Sundern. Die Vertreterinnen und Vertreter von SPD, CDU, FDP und Grüne führen eine Debatte über Frauenquote und politischen Nachwuchs
Die Redaktion Arnsberg/Sundern der Westfalenpost hat jetzt Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen aus dem Sunderner Stadtrat zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Thema der Runde: „Der Rat wird jünger“. Auf welche Weise wollen die jüngeren Ratsmitglieder andere interessieren und für die Basis begeistern? Denn in der Runde wurde schnell deutlich, dass man sich parteiübergreifend viel mehr interessierten Nachwuchs in der Lokalpolitik wünscht. Eine Erkenntnis: Die Debatten in Gremien und Stadtrat sind zu lang.
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Vier der sechs eingeladenen Fraktionen waren bei der Debatte, die von Redakteurin Anja Jungvogel moderiert wurde, dabei. Eva-Maria Tanklage repräsentierte die CDU, Helle Sönnecken kam von den Grünen, Julius Kuzniak von der SPD und René Winter vertrat die FDP. Die beiden Fraktionen „Bürger für Sundern“ und „Wir sind Sundern“ konnten an der Diskussion nicht teilnehmen, weil die jungen Fraktionsmitglieder verhindert waren.
Politischen Nachwuchs finden
Der 31-jährige Ingenieur und Parteivorsitzende der FDP Sundern, René Winter, wies auf die Vielfältigkeit der Lokalpolitik hin. „Die Teilnahme an den Ratssitzungen ist letztlich nur die Spitze des Eisbergs der politischen Beteiligung“, so Winter. Die Einstiegsschwelle sei im Grunde viel niedriger anzusiedeln. „Das beginnt mit der Fraktionsarbeit, mit der Beteiligung an den Ausschüssen und in den Arbeitskreisen“, erklärt der Unternehmer.
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Eva-Maria Tanklage von der CDU gibt offen zu, dass sie nicht weiß, ob sie mit der Ratsarbeit angefangen hätte, wenn sie nicht schon während ihrer Schullaufbahn in die Junge Union eingestiegen wäre. Nach dem Studium habe die Lehrerin zunächst einmal den Fokus auf die Arbeit gelegt. 2013 kehrte sie ins Sauerland zurück, wo sie mittlerweile die Röhrschule in Hüsten leitet. „Ich bin nach meiner Rückkehr als Sachkundige Bürgerin eingestiegen und habe dadurch auch an Fraktionssitzungen teilgenommen. Da habe ich gemerkt, dass die politische Arbeit Spaß macht!“
Julius Kuzniak von der SPD setzt auf Eigeninitiative, wünscht sich aber auch noch mehr Unterstützung für junge Einsteigerinnen und Einsteiger in die Politik. „Mir persönlich hat immer so eine Art Schnupperkurs gefehlt, in dem erklärt wird, wie politische Arbeit überhaupt funktioniert. Innerhalb unserer Partei gibt es Fort- und Weiterbildungen zu verschiedenen Themen. Aber speziell um junge Menschen für politische Arbeit zu gewinnen, müssten noch zielgerichteter Angebote geschaffen werden“, rät der 31-Jährige Polizist.
Interesse für Sozialpolitik
Helle Sönnecken hat sich nach eigenen Angaben schon früh für Politik interessiert, ist aber erst während ihrer Elternzeit Mitglied bei den Grünen geworden. „Ich habe während der Zeit viel gelesen, mich informiert und mich dann dazu entschlossen. Ich wollte auch meine persönlichen Erfahrungen aus dem Berufs- und Familienleben einbringen. Ursprünglich waren Umweltthemen der Antrieb für den Eintritt bei den Grünen. Jetzt habe ich mich aber auf die Sozialpolitik spezialisiert“, bekennt die 37-Jährige.
Eva-Maria Tanklage wünscht sich mehr Präsenz der politischen Parteien in den Schulen. „Natürlich muss Neutralität gewahrt werden. Deswegen fände ich es gut, wenn sich alle Jugendorganisationen der demokratischen Parteien dazu entscheiden würden, ihre Arbeit und Grundsätze den Kindern vorzustellen, so dass die jungen Menschen selbst die Möglichkeit haben zu entscheiden, welche der Parteien ihre Überzeugungen und Vorstellungen am besten vertreten.“
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René Winter unterstützt diesen Ansatz, hat aber selbst schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich weiß, dass viele Schulen total allergisch auf solche Vorschläge reagieren“, so Winter.
Julius Kuzniak sieht in der Gesellschaft ein allgemeines Problem des fehlenden Nachwuchses in den Ehrenämtern, längst nicht nur bei den politischen Parteien.
„Aus meiner Sicht müssen wir mehr sichtbare Politik für junge Menschen machen, um sie für politische Arbeit zu begeistern. Sei es die Sanierung von Schulen oder Sportplätzen. Das darf nicht immer in jahrelangen Debatten verlaufen“, kritisiert Helle Sönnecken.
Zeitintensive Debatten
Das Thema ausufernde Debatten und lange Sitzungen wurde auch von Moderatorin Anja Jungvogel aufgegriffen, die nachfragte, ob man hier nicht für Entzerrungen sorgen könnte.
„Ich arbeite bei der Polizei und da ist natürlich das Verständnis für meine politische Arbeit groß. Für mich ist das weniger das Problem, pünktlich um 17.30 Uhr bei der Ratssitzung anwesend zu sein. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass es Firmen gibt, die nicht begeistert sind, wenn ihre Mitarbeiter regelmäßig pünktlich Feierabend machen müssen, um politische Ehrenämter zu bekleiden. Auch wenn die Freistellung gesetzlich geregelt ist“, betont Julius Kuzniak.
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„Es bedarf meiner Meinung nach einer guten Vorbereitung der Verwaltung, um die Sitzungen im Rat und in den Ausschüssen zu verkürzen. Und ich bin der Meinung, wenn man das in den Ausschüssen ausführlich besprochen hat, dass man dann nicht im Rat alles noch einmal ausdiskutieren muss. Da wird zu viel wiederholt“, mahnt Eva-Maria Tanklage an.
René Winter gab Einblicke in die Fraktionsarbeit der Sunderner FDP. „Wir regeln viel über digitale Kanäle, tauschen uns in WhatsApp-Gruppen aus. Und je besser diese Vorbereitung ist, desto schneller kommt man in den Ausschüssen und später in der Ratssitzung voran.“ Helle Sönnecken hält als Mutter von drei Kindern die frühen Ansetzungen der Sitzungen um 17.30 Uhr für extrem problematisch. „Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Partei ist sehr schwierig und stressig. Das musste ich auch bereits feststellen.“
Frauenquote ja oder nein?
In der Debatte über eine Frauenquote in der Politik gab es in der Diskussionsrunde deutlich unterschiedliche Ansichten.
René Winter spricht sich gegen eine solche Quote aus. Er möchte stattdessen die „Rahmenbedingungen so schaffen, dass auch Frauen leicht in die Politik kommen.“
Eva-Maria Tanklage pflichtet René Winter bei und ist auch keine Freundin einer solchen Quote. Sie will eher die „Rollenbilder abschaffen“.
Helle Sönnecken ist Verfechterin der Frauenquote, die bei den Grünen auch eingeführt wurde und bekräftigt, „wir benötigen die Quote, um Chancengleichheit zu ermöglichen.“
Julius Kuzniak fordert mehr Mut und möchte, dass Menschen, die bislang unterrepräsentiert waren, bessere Möglichkeiten der Mitbestimmung haben.