Wittgenstein. Wittgensteiner Firmen erkennen das Problem und die Burnout-Gefahr. Dirk Pöppel vom Berleburger Schaumstoffwerk spricht von „Informations-Inflation“.

  • Digitale Informationsentwicklung kann nur gesteuert, aber nicht aufgehalten werden
  • Tausende E-Mails erreichen Wittgensteiner Firmen täglich
  • Die ständige Erreichbarkeit führt zu mehr Stress, der sich bis ins Privatleben zieht

Immer mehr Menschen fühlen sich vom Job überlastet, ja sogar ausgebrannt. Mögliche Ursache sind oft Termindruck, ständige Erreichbarkeit und eine Flut von Informationen, E-Mails, Kurznachrichten oder WhatsApp-Chats. Dirk Pöppel vom Berleburger Schaumstoff Werk (BSW) nennt das Problem beim Namen: „Informations-Inflation“.

Und der Unternehmer macht sich Gedanken: „Wie können wir diese Entwicklung begleiten und steuern? Aufhalten können wir sie nicht!“ Mit seiner Sorge ist er nicht allein. „Die permanente Erreichbarkeit durch mobile Datengeräte führt zu vermehrtem Stress, dessen Folgen sich teilweise bis in das Privatleben ziehen“, bestätigt Melissa Saßmannshausen aus Sicht des Erndtebrücker Eisenwerks.

Vielfältige Symptome

Verlässliche Statistiken zu Arbeitsunfähigkeit oder Krankschreibung wegen Burnout gibt es nicht, weiß Martin Büdenbender von der AOK-Regionaldirektion Siegen. „Zahlen können nicht darstellen, was tatsächlich passiert“, weil Burnout kein klar definiertes Krankheitsbild sei: „Bei jedem Betroffenen äußert sich das anders. Der eine hat Bluthochdruck, der nächste Rückenschmerzen“, sagt Büdenbender. Hinzu kommt, dass sich viele Betroffene scheuen, mit ihren Arbeitgebern, ja selbst Angehörigen oder Freunden darüber zu sprechen.

Das Herzstück der EDV: Florian Fischer (links) und Dirk Pöppel im Serverraum des Berleburger Schaumstoff Werks. Hier laufen Tausende Kabel und Datenstränge des Unternehmens zusammen.
Das Herzstück der EDV: Florian Fischer (links) und Dirk Pöppel im Serverraum des Berleburger Schaumstoff Werks. Hier laufen Tausende Kabel und Datenstränge des Unternehmens zusammen. © Lars-Peter Dickel

Unternehmen müssen Strategien gegen diese neuen Belastungsphänomene entwickeln: Täglich gehen mehr als 2000 E-Mails in der BSW-Zentrale ein und aus. Um Stress beim Blick ins Postfach zu vermeiden, setzt das Unternehmen früh an: „Bei uns lernt bereits jeder Azubi den Umgang mit E-Mails“, erläutert Pöppel und nennt beispielhaft eine interne Regel, die vor Informationsüberflutung schützen soll: Eine E-Mail wird nur von denen kommentiert, die direkt angeschrieben worden sind. Diejenigen, die ins „CC“ gesetzt werden – also eine Kopie zur Kenntnis erhalten – schreiben nicht zurück.

Regeln für die Kommunikation

Außerdem legt BSW Wert auf klar formulierte Inhalte und eindeutige Betreffzeilen, die es einfacher machen, Post zu gewichten. Letztlich steht jeder Mitarbeiter in der Verantwortung: „Wir müssen uns bei jeder Mail fragen, was wir damit erreichen wollen“, sagt Pöppel. Auch und gerade in der Geschäftsführung ist der E-Mail-Eingang häufig voll. Und Pöppel sagt auch, was mit Mails passiert, die nicht genau einzuordnen sind: „Oft ist die Delete-Taste die einzige Lösung.“

Persönlicher Kontakt wichtig

© Manuela Nossutta

Auch andere Ideen werden diskutiert: Weiterleitungssperre oder definierte Bearbeitungszeit. Das scheitert daran, dass bei BSW mit Kunden und Werken in Übersee kommuniziert wird. Das Ausweichen auf Telefon oder Videokonferenzen macht bei Zeitverschiebungen nur bedingt Sinn. Vor der gleichen Herausforderung steht auch das Erndtebrücker Eisenwerk mit täglich 10 000 ein- und ausgehenden Mails. Laut Melissa Saßmannshausen ist die E-Mail das wichtigste Kommunikationsmittel, wenn es um Vermittlung von Fakten geht. Bei allen Inhalten, die diskutiert werden müssen, setze EEW auf persönliche Kommunikation. „Die ist durch kein digitales Medium ersetzbar“, sagt Saßmannshausen.

Eigenverantwortlichkeit

Der Gesundheitskonzern Helios mit seinen Rehakliniken und dem Akut-Krankenhaus zählt 450 personifizierte E-Mail-Postfächer in Berleburg. Geschätzt 20 bis 30 Mails erhält ein Mitarbeiter pro Tag. Eine Anweisung zum Umgang mit E-Mails gibt es aber nicht: „Hier vertrauen wir auf den gesunden Menschenverstand unserer Mitarbeiter. Zudem ist es uns wichtig, dass außerhalb der Dienstzeiten möglichst keine E-Mails gelesen und bearbeiten werden“, sagt Helios-Sprecherin Antje Gröpl. „In der internen Kommunikation setzen wir auf die klassischen Kanäle wie Telefonate, Besprechungen, Aushänge oder Newsletter.“