Hirschberg. . Seit Jahren versucht die Polizei, die Unfallstrecke L 856 zu entschärfen. Die letzten Tage zeigen: Die Bemühungen sind verpufft.

Der junge Mann war abgezockt. Sonntagnachmittag schnappten ihn Polizisten der Wache Meschede. Er war den Beamten auf der L 856 aufgefallen, weil der 25-jährige Warsteiner seine Yamaha präpariert hatte – das Nummernschild ließ sich während der Fahrt mit dem Fuß hochklappen. So konnte er anonym durch jede Messstelle rasen. Die Polizei feiert ihren Coup: „Ein typischer Raser. Solche Leute machen keine Spazierfahrt“, sagt Sprecherin Bianca Scheer.

Der Fall verdeutlicht: Die L 856 zwischen Hirschberg und der Grenze zum Hochsauerlandkreis ist nach wie vor ein Magnet für Geschwindigkeitsfanatiker auf zwei Rädern. Immer wieder verursachen Motorradfahrer auf der Strecke dramatische Unfälle. Erst am Samstag stürzte ein Mann aus Ostwestfalen, rutschte über die Gegenfahrbahn und landete im Graben. Er wurde schwer verletzt, die Straße musste zeitweise gesperrt werden.

Es sind zwei aufeinander folgende Kurven nahe des Abzweigs von der B 55 nach Hirschberg, die Motorradfahrern einen Adrenalinrausch verschaffen. Fahrer mit Lust auf Gefahr geben dort Gas. Spaziergänger berichten immer wieder von abenteuerlichen Manövern. „Es ist unerträglich, was sich dort oben abspielt“, sagte ein Augenzeuge schon 2014 zur WP. „Es ist ein Wunder, dass dort nicht noch mehr passiert, dass nicht unschuldige Autofahrer in eine Kollision verwickelt werden.“ Mindestens ein Fahrlehrer weigert sich, die Strecke zu Schulungszwecken mit seinen Schülern zu fahren – zu gefährlich.

Rüttelstreifen fordern Fahrer heraus

Die Polizei ist machtlos. Seit Jahren versucht sie, das Problem zu entschärfen. Die Behörde ließ Warnschilder mit Unfallbildern entlang der Strecke montieren, sie führte eigens für Motorräder ein Temopolimit ein und verstärkte die Leitplanken. 2014 klebte Straßen NRW sogenannte Rüttelstreifen auf die Fahrbahn auf – Bodenwellen, die ähnlich wirken wie Bahnschwellen: Wer sie überqueren will, muss abbremsen. Auslöser war der Tod eines 27-Jährigen aus Detmold, der von der Fahrbahn gerutscht und gegen ein Entwässerungsrohr geprallt war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte „nicht-angepasste Geschwindigkeit“ als Ursache des tragischen Unfalls.

Mittlerweile müssen sich die Verantwortlichen eingestehen, dass die Rüttelstreifen wenig Erfolg zeigen. Die Mescheder Polizei verzeichnete 2015 nicht weniger Unfälle als in den Jahren zuvor. „Viele sehen in den Streifen eine sportliche Herausforderung: Mit wieviel km/h schaffe ich es noch drüber?“, so Scheer.

Sperrung als Ultima Ratio

Den Behörden gehen die Ideen aus. Die Polizei beobachtet das Geschehen weiter. „Die letzte Maßnahme wäre, die L 856 für Motorräder zu sperren. Aber das wäre die Ultima Ratio“, sagt Scheer. Diskussionen darüber gibt es. Die Entscheidung trifft jedoch die Unfallkommission des Hochsauerlandkreises, die Polizei entsendet lediglich Vertreter in dieses Gremium. Ob eine Sperrung endlich die Unfallzahlen senken würde, ist ungewiss. Bianca Scheer ist skeptisch: „Selbst dann würden wir noch Tote haben. Wir können ja nicht jedes Wochenende die Durchfahrt kontrollieren.“