Fredeburg/Wittgenstein. . Die Windkraft-Fläche in Südwestfalen verringert sich um ein Drittel. Was das für die Wittgensteiner Kommunen bedeutet, ist noch unklar.
- Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung künftig 1000 Meter
- Politiker sind sich uneinig über diese Kehrtwende
- Erfolg und Rückschritt liegen eng beieinander
Der Regionalrat hat mit einer 8:7-Mehrheit aus CDU und Freien Wählern gegen SPD, FDP und Grüne eine weitreichende Entscheidung getroffen. Die Auswirkungen auf die Kommunen sind allerdings fraglich.
Der Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung soll künftig 1000 Meter betragen. Dadurch reduziert sich die für in Südwestfalen mögliche Windkraft-Fläche mit einem Schlag von 54.000 Hektar auf 38.600 Hektar. Was bei Windkraftgegnern wie dem Bad Berleburger Horst-Günter Linde mit Genugtuung aufgenommen wird, treibt Projektplanern wie dem Bad Laaspher Ludwig-Ferdinand zu Sayn-Wittgenstein die Sorgenfalten auf die Stirn. Allein die Politiker und Verwaltungen in den Kommunen, die mit diesen Vorgaben Vorrangzonen ausweisen müssen, wissen noch nicht genau, was diese Kehrtwende bedeutet.
Regionalrat stellt sich gegen die Landesregierung
Das macht exemplarisch eine Anfrage der Bad Berleburger SPD-Fraktion an die Stadtverwaltung deutlich: „Welche konkreten Auswirkungen [hat] der Beschluss im Regionalrat für unser eigenes Verfahren der Aufstellung eines Sachlichen Teilflächennutzungsplanes Windkraft für das Gebiet der Stadt Bad Berleburg?“
Dass die Stadtverwaltung Bad Berleburg das Thema ernster nimmt als andere, ist daran zu erkennen, dass sie mit dem Bürgermeister Bernd Fuhrmann, Baudezernent Wolfgang Acker-Marx und Christoph Koch die Sitzung in Bad Fredburg verfolgt hat. „Daran sieht man, welche besondere Wertigkeit das Thema hat“, sagt Horst-Günter Linde.
Für seine Partei, die UWG, hat er im Oktober an einer gemeinsamen Klausur von CDU und Freien Wählern in Iserlohn teilgenommen, in der der Mehrheitsbeschluss vorbereitet worden ist: „Es war schwierig, Befürworter und Gegner unter einen Hut zu bringen“, erinnert sich Linde. Zusammen mit anderen engagiert sich Linde auch in der Bürgerinitiative „Stopp Windkraft“ in Bad Berleburg. Er ist froh, dass sich der Regionalrat mit seiner Entscheidung gegen die Landesregierung stellt.
Prinz Wittgenstein sieht einen politischen Rückschritt
Das sieht Windkraft-Investor Prinz zu Sayn-Wittgenstein ganz anders: „Für mich ist das ein Rückfall in das Regierungssystem von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Die wollten keine Windkraft im Wald.“
Er selbst setzte aber die Energiewende um, die die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel beschlossen habe. Inzwischen, so Prinz Wittgenstein, habe sich aber die Stimmung in der Bevölkerung stark gewandelt und die CDU sei vor den Wahlen auf einen populistischen Kurs geschwenkt, kritisiert er die Union, der er selbst nahe steht.
Kein Mindestabstand
Prinz zu Sayn-Wittgenstein ist mit seiner Firma Wittgenstein-New-Energy nicht nur Betreiber von Windkraftanlagen. Er plant auch und sieht das Hin und Her zwischen Landesregierung, Bezirksregierung und Regionalrat als großes Problem: „Im Münsterland gibt es eine klare Richtschnur, in Arnsberg nicht. Für die, die die Energiewende umsetzen sollen, gibt es keine Planungssicherheit. Das ist eine Katastrophe“, macht der Investor seinen Standpunkt deutlich.
Was er als Katastrophe und Hin und Her sieht, begrüßt Horst-Günter Linde: „Die Abstände zur Wohnbebauung sind wichtig. Außerdem geht es hier um einen Regelabstand. Das ist kein Mindestabstand“, präzisiert Linde. Trotz der Formulierung verringert sich die Flächengröße für Windkraftvorhaben. Und sie soll noch kleiner werden, so Linde.
Es kämen die Abstände zu Premiumwanderwegen wie dem Rothaarsteig hinzu. Der Regelabstand von fünf Kilometern zum Bundeswehrradar in Erndtebrück, zwei Kilometern zu Talsperren und fünf Kilometer Erschütterungsabstand zur Seismologischen Messstation auf dem Kahlen Asten. Aus 38.600 Hektar könnten so 29.500 Hektar werden rechnet Linde vor. „45 Prozent der ursprünglichen Fläche fallen weg. Wenn wir noch den Wald herausnehmen blieben sogar nur 3500 Hektar übrig.“
Keine harten Kriterien
Für Ludwig-Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg hätte es keine neuen Abstandsregeln gebraucht: Bisher habe es eine Gesetzgebung zu den Emissionen gegeben, die durch Gutachten belegt sei. Anlagen, die die Grenzwerte überschreiten, haben Abschaltungsphasen.
Unabhängig vom Hin und Her zwischen Befürwortern und Gegnern der Windkraft bleiben nach der Regionalratsentscheidung aber Fragezeichen bei den Kommunen, die für Horst-Günter Linde auf jeden Fall Herr des Planungsverfahrens bleiben sollen. Nur stellt sich für Bernd Weide von der SPD in Bad Berleburg die Frage: „Wo sind die belastbaren harten Kriterien für eine Planung?“
Ohne diese Kriterien werden Bad Berleburg, aber eben auch alle anderen Städte und Gemeinden in Südwestfalen, bei ihrer Planung allein gelassen: „Der Regionalrat hat die Kommunen nicht nur im Regen stehen lassen – er hat sogar noch das Wasser aufgedreht“, ärgert sich Weide.
>> MEINUNGEN ZUM THEMA
- „Für die, die die Energiewende umsetzen sollen, gibt es keine Planungssicherheit. Das ist eine Katastrophe.“ (Ludwig- Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, Windkraft-Projektierer aus Bad Laasphe)
- „45 Prozent der ursprünglichen Fläche fallen weg. Wenn wir noch den Wald herausnehmen blieben sogar nur 3500 Hektar übrig.“ (Horst-Günter Linde, Politiker, Regionalrat und Mitglied der Bürgerinitiative „Stopp Windkraft Bad Berleburg“
- „Der Regionalrat hat die Kommunen nicht nur im Regen stehen lassen – er hat sogar noch das Wasser aufgedreht.“ (Bernd Weide, SPD-Fraktionsvorsitzender in Bad Berleburg)