Hirschberg. . Was können die Behörden tun, um weitere Todesfälle auf der bekannten Raser-Strecke zu verhindern? Die Polizei hat jetzt eine umstrittene Idee.
Sie haben aufgeklärt, sie haben appelliert, sie haben gefordert. Erfolglos: Seit Jahren ist die Landstraße 856 eine inoffizielle Rennstrecke für Motorradfahrer im Adrenalinrausch. Die Ordnungsbehörden wollen endlich Schluss machen mit der Raserei. Doch sie sehen nur eine Möglichkeit – und dagegen gibt es Widerstände.
Die Polizei hat nach mehreren Todesfällen viel versucht. Sie ließ Warnschilder mit Unfallbildern entlang der Strecke montieren, Rüttelstreifen auf die Fahrbahn kleben, sie führte eigens für Motorräder ein Tempolimit ein und verstärkte die Leitplanken. Nichts funktionierte, die Unfallzahlen sind konstant geblieben. „Die letzte Maßnahme wäre, die L 856 für Motorräder zu sperren“, sagt Bianca Scheer, Sprecherin der Polizei im Hochsauerlandkreis. Anderswo im Sauerland hat das die Unfallzahlen gedrückt, heißt es auf der Mescheder Wache.
Nutzen der Sperrung ist umstritten
Die Frage ist: Kann das wirklich helfen? Michael Wilczynski hat Zweifel. Der Mann aus Schwerte ist Referent für Streckensperrungen im Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) und sagt: „Die Raser würden sich dann Ausweichstrecken suchen. Dann wären die Unfälle halt woanders.“ Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass der BVDM generell dagegen ist, Straßen für Kräder zu sperren. Denn damit bestrafe man alle Fahrer. „Es sind nur fünf Prozent, die rasen wie Verrückte“, so Wilczynski.
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Der Verband bestreitet nicht, dass auf der L 856 verantwortungslose Schnellfahrer unterwegs sind. „Das ist ein Problem, ganz ohne Frage. Die Polizei muss dieser Leute habhaft werden.“ Wilczynski glaubt, die Verrückten könne man nur durch strenge Kontrollen vom Vollgas abhalten. „Die Polizei muss sich in Zivil hinstellen. Wenn sich das rumspricht in der Szene, wird’s besser.“
Verkehrspsychologe fordert, Belohnung für korrektes Verhalten
In dieser Szene tummeln sich Fahrer mit einem speziellen Persönlichkeitsprofil. Der Verkehrspsychologe Lars Rößger sagte schon vor Jahren zur WP: „Ein Unfall passiert dem Einzelnen selten. Viel häufiger dagegen fühlt er sich offenbar gut, wenn er schnell fährt, die Kurve nehmen kann.“ Er fordert, korrektes Verhalten öfter zu belohnen. Etwa durch Messgeräte am Ortseingang, die auf einem Display ein „Danke“ einblenden, wenn sich ein Fahrer an das Tempolimit gehalten hat. Auch Rößger hält nichts davon, Straßen zuzumachen: „Sperrungen werden auf anderen Strecken kompensiert.“
Neben Spaziergängern und anderen Verkehrsteilnehmern sind es vor allem die Hirschberger, die unter der Raserei leiden. „Seit 15 oder 20 Jahren ist das so, jedes Jahr wird es mehr“, sagt Ortsvorsteher Franz Linneboden. Der CDU-Politiker lobt die Bemühungen von Polizei und Straßen NRW. Er fühle sich „zwischen den Stühlen“: Einerseits bedeuteten die Motorräder vor allem für den Süden des Dorfes und für die Bache erheblichen Lärm. Andererseits seien sie ein Wirtschaftsfaktor. So wirbt das Gasthaus Birkenhof mit einem „Bikers Welcome“-Schild gezielt um Motorradfahrer. Auch Sylvia Lettmann, die Frau vom Warsteiner Stadtmarketing, verweist auf die Bedeutung, die Motorräder für einige Gastro-Betriebe hätten. Zu einer möglichen Streckensperrung sagt sie: „Ich fände es schade, wenn alle über einen Kamm geschoren würden.“
Ob es so kommt, ist ohnehin ungewiss. Die Kommunen Warstein und Meschede müssten zustimmen. Ein Polizist sagt zur WP: „Die Entscheidung ist ein Politikum.“