Siegen. Das Kriminaldrama in Siegen ist unblutig beendet. Drei SEK-Kommandos haben das Haus in der Charlottenstraße gestürmt und den 28-jährigen Bewohner überwältigt. Er hatte schwer bewaffnet mit einem Sturmgewehr um sich geschossen. Der Mann soll einer Autoschieberbande aus dem Köln-Bonner Raum angehören. Gegen ihn wurde wegen illegalen Waffenbesitzes ermittelt.

Um 18.21 Uhr folgte der Zugriff im Haus an der Charlottenstraße. Ohne einen Schuss abgeben zu müssen überwältigten die Spezialeinheiten der Polizei den mutmaßlichen Täter. In Handschellen wurde er aus der Wohnung gebracht. Bei der anschließenden Durchsuchung des Hauses fand die Polizei eine Vielzahl an Waffen.

Der 28-jährige stand im Verdacht, gegen das Waffengesetz verstoßen haben und Mitglied einer Bande sein, die luxuriöse Autos gestohlen hat. In diesem Zusammenhang hatte ein SEK-Trupp bereits am Montag in Siegen-Neunkirchen einen 31-jährigen Verdächtigen geschnappt.

Am Mittwochmorgen wollten zwei Kripo-Beamte in Siegen den möglichen Komplizen stellen und vorläufig hinter Gitter bringen. Der 28-Jährige war auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in einer Recycling-Firma. Der Zugriff im Industriegebiet auf der Marienhütte gelang nicht.Plötzlich bedrohte der Verfolgte die Kriminalbeamten mit einer Schusswaffe. Er ballerte in Richtung der Polizisten. Verletzt wurde niemand bei der wilden Schießerei. Die Polizeibeamten mussten ihre Dienstpistolen herausrücken. Dann flüchtete der mutmaßliche Waffenschieber in Richtung Siegener Innenstadt.

Zeugin fühlte sich wie im Western

Augenzeugin Nannette Zalke wollte mit Hund Emma Gassi gehen. Sie sah den Täter:
Augenzeugin Nannette Zalke wollte mit Hund Emma Gassi gehen. Sie sah den Täter: "Er hat sofort losgeschossen." © Jürgen Schade

Die Großfahndung der Polizei führte schnell zum Erfolg. Der Tatverdächtige hatte sich zu Hause am Rosterberg in seiner Wohnung verschanzt. Hier in der Charlottenstraße wohnte er mit seiner Freundin. Auch hier schoß er um sich. Zeugin Nannette Zarke aus dem gegenüberliegenden Mietshaus ging gerade Gassi mit Hündin Emma, als der 28-Jährige in seinem Hauseingang stand und eine Polizeistreife vorfahren sah. Zarke: "Er hat direkt losgeschossen. Fürchterlich!" - Wie im Western.

Die Nachbarin räumte ihre Wohnung im Obergeschoss. Ein SEK-Team zog vorübergehend ein. Das Spezialkommando hatte von hieraus den direkten Blick in die Wohnung des schwer bewaffneten Täters. Der Wohnblock in der Charlottenstraße, wo sich der Mann nach seiner Flucht mit einem Sturmgewehr vom Typ Ak 47 verschanzt hatte, wurde für acht Stunden weiträumig abgesperrt. Für die Anwohner bestand keine Gefahr. Sie waren rechtzeitig über die Lage informiert und in Sicherheit gebracht worden.

Hier fuhr kein Bus mehr. Der Verkehr staute sich in vielen Straßen bis zur Autobahnauffahrt. Bereiche um das verdächtige Haus im Leimbachtal waren abgeschirmt. Die Bürgersteige blieben leer. Anwohner durften nicht mehr in ihre vier Wände. In einer Schulaula in der St.-Johann-Straße wurde eine Sammelstelle der Malteser eingerichtet.

Polizei Dortmund forderte Verstärkung an 
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Sirenen heulten den ganzen Tag über durch die Innenstadt, immer wieder fuhren lange Polizeikonvois von der Autobahn über die gesperrte Leimbachstraße bis zur Siegerlandhalle, um dort im Hüttensaal den Einsatz zu besprechen. Die Leitung der Großlage übernahm die Polizei in Dortmund und forderte Verstärkung aus Dortmund, Düsseldorf und Bonn an.

Links und rechts der Koblenzer Straße parkten bereits am frühen Nachmittag zahlreiche Einsatzbullis, die Feuerwehr war ebenfalls vor Ort. Der Verkehr in der Innenstadt staute sich über Stunden. Immer mehr Sondereinsatzkräfte (SEK) trafen im Laufe des Tages ein.

Die über 60 SEK-Beamten waren schwer bewaffnet. Wegfahrsperren mit scharfen Spikes lagen auf dem Asphalt, um eine weitere Flucht des mutmaßlichen Gangsters zu verhindern. Die Polizei Dortmund hatte seit den Mittagsstunden die Leitung des Großeinsatzes übernommen.

Zwei Schulen evakuiert

Zwei Schulen lagen in der Nähe. Eine war nur rund 800 Meter entfernt. Die Klassenräume wurden evakuiert. Teilweise über Seitenstraße konnten die Mädchen und Jungen der Grundschule Diesterweg und des Peter-Paul-Rubens-Gymnasium den Schulhof verlassen. Mit Bussen wurden die auswärtigen Schüler später zum Bahnhof gebracht.

Andere Kinder wurden direkt von ihren besorgten Eltern abgeholt. "Die Gefahr war zu groß, dass Schüler nach dem Unterricht über die Charlottenstraße ausschwärmten und dann vor dem Haus des Täters auftauchten", erklärte ein Polizeisprecher die Vorsichtsmaßnahmen.

Keine Geiseln in der Gewalt

Geiseln in seiner Gewalt hatte der 28-Jährige definitiv nicht. Georg Baum, Siegener Polizei-Pressesprecher: "Das war nur ein Gerücht." Am Abend meldeten die Einsatzkräfte den unblutigen Ausgang des Dramas an einem aufregenden Tag.