Warstein. . Sind Warsteins Bürger geschützt? Immer wieder abweichende Legionellen-Messwerte, ein millionenschweres Sanierungskonzept und die Tatsache, dass die Legionellen nicht „einfach so“ aus den Klärbecken zu entfernen sind, lassen die Frage aufkeimen: Kann ein erneuter Ausbruch verhindert werden?

Eine eindeutige Antwort darauf gibt Bernd Müller, Leiter des Bereichs Umwelt und Arbeitsschutz bei der Bezirksregierung: „Es ist sicher in Warstein.“ Im exklusiven Hintergrund-Gespräch mit der Westfalenpost erklärt Müller, wie er zu dieser optimistischen Einschätzung kommt und warum die Messwerte in den belasteten Becken immer wieder schwanken.

Frage: Das Umweltministerium hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem eine Lösung des Legionellen-Problems erreicht werden soll. Zuvor waren erneut hohe Belastungen gemessen worden. Ist dieses Paket die Reaktion darauf?

Bernd Müller: Das kann man so nicht sagen. Es war von Anfang an klar, dass wenn wir so eine Belastung haben – an allen Stellen –, dass wir da auch dauerhaft was tun müssen. Wir haben damals schon gesagt, es gibt eine Dauerhaftigkeit des Problems. Deswegen wird es nicht funktionieren, wenn wir sagen, wir machen da jetzt mal alles sauber und dann ist es erledigt. Es war klar, dass die Anlagen so umgebaut werden, dass das nicht mehr passieren kann. Und dann war die nächste Frage: Wie könnte das denn aussehen? Im Vordergrund steht die technische Frage, dass wir eine ganz sichere Technik haben. Erst dann gucken wir, was das kosten könnte. Das Ziel dieses Konzepts ist klar: Keine Legionelle kann da mehr existieren, übrigens auch keine anderen Bakterien.

Aber noch sind die Legionellen ja da und die Baumaßnahmen sollen erst in drei bis vier Monaten beginnen. Dann haben wir Sommer, das heißt es wird warm – ideale Bedingungen also für Legionellen. Ist es mit den derzeit getroffenen Maßnahmen dann sicher in Warstein?

Also ich bin da ganz sicher. Ich fahre da auch her. Es ist sicher. Wir haben alles Menschenmögliche getan, selbst die verrücktesten Sachen haben wir unternommen, damit das auch sicher wird: Wir haben die Becken abgedeckt, wir haben UV-Filter-Anlagen eingebaut, wir haben Membranfilter-Technik eingesetzt, alles mögliche, damit da nichts passieren kann.

Gilt das auch für den Brauerei-Kanal, der ja mitten durch die Stadt führt? Viele Bürger sind besorgt, dass aus diesem durch die bekannten Aerosole die Legionellen nach außen dringen können.

Deswegen sind die Deckel ja mit Vlies abgedeckt. Das ist auch nicht ein Vlies, was ich Zuhause habe; das ist Vlies, was Professor Exner vorgeschlagen hat. Er hat genau vorgegeben, wie groß das sein muss, damit keine Legionelle durchkommen kann, wenn da tatsächlich eine sein sollte. Da hat er sich auf seine Erfahrungen aus Ulm gestützt. Da mache ich mir also gar keine Sorgen. Die Abdeckung des Kanals war ja auch eine reine Vorsichtmaßnahme.

Also müssen sich die Warsteiner Bürger keine Sorgen machen?

Ich mache mir da keine Sorgen. Wir haben ein hohes Aufkommen an Kranken gehabt und bedauerlicherweise auch die Todesfälle. Als dann im Grunde alles gemacht worden ist, ist dann ja auch kein Fall mehr bis heute aufgetreten. Allein das gibt ja schon eine große Sicherheit. Man kann jetzt aber auch nicht erwarten, dass man innerhalb von einem Monat die Anlagen komplett im Endausbau umgebaut hat. Ganz deutlich: Ich habe keine Angst vor dem Sommer. Ich komme gerne nach Warstein. Weil: Ich werde mich da nicht infizieren, weil da nichts passieren kann.

Das Legionellen-Problem wird sich für Warstein also mit den jetzt angedachten Maßnahmen des Abwasserbehandlungskonzeptes dauerhaft erledigen?

Da bin ich ganz optimistisch. Wenn das alles so klappt, dann werden wir sicherlich im Jahr 2015 diese Diskussion nicht mehr haben. Dann sind wir einen großen Teil des Dauerproblems los. Wenn die Situation so bleibt, wie sie ist, ist da keine Gefahr im Verzug. Da müsste schon dramatisch etwas passieren und das kann ich mir im Moment nicht vorstellen.

Was spricht eigentlich dagegen, die mit Legionellen belasteten Klärbecken einfach komplett zu entleeren und zu reinigen? Dann wären die Legionellen doch weg.

So einfach geht es leider nicht. Man muss als Grundvoraussetzung wissen: Kläranlagen arbeiten immer mit Bakterien. Auch Legionellen sind Bakterien. Das, was wir hinterlassen, wird durch Bakterien aufgefressen, zersetzt und verwertet. Das ist deren Funktion. Die – ich nenne sie jetzt mal vereinfacht „guten“ – Bakterien haben die Eigenschaft, dass immer, wenn ich Sauerstoff zusetze und es schön warm ist, vermehren sie sich. Blöderweise ist das auch so bei den „bösen“ Bakterien, die wir als Legionellen kennen. Die vermehren sich genauso schnell wie alle anderen auch, sie beseitigen aber auch genauso unsere Abfälle. Sie sehen: Wir kommen aus der Nummer mit den Bakterien nicht raus. Klar, wir könnten auch auf alles, was wir produzieren, komplett Chemie draufhauen – und dann? Dann geht das Ganze ab ins Gewässer? Das kann niemand wollen.

Also geht es nicht ohne die Bakterien. Aber eine Komplettreinigung der Becken, in denen jetzt Legionellen sind, ist auch keine Lösung?

Wenn sie heute eine Bakterie am Rande eines Beckens haben und vorher in diesem Becken überhaupt keine Bakterien waren, dann werden Sie sehen, dass sich binnen Stunden diese Legionelle massenhaft vermehrt, weil sie in das entsprechende Medium gekommen ist. Wenn dann noch dazu kommt, dass in diesem Medium auch noch Hefe enthalten ist, dann ist das wie ein kleiner Reaktor, der noch oben drauf gesetzt ist. Deswegen kann man nicht einfach sagen: Wir pumpen das mal leer und säubern das. Möglicherweise sitzt irgendwo am Rand eine einzige Legionelle und die reicht aus, um das ganze wieder zu infizieren. Das ist das, was uns die Experten gesagt haben: Auch eine 1000-prozentige Reinigung reicht nicht aus. Das ist auch die Erklärung dieser teilweise kuriosen Werte: Wir messen mal unter 100 KBE pro hundert Milliliter, dann den anderen Tag wieder über 10 000.