Wittgenstein. . NGG Südwestfalen warnt mit zunehmender Digitalisierung vor einem Aufweichen der Arbeitszeiten. Nachtarbeit birgt gesundheitliche Risiken.

  • 20.000 Beschäftigte im Kreis arbeiten regelmäßig in der Nacht
  • NGG appelliert an Arbeitsstandards und fordert faire Löhne
  • Arbeiter sollen für digitalen Wandel qualifiziert werden

Montags, 1.30 Uhr. Die meisten drehen sich um diese Uhrzeit nochmal im warmen Bett um. Für Hans-Dieter Birkelbach und seine Kollegen ist dann Schichtbeginn. Der Bäckermeister aus Erndtebrück ist einer von rund 20.000 Beschäftigten im Kreis Siegen-Wittgenstein, die regelmäßig nachts arbeiten.

Laut Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Südwestfalen (NGG) sind kreisweit etwa 15 Prozent der Arbeitnehmer „Mondzeit-Jobber“. Das ergeben aktuelle Schätzungen des Mikrozensus. Der Beruf des Bäckers sei prototypisch für Nachtarbeit, aber: „Durch die Digitalisierung könnte das Arbeiten in der Nacht bald noch viel mehr Berufe treffen“, sagt NGG-Geschäftsführerin Isabell Mura.

Die Versorgung

„Wir müssen die Leute gleichbleibend zufriedenstellen“, so Birkelbach. Jeden Morgen werden frisch gebackene Brötchen angeboten – dafür arbeiten nachts die Bäckergesellen. Der Dienstleistungsgedanke nimmt keine Rücksicht auf Uhrzeiten. Bei Birkelbachs gelten feste Löhne: Laut Gesetz wird regelmäßig sowohl für den Nachtzuschlag als auch für den Freizeitausgleich ein Zuschlag von 25 Prozent als angemessen angesehen.

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Feuerwehr, Polizei, Krankenhäuser – auch hier gehören Abend- und Nachtschichten zum Berufsbild. In den Bad Berleburger Helios-Kliniken müssen die Beschäftigten im Pflegedienst, im Ärztlichen Dienst, sowie in den Funktionsdiensten und im Labor auch nachts arbeiten, „um die Sicherheit der Patienten rund um die Uhr zu gewährleisten“, so Helios-Sprecherin Antje Gröpl. Wer nachts, am Wochenende oder an Feiertagen arbeitet, erhält einen Lohnzuschlag.

Arbeiten, wenn andere schlafen. Empfinden das Arbeitnehmer nicht als belastend? „Das ist individuell unterschiedlich. Während einige Mitarbeiter den Nachtdienst als sehr belastend empfinden, schätzen andere, dass sie Familie und Beruf besser miteinander in Einklang bringen können“, so Gröpl weiter.

Die Gesundheit

Die Gewerkschaften IG Metall und Verdi warnen schon lange vor den gesundheitlichen Risiken, die mit Störungen des Biorhythmus einhergehen. Schlafstörungen, Einschränkung der sozialen Kontakte, depressive Verstimmungen, eine vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, die sich negativ auf den Blutdruck und die Herzfrequenz auswirken.

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Die NGG befürchtet, dass mit zunehmender Digitalisierung die Arbeitszeiten zukünftig weiter aufgeweicht werden: E-Mails nach dem Feierabend, die Maschinen mit dem Smartphone bedienen. „Arbeitsstandards und faire Löhne dürften hierbei aber nicht unter die Räder kommen“, mahnt die NGG Südwestfalen.

Das Arbeitszeitgesetz

Grundsätzlich dürfen Arbeiter und Angestellte höchstens acht Stunden pro Werktag arbeiten. Im Bedarfsfall kann die Arbeitszeit auch auf zehn Stunden ausgedehnt werden – unter der Voraussetzung, dass die über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit ausgeglichen wird. Zwischen Feierabend und Arbeit müssen außerdem mindestens elf Stunden Freizeit liegen.

Nachtarbeitnehmer unterliegen einem besonderen gesundheitlichen Schutz. Beschäftigte können sich arbeitsmedizinisch untersuchen lassen: einmal vor dem Beginn der nächtlichen Beschäftigung und danach regelmäßig alle drei Jahre. Wer älter als 50 Jahre ist, kann sich sogar einmal im Jahr durchchecken lassen.

Um Arbeitnehmer zukünftig noch besser zu schützen, fordert die NGG Südwestfalen die Erhaltung der Arbeitsstandards, faire Löhne und das Recht auf Weiterbildung. „Statt über die Abschaffung des 8-Stunden-Tags nachzudenken, sollten die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter lieber für den digitalen Wandel qualifizieren“, sagt NGG-Geschäftsführerin Isabell Mura.