Warstein. . Umweltexperte Bernd Müller erklärt im zweiten Teil des Interviews, warum die Messwerte in den belasteten Klärbecken immer wieder unterschiedlich ausfallen. Zudem nimmt er an, dass die Ursache der Legionellenkrankheitswelle niemals ganz geklärt werden kann.
„In Warstein ist es auch im Sommer sicher“ – Wieso er das glaubt, das hat Bernd Müller, Leiter der Abteilung Umwelt und Arbeitsschutz bei der Bezirksregierung Arnsberg, im ersten Teil unseres Interviews erklärt. Jetzt geht er auf die Frage ein, wieso die Messwerte, die die unterschiedlichen Labore in den Klärbecken messen, immer wieder schwanken und teilweise drastisch voneinander abweichen – und wieso es dennoch sichergestellt ist, dass keine Gefährdung von den Becken ausgeht. Dazu nimmt er Stellung zu der Frage, ob die Warsteiner Bürger an den Kosten für die Sanierung der belasteten Anlagen beteiligt werden.
Frage: Die Messwerte sind für den Laien ja höchst irritierend: Im Januar gab es wieder Höchstwerte, dazwischen lange Zeit nichts. Dann weichen auch die Ergebnisse der verschiedenen Labors voneinander ab, obwohl sie mit den selben Proben arbeiten. Wie ist das zu erklären?
Bernd Müller: Das Problem ist das trübe Wasser, aus dem die Proben genommen werden.Im klaren Wasser – wie im Fließgewässer der Wäster – haben Sie eine von sich aus gut gemischte Probe, wo sich alles, was in dem Wasser ist, gleichmäßig verteilt. Das ist bei trübem, stehenden Wasser – wie in den Klärbecken – nicht der Fall.
Da haben Sie vielleicht einzelne Brocken, an denen sich Legionellen gerne anheften. Normalerweise müsste man diese Probe dann kräftig durchmixen, um eine gleichmäßige Verteilung zu haben. Das geht aber nicht, weil dieser Vorgang die Legionellen zerstören würde. Stellen Sie sich das Ganze so vor: Sie haben einen Behälter mit klarem Wasser, in dem drei Reiskörner schwimmen. Daraus nehmen Sie eine Probe und Sie ziehen durch Zufall: nichts. Die drei Reiskörner haben Sie nicht getroffen. Hoch gerechnet auf die Gesamtmenge Ihres Behälters sagt Ihre Probe dann aus: Da sind keine Legionellen drin. Jetzt machen Sie das Gleiche noch mal und treffen jetzt zwei Reiskörner. Und dann stellen Sie fest: Wenn ich das hochrechne auf die Gesamtmenge, dann sind da sicherlich eine Million Legionellen drin. Da haben Sie das Problem, dass Sie in diesem trüben Wasser eine gewisse Chance haben, auf Legionellen zu treffen oder nicht.
Nach den Messwerten wird ja die Gefahrenlage bewertet – und diese Werte sind also rein vom Zufall abhängig?
Wir orientieren uns immer am ‘worst case’, das heißt, wir gehen vom schlechtesten Fall aus. Die Labore retten sich im Moment damit, dass sie bei trübem Wasser sagen: Wir wissen es nicht genau. Das eine Labor sagt dann: Es ist unter einer Million. Das kann null sein, kann aber auch 999 999 sein. Das andere Labor sagt es sind 100, weil wir die genau aus der Probe hochgerechnet haben. Daraus ergeben sich Probleme, das steht außer Frage. Diese sind uns aber bekannt und genau deswegen gibt es jetzt auch diese Arbeitsgruppe unter Leitung des LANUV, die in Zusammenarbeit mit den Laboren neue Leitfäden für diese Analysierung erarbeiten soll (siehe Infokasten, Anm. d. Red.). Aber ganz wichtig: Wir reden hier von trübem Wasser. Die Analytik funktioniert zu hundert Prozent da, wo wir im klaren Gewässer messen, also in der Wäster. Da ist das Wasser gut durchmischt, wenn man da was findet, dann kann man sicher sein, das ist es. Bei den Messwerten aus den trüben Gewässern haben wir von Anfang an gesagt, dass wir uns an den höchsten Werten orientieren, das ist auch einfach eine Frage der Sicherheit.
Sicherheit, die ja auch Einiges kosten wird. Es steht außer Frage, dass die Stadt Warstein das größte Interesse daran hat, ihre Bürger zu schützen. Doch müssen die Bürger jetzt auch dafür bezahlen, dass sie in ihrer Stadt wieder dauerhaft sicher leben können?
Sie spielen auf die Kosten für das Abwasserbehandlungskonzept an; muss der Bürger dafür in die Tasche greifen? Ich will mich da zu diesem Zeitpunkt gar nicht groß äußern, da wir da noch in Abstimmungen sind. Aber man muss sehen: Alles, was mit Abwasser zu tun hat, läuft ja nicht über den städtischen Haushalt. Insgesamt muss dieses Paket für alle tragfähig sein. Wir haben gesagt: Wir werden das unterstützen. Es gibt so eine Art Vorfinanzierungsidee, wie man das machen kann, aber ich kann jetzt schon dazu sagen: Insgesamt wird sich das Land daran beteiligen. Weil: Wir haben dafür auch Förderprogramme. Wir haben ein Förderprogramm „Ressourcen schonende Abwasserbeseitigung“. Ob die jetzt im Raum stehende Summe – die ja eine Schätzung ist – am Ende des Tages stimmt, dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, weil das hängt auch an der jeweiligen Anlagentechnik. Es könnte auch preiswerter werden, je nachdem, welche Technik man nutzt. Das kommt auf die Feinplanung an.
Nun wird sich eine Expertenkommission, in der unter anderem Professor Exner sitzt, mit der Ursachenforschung beschäftigen (siehe Infokasten, Anm. d. Red.). Glauben Sie daran, dass es sich noch aufklären lässt, woher die Legionellen in Warstein ursprünglich kamen?
Ich glaube, dass man letztlich die Frage „Ursache-Wirkungskette“ nicht so richtig wird aufdecken können. Auch die Experten nicht. Es gibt Spuren, aber die sind schon sehr kriminalistisch. Man muss den Ursachen auf den Grund gehen, wenn es welche gibt. Es gibt hier keine einfachen Zusammenhänge, das ganze Geschehen ist hier so komplex, dass man letztendlich nur Spuren verfolgen kann. Und da war die Entscheidung, als Erstes Rückkühlwerke zu beobachten, die richtige, weil man die Erfahrungen aus Ulm schon hatte. Es gibt jetzt verschiedene Theorien, zum Beispiel die mit dem Vogelkot. Ich kann es mir aber aufgrund der teilweise etwas virulenten Art und Weise, wie das Ganze zustande gekommen ist, auch nicht so richtig erklären. In Ulm hat man es dann rausgekriegt, aber in diesem Fall kann ich es mir nicht wirklich vorstellen.