auf eine harte Probe stellt, ist alles dabei.“
Selbstständigkeit und Verantwortung
In den vorliegenden Rechnungsbelegen sieht Andreas Wahl aber noch etwas anderes, was sich die Berleburger Dörfer in gewisser Weise auch heute noch bewahren. So „zeigt uns das Besondere an diesen Kapellen-Rechnungen vor allem die Selbstständigkeit und die große Verantwortung der kleinen Landgemeinden bezüglich der Abläufe eines dörflichen Zusammenlebens. Gerade in den schweren Zeiten während und nach dem 30 Jahre andauernden Religionskrieg war jede Kapellengemeinde auf sich gestellt.“
>>> Nicht der erste Fund
Rückblende: Im Jahr 2013 forschte Andreas Wahl schon einmal nach der Historie eines Sakralbaus in seinem Heimatort, spürte gemeinsam mit Bernd Homrighausen stellvertretend für viele weitere Interessierte mit modernster Technik nach einem immer noch ungelösten archäologischen Rätsel in Wunderthausen: einem verschwundenen Kloster, vermutlich ein Nonnenkloster. Damit ging es um ein weiteres offenes Kapitel in der Geschichte des Dorfes, das im Jahre 1303 als „Wandirdihusen“ erstmals erwähnt worden ist.
Unter dem Dach des gemeinnützigen Kriegervereins Wunderthausen , dessen Vorsitzender Wahl ist, haben die beiden Nägel mit Köpfen machen können – und bedienten sich bei der Datensuche unter anderem moderner GPS-Vermessungstechnik, der Magnetometer-Prospektion und eines Bodenradars.