Siegen/Wilnsdorf. Ob das nicht ziemlich billig sei, fragt die Richterin im Siegener Drogenprozess. Der Angeklagte muss grinsen: „Da ist ja nie ein Gramm drin“.
Alle vier gestehen, was ihnen zur Last gelegt wird. Die Vorwürfe betreffen die jungen Männer in unterschiedlichem Ausmaß: Sie alle sollen in gewerbsmäßigen Handel mit Drogen verwickelt sein - wobei einer klar der Haupttäter zu sein scheint und die anderen drei mit ihm zu tun; womöglich Pech hatten, in entscheidenden Momenten dabei zu sein. Wobei sich im Umgang mit ihm wohl nicht vermeiden ließ, dass sie irgendwie auch mit Rauschgift und dessen Verkauf in Kontakt kamen. Zumal sie nach ihren Aussagen auch zusammen Kokain nahmen. Erschwerend kommt eine Pistole hinzu: Eine scharfe Schusswaffe erhöht in Kombination mit Drogen das Strafmaß im Zweifel ganz erheblich.
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Der mutmaßliche Haupttäter arbeitete nach eigener Aussage regulär und verdiente sich mit dem Verkauf von Marihuana etwas dazu. In Siegen-Bürbach soll er für 500 Gramm 2400 Euro erhalten haben. „Ich mag Autos“, sagt der junge Mann verschmitzt, auf die Frage der Vorsitzenden Richterin nach einem „gewissen Lebensstil“ und einem Faible für hochmotorisierte Fahrzeuge, von denen er wohl mehrere gleichzeitig gemietet hatte. Er sitzt durchaus selbstbewusst im Landgericht und berichtet ohne Zögern von seinem mitunter komplizierten Alltag als Drogenverkäufer. Laut seinen Schilderungen kommt da einiges an Chat-Absprachen und -Bestellungen, Auslieferungsfahrten und ähnlichen logistischen Tätigkeiten zusammen.
Angeklagter: Wie Staatsanwaltschaft Siegen auf 63 Kilo Marihuana kommt... - 40 könnten sein
Neben ihm auf der Anklagebank sitzt zusammengesunken und mit niedergeschlagenem Blick sein „Schwager“ (verheiratet sei er nicht), mit dem er viel Zeit verbringe. Da man zur selben Familie gehöre, sei der auch einmal mit nach Ulm gefahren, wo der Hauptangeklagte ein Drogengeschäft abwickeln wolle, einer von insgesamt elf Anklagepunkten. Von den Drogen habe sein Freund aber nichts gewusst: Hingereist seien sie mit verschiedenen Autos, hätten vor Ort Zeit miteinander verbringen wollen, dann sei der Kontakt in Ulm aber nicht zustande gekommen. Der „Begleiter“ sei schließlich unverrichteter Dinge wieder zurück nach Siegen gefahren. „Was an Betäubungsmittelgeschäften abging, wusste er nicht“, versichert dessen Anwalt.
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Hinter den beiden sitzen im Gerichtssaal zwei etwas ältere Männer aus Südosteuropa, die in der viel zu kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung ohne Küche in Wilnsdorf lebten, auf Matratzen schliefen und sich aus Taschen einkleideten, in der die Polizei am 2. November größere Mengen Rauschgift fand. Sie hätten grob gewusst, was der Angeklagte macht, aber keine Fragen gestellt. Immerhin hätten sie übergangsweise die Wohnung nutzen dürfen, auch ein Auto des „Anführers“. Der hatte in dem Wagen eine angeblich ungeladene Waffe unterm Fahrersitz versteckt, die er für einen der Männer habe besorgen sollen und die nichts mit den Drogen zu tun habe. Auch sie geben zu, was die Anklage ihnen vorwirft. Die Waffe habe er in die Wohnung geholt, weil er mit dem Auto fahren und sie nicht dabeihaben wollte, sagt einer.
Die wesentlichen Vorwürfe nimmt der Hauptverdächtige auf seine Kappe. Den Besitz und Verkauf von kiloweise Marihuana - nicht 63, wie in der Anklage, aber 40, das könne insgesamt gut sein. Am 2. November 2023 fand die Polizei bei der Festnahme der vier eine Tasche mit 11 Kilo Cannabis, „die wollte ich an dem Tag ausliefern“, er habe sonst keinen Platz zum Lagern gehabt. Außerdem knapp 2 weitere Kilo, die er „vergessen“ habe. Wie die Staatsanwaltschaft zu den 63 Kilo komme, könne er sich nicht erklären. In seinen Chatverläufen, die die Ermittler auswerteten, gehe viel durcheinander.
Siegener Polizei findet neben kiloweise verkaufsfertigem Marihuana auch Kokain für Eigenbedarf
Er gibt auch zu, im Herbst vergangenen Jahres kleinere Portionen Kokain für 50 Euro je Gramm verkauft zu haben. „Ist das nicht ziemlich billig?“, fragt die Vorsitzende. „Für Siegener Verhältnisse ist das okay“, sagt der Angeklagte schmunzelnd. „Ein Gramm ist ja nie drin.“ Er habe jedenfalls immer Gewinn gemacht, die anderen drei daran aber nicht beteiligt. „Dass Leute dabei sind, lässt sich nicht vermeiden. Die wussten das, aber das war allein meine Angelegenheit.“ Sie hätten einfach nur gemeinsam Zeit verbracht; auch mit Kokain-Konsum: 32 Gramm fand die Polizei in der Wohnung, die seien für den Eigenbedarf gedacht gewesen.
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Die Wohnung habe er nicht als Drogenbunker angemietet, sondern weil er selbst dort habe einziehen wollen. Die beiden Männer habe er schon länger gekannt und ihnen vorgeschlagen, dort zu leben, bis sie etwas eigenes gefunden hätten.