Kreis Olpe/Südwestfalen. . Seit einem Jahr ist Isabell Mura die Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Uns stand sie Rede und Antwort.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist die gebürtige Oberhausenerin Isabell Mura (32) Geschäftsführerin der Region Südwestfalen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Wir hatten Gelegenheit, sie zum Thema Gastronomie- und Personalkrise in Südwestfalen und dem Kreis Olpe zu befragen.

Frau Mura, Viele Kneipen und Gastro-Betriebe haben in den vergangenen Jahren dicht gemacht. Woran liegt es?

Isabell Mura: Die Hürden, um überhaupt einen Gastronomiebetrieb zu eröffnen, sind sehr niedrig. Wir fordern als Gewerkschaft schon lange, dass es einen Sachkunde-Nachweis gibt. Dass die, die einen Betrieb eröffnen, wesentlich besser und umfangreicher geschult werden, unter anderem in Betriebswirtschaft, aber auch in arbeitsrechtlichen Belangen. Viele wissen gar nicht, was alles dranhängt, um eine Gastronomie betreiben zu können.

Offenbar gibt es einen Fachkräftemangel. Warum hakt es beim Personal, spielt der Mindestlohn eine Rolle?

Es ist sehr wichtig, dass wir überhaupt den gesetzlichen Mindestlohn haben. In NRW und im Kreis Olpe hatten wir allerdings auch schon vorher per Tarifvereinbarung die 8,50 Euro als unterste Lohngrenze. Aber daran dürften die Betriebe nicht gescheitert sein.

Galt das auch immer schon für alle Mini-Jobber?

Ja, auch für die.

Wie viele Menschen arbeiten im Kreis Olpe im Hotel- und Gaststättengewerbe?

Laut der Zahlen der Arbeitsagentur waren es 2015 960 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 1830 geringfügig Beschäftigte.

Sind das überdurchschnittlich viele Mini-Jobber?

Ja, im Normalfall gehen wir von einem Verhältnis von 50 zu 50 Prozent aus. Hier ist das deutlich anders, da ist es ja nur ein Drittel, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Hängt vermutlich auch damit zusammen, dass der Kreis Olpe Tourismusgebiet ist. Gastronomen, die saisonal öffnen oder vielleicht nur am Wochenende, arbeiten verstärkt mit Aushilfen.

Apropos Fachkräftemangel: Ist die Arbeit in der Gastronomie für viele junge Leute einfach zu hart?

Es ist leider so, dass es in der Gastronomie auf der Arbeitgeberseite noch viele schwarze Schafe gibt. Die Rahmenbedingungen sind ohnehin schon hart. Aber dessen sind sich die jungen Menschen bewusst, die sich dafür entscheiden. Sie müssen nun mal am Wochenende oder an Feiertagen arbeiten, wenn ihre Freunde frei haben.

Ist das Betriebsklima auch rauher als in anderen Branchen.

Sicherlich kommt auch häufig ein rauer Umgangston hinzu, vor allem in den Küchen. Das schreckt viele junge Menschen dann doch ab, wenn sie da mal reingeschaut haben. Und grundsätzlich ist das Thema ,Arbeitszeiten’ ein ganz schwieriges in der Gastronomie, weil dort häufig gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird. 12-Stundenschichten sind oftmals gang und gäbe, oder die Pausenzeiten werden nicht eingehalten.

Aus welcher Sparte der Branche kommen die meisten Beschwerden zur NGG?

Aus den Bereichen Bäcker- und Fleischerhandwerk und aus dem Gastgewerbe.

Welches Rezept empfehlen Sie gegen den Fachkräftemangel?

Erstmal darauf achten, dass man Gesetze und Tarifverträge einhält, dass man eben nicht gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt und überlange Schichten plant. Damit könnte man sicherlich den einen oder anderen jungen Menschen mehr gewinnen. Tarifvertraglich arbeiten wir mit dem DEHOGA an vernünftigen Abschlüssen, dass auch die Bezahlung in einem Rahmen ist, mit dem man gut leben kann. Da sind wir gerade bei den Auszubildenden auf einem Weg, der hilfreich sein wird. Im ersten Ausbildungsjahr sind es 700 Euro im zweiten 800 Euro, im dritten 900 Euro. Damit liegen wir fast schon auf Industrie-Niveau.

Wenn sich nichts änder, steht dann im Sauerland bzw. im Kreis Olpe eine Gastro-Krise ins Haus?

Ich befürchte schon, dass die Branche generell ein ganz kräftiges Problem mit dem Nachwuchs bekommen wird, wenn sie nicht selbst dran arbeitet und die eigene Branche attraktiv macht. Es ist eigentlich ein schöner Beruf, der auch Spaß macht und den viele Beschäftigte mit Herz machen, wenn eben die Rahmenbedingungen stimmen.

Wie hoch ist der Organisationsgrad im Hotel- und Gaststättengewerbe?

Viel zu niedrig auf jeden Fall. Es sind häufig Einzelkämpfer, die bei uns Mitglied werden, und deshalb gibt es auch viel zu wenig Betriebsräte. Wo es vernünftige Strukturen mit Betriebsräten gibt, wie beispielsweise bei Coca Cola oder den Brauereien, beklagen sich deutlich weniger Mitarbeiter.

Wie viele Mitglieder hat die NGG im Kreis Olpe?

Die Zahl liegt mir gerade nicht vor.

Wie viele in Südwestfalen?

Rund 3200.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war ein richtiger Schritt. Ich wünsche mir, dass es keine Ausweitung des Arbeitszeitgesetzes gibt. Da wird von Seiten der Arbeitgeberverbände dran gekratzt, um es aufzuweichen.

Was bedeutet das konkret, auch in der Gastro-Branche?

Dass 12-Stunden-Schichten legal werden würden. Das darf auf keinen Fall passieren.

Wird den Gastro-Arbeitgebern zu viel Bürokratie aufgebürdet?

Ein ganz klares Nein. Jeder Arbeitgeber muss einen Dienstplan schreiben, damit er seinen Beschäftigten überhaupt sagen kann, wann sie arbeiten müssen. Und wenn es dann mal ‘ne Überstunde gibt, kann man die einfach auf dem Dienstplan nachtragen. Das können auch die Arbeitnehmer selbst machen. Der Arbeitgeber kann diese Zeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer übertragen. Das ist ein Problem, das immer herausgehoben wird von den Arbeitgebern, was aber eigentlich nicht vorhanden ist.

Personalie

Isabell Mura ist 32 Jahre alt, gebürtige Oberhausenerin und studierte Gymnasial-Lehrerin für die Fächer Englisch und Deutsch. Seit 2010 gehört sie zur Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), seit 2015 ist sie die Geschäftsführerin der NGG für Südwestfalen.