Sundern. Dr. Ghassan Slilo verlässt das Sauerland und praktiziert zukünftig in Essen. Was das für Sundern bedeutet und warum die Eltern verärgert sind.
„Eigentlich war alles anders geplant“, sagt Dr. Ghassan Slilo, Kinderarzt in Sundern auf Anfrage dieser Zeitung, „doch dann kam alles anders.“ Ab sofort müssen die Eltern in Sundern höchstwahrscheinlich auf ihre einzige Kinderarztpraxis in der Stadt verzichten - zumindest größtenteils. „Ich habe eine Praxis in Essen gekauft“, so der Facharzt für Kinderheilkunde, „und meine Kollegin, die mit in der Sunderner Praxis arbeitet, sollte eigentlich auf eine volle Stelle aufstocken.“
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Dies sei jedoch nun nicht möglich, da diese auch noch an eine andere Kinderarztpraxis gebunden sei, so dass sie ausschließlich ihre halbe Stelle in der Praxis Slilo fortsetzen könne.
Rein rechtlich betrachtet verhält es sich nun so, dass Dr. Ghassan Slilo innerhalb seiner Entscheidung bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt hat, seine Zulassung nach Essen zu verlegen, so dass er theoretisch auch nicht mehr in Sundern praktizieren darf. „Ich habe jedoch einen weiteren Antrag gestellt“, so Slilo, „damit ich zwei Tage in der Woche in Sundern praktizieren kann.“ Sein Entschluss, Sundern zu verlassen und in Essen zu arbeiten, habe er aus rein privaten, familiären Gründen getroffen.
Mitarbeiterinnen in Sundern unsicher
„Ich würde gerne auch weiterhin in Sundern praktizieren“, sagt er, „aber das hängt jetzt davon ab, ob ich die Genehmigung für zwei Tage in der Woche erhalte.“ Dann solle die Praxis in Sundern sowohl montags als auch dienstags durch seine Kollegin besetzt sein - und, wenn er die Zulassung sozusagen zurückerhalte, durch ihn donnerstags und freitags. Feststehe jedoch noch nichts, so der sechsfache Vater.
Ebenso stelle sich auch die Frage, inwieweit ihm das Personal zur Seite stünde. Denn auch für die Mitarbeiterinnen sei dies natürlich eine kritische und unsichere Situation. Die Sunderner Eltern scheinen noch nicht alle zu wissen, dass die Praxis teilweise schließt. „Wir Eltern erfahren es gerade nach und nach über Social Media, nicht offiziell“, so eine besorgte Mutter zu dieser Zeitung. „Nahezu alle Kinderärzte in der Region haben Aufnahmestopp. Das ist ein echtes Problem.“
In der Facebook-Gruppe „Du bist Sunderner, wenn ...“ wird ebenfalls diskutiert und auch verteidigt: „Ich habe so viele Leute auf Dr. Slilo rumhacken hören. Er macht echt einen guten Job. Aber es wird gemeckert, weil er einen Akzent hat oder eben nicht alles genauso ist wie bei seinem Vorgänger. Diese negative Haltung von vielen Menschen in Sundern trägt auch dazu bei, dass es so zu selbst erfüllenden Prophezeiungen kommt“, heißt es dort.
Angekündigter Strukturwandel - deutschlandweit
„Im Grunde ist das nur ein Zeichen des Strukturwandels, den wir aktuell erleben“, kommentiert Dr. med. Hans-Heiner Decker, Leitung der Bezirksstelle Arnsberg der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), den Entschluss des Sunderner Kinderarztes. Er kenne zwar die Hintergründe dieser Entscheidung nicht, jedoch die ganzheitliche Problematik.
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„Schon seit langem haben wir die Tendenz, dass die Kinderärztinnen und Kinderärzte in der Weiterbildung nicht vorankommen, weil wir zu wenig Plätze haben.“ Auch in Krankenhäusern werde dieser „eher weniger lukrative Bereich“ mehr und mehr abgeschafft - mit der Folge, dass „wir immer weniger Kinderärzte haben. Die Nachfolgesituation ist schwierig.“
Auch die KV sei von verärgerten Eltern angerufen worden - aber „wir können uns die Ärzte leider auch nicht zaubern.“ Den Entschluss des Sunderner Kinderarztes Ghassan Slilo, für zwei Tage in der Woche in Sundern zu praktizieren, begrüßt Dr. med. Hans-Heiner Decker, der langfristig betrachtet insbesondere im ländlichen Bereich Engpässe für Nachwuchskinderärzte und -ärztinnen sieht. „Letztlich muss generell nach Lösungen gesucht werden“, sagt er, „und nicht wahllos auf die Praxen eingedroschen werden, wenn dort Engpässe entstehen.“