Stockum. Das alte Gotteshaus im Bauhaus-Stil sollte auf die Deponie. Engagierte Menschen haben das Bauwerk nun gerettet.

In Stockum gibt es ab sofort eine neue Sehenswürdigkeit, die ihre Ursprünge allerdings in Sundern besitzt. Denn unmittelbar angrenzend zur Berghaus Akademie für Kunst und Kultur hat die ehemalige evangelische Lukaskirche eine neue Heimat gefunden.

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Möglich wurde dies durch einen Zusammenschluss aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Die Anna- und Ferdinand-Tillmann-Stiftung, der Heimatbund Sundern, die Berghaus Akademie und entschlossene Stockumerinnen und Stockumer sind in dem umfangreichen Projekt involviert. Durch den Neubau der Lukaskirche im Herzen Sunderns im Jahr 2020 war ein Abriss der Vorgängerkirche notwendig geworden.

Von links: Annemarie Günther von der Berghaus Akademie, Stockums Ortsvorsteher Reimund Klute und Unternehmer Ferdi Tillmann vor dem Haupteingang der Kapelle.
Von links: Annemarie Günther von der Berghaus Akademie, Stockums Ortsvorsteher Reimund Klute und Unternehmer Ferdi Tillmann vor dem Haupteingang der Kapelle. © Eric Claßen

Doch genau diese Entscheidung animierte die Menschen in Stockum und Umgebung dazu, wenigstens Teile der alten Kirche zu retten. „Die alte Lukaskirche ist ein Symbol für die Menschen, die aus Ostpreußen, Schlesien und den anderen östlichen Gebieten des ehemaligen Deutschen Reichs stammten und während des Zweiten Weltkriegs flüchten mussten. Die Mehrzahl gehörte der protestantischen Kirche an und fand hier im Sauerland eine neue Heimat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden neue Kirchenhäuser für diese Protestanten benötigt“, erklärt der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Stockumer Unternehmer Ferdi Tillmann. Er war auch eine der treibenden Kräfte für den Erhalt des Bauwerks.

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Durch den Bauhaus-Architekten Otto Bartning wurden deshalb Notkirchen in einer Art Baukastensystem entworfen. „Es gab kleine, mittlere und große dieser Serienkirchen. Von den kleinen Kirchen wurden zirka 40 Stück in ganz Deutschland aufgestellt. Eine dieser Kirchen war die evangelische Lukaskirche in Sundern“, sagt Stockums Ortsvorsteher Reimund Klute.

Nach und nach wurde eine nach der anderen dieser Bartning-Kirchen abgerissen. Am Ende existierten nur noch zwei – eine steht im Freilichtmuseum in Kommern und die andere stand eben in Sundern. Bis der Bagger anrollte, um die Sunderner Bauhaus-Kirche abzureißen. „Es drohte sich eine Tragödie abzuspielen. Alles sollte auf der Deponie landen. Wir haben dann zügig dafür gesorgt, dass zumindest einige der Teile gerettet und provisorisch eingelagert werden konnten“, berichtet Ferdi Tillmann.

Überzeugungsarbeit

Gemeinsam mit dem Sunderner Architekten Ludger Simon entwarf man einen Plan für den Wiederaufbau der ehemaligen Lukaskirche an anderer Stelle. Wie bei einem Baukasten sollten Alt und Neu verbunden werden, denn nicht alle Teile des alten Sakralbaus konnten vor der Zerstörung gerettet werden. Als Problem erwies sich aber zunächst der Standplatz des Bauwerks. „Ich musste Überzeugungsarbeit leisten“, gesteht Ferdi Tillmann.

Die Fenster konnten aus der Originalkirche gerettet werden. Der Innenraum erscheint dadurch in hellem Licht.
Die Fenster konnten aus der Originalkirche gerettet werden. Der Innenraum erscheint dadurch in hellem Licht. © Eric Claßen

Letztlich gelang es ihm aber, das Grundstück in unmittelbarer Nähe zur Berghaus Akademie in Stockum durch die Stiftung erwerben zu dürfen. Vor rund eineinhalb Jahren konnten die Arbeiten zum Wiederaufbau der Kirche an dieser Stelle beginnen. „Mauerwerk und tragende Elemente mussten komplett erneuert werden. Vom alten Kirchenbau konnten wir aber zum Beispiel die Fenster, Türen und den Glockenstuhl retten“, sagt Reimund Klute. Ausschließlich Handwerksbetriebe aus Sundern und Arnsberg waren an den Arbeiten beteiligt. Darauf habe man bei den Planungen großen Wert gelegt.

Der ohnehin schon hohe Holzanteil in dem einstigen Sakralbau wurde nun noch einmal erhöht. Denn der gesamte Boden des Gebäudes besteht jetzt aus Eichenholz. „Das ist zwar teurer als Stein, dafür aber ökologischer und es wärmt in den kalten Jahreszeiten auch besser. Außerdem ist der Boden widerstandsfähig“, sagt Klute.

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Das macht auch deshalb Sinn, da die alte Kirche vor allem von der benachbarten Berghaus Akademie genutzt werden soll. „Wir können hier zum Beispiel Kunstkurse stattfinden lassen“, freut sich Annemarie Günther. Die 1. Vorsitzende des Vereins zur Förderung von Kunst und Kultur hat noch so einiges mit den neuen Räumlichkeiten vor. In den kommenden Monaten wolle man beratschlagen, was alles realisierbar sei. Auch der Vereinsszene im Ort soll das Bauwerk zugute kommen.

Zusammen mit der Berghaus Akademie entsteht somit mitten in Stockum ein regelrechter Kulturkomplex. „Auf der Freifläche zwischen der Akademie und der einstigen Kirche können Veranstaltungen stattfinden. Wir sind da sehr flexibel“, erklärt Annemarie Günther. Und Reimund Klute ergänzt, dass man aktuell noch Obstbäume auf dem Gelände anpflanzen und später Informationstafeln zum Umzug der Kirche anbringen wolle.

Sechsstellige Summe

Insgesamt sei eine sechsstellige Summe in das Projekt investiert worden. Unterstützung dafür gab es auch durch öffentliche Fördermittel. Das Ministerium für für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat den reinen Wiederaufbau des Gebäudes zu 60 Prozent mit Fördergeldern unterstützt. Der Kauf des Grundstücks und die Gestaltung rundherum musste durch eigene Gelder finanziert werden.

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Diese Fördergelder seien allerdings auch an Bedingungen geknüpft, wie Annemarie Günther und Ferdi Tillmann betonen. „Durch das Gebäude soll zum einen die Jugendarbeit und zum anderen die Kultur- und Heimatgeschichte gefördert werden.“ Dass diese heimatgebundene Forderung ein Problem darstellt, glaubt allerdings niemand in Stockum. „Wir haben so viele Ideen, um dies in die Tat umzusetzen“, verspricht Annemarie Günther.

Der neue Vielzweckbau soll am Sonntag mit einem großen Volksfest offiziell eröffnet werden. Ab 12 Uhr wird auch politische Prominenz in Stockum erwartet. Eines steht jedoch bereits jetzt fest. Die einstige Kirche wird nicht mehr geweiht und soll daher auch eine Namensänderung erhalten. „Aus der Lukaskirche wird eine Bartning-Kapelle“, sagt Ferdi Tillmann.