Hilchenbach. Betriebsleiter Gerhard Bettermann und Verkehrsmeister Jens Schmitt plaudern aus dem Nähkästchen. Und erzählen, was Donnerstagnacht passiert ist.
„Dann stand der auf einmal vor mir.“ Den Donnerstagabend wird Jens Schmitt so schnell nicht vergessen. Er steuerte einen der drei Gelenkbusse vom Giller die B 62 herunter in Richtung Netphen, als ihm in der Applauskurve vor Afholderbach ein Schwertransport entgegenkam. Kesselböden von König und Co in Netphen waren schräg auf der Ladefläche festgezurrt. Kein Vorbeikommen für die Busse, die mit 45 Minuten Verspätung das Festivalgelände verlassen hatten – das Konzert mit der Philharmonie hatte deutlich länger gedauert.
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Nächtliche Aufregung nach dem Philharmonie-Konzert
Auf dem Schwertransport wurden die Kesselböden von der Schräglage in die Senkrechte gebracht, fahren konnte der so nicht mehr. Die Busse ließ Jens Schmitt dann aber nur leer vorbeifahren, die tonnenschwere Fracht hätte ja auf die Gegenfahrbahn kippen können. „Die Sicherheit der Fahrgäste ist das Wichtigste.“ Sie mussten aussteigen und wurden in gehörigem Abstand an der Gefahrenstelle vorbeigelotst. Den nächtlichen Spaziergang hätten sie gelassen genommen, erzählt Jens Schmitt mit zwei Tagen Abstand. „Wir haben nette Fahrgäste.“ Was übrigens alle Fahrer der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) berichten, die auch deshalb den Dienst an Pfingsten auf den fünf Kultur-Pur-Linien ausgesprochen gern versehen.
16 Gelenkbusse haben die VWS im Einsatz. Aus Freudenberg, Siegen, Burbach, Bad Berleburg und Bad Laasphe fahren sie Samstag und Sonntag vier Mal, Freitag und Montag drei Mal hin und zurück, außerdem halbstündlich der Shuttle vom Dahlbrucher SMS-Parkplatz. Für Betriebsleiter Gerhard Bettermann, der aus der Rente sehr bald noch einmal für ein paar Tage in der Woche in den Dienst zurückgekommen ist („Vom Busfahren komme ich nie ganz los“) ist die Disposition von rund 110 Fahrer-Diensten Routine.
Wenns darauf ankommt, setzt sich bei den VWS auch der Chef ans Steuer
Am Freitag setzt der 66-Jährige sich selbst hinter den Lenker der „KP 1“ und übernimmt drei Verstärkerfahrten von Geisweid zum Giller und zurück – immer wieder werden auf Teilstrecken der langen Linien zusätzliche Busse eingesetzt, wenn der erste Wagen schon bei den ersten Haltestellen gefüllt war. Bei den VWS hat das Tradition: Wenn viel los ist, machen alle mit. „Jeder, der fahren kann, hat dann die Chance, ans Steuer zu kommen.“ Auch die Kollegen, die sonst als Verkehrsmeister, die sonst vor allem den Betrieb koordinieren, und die Verkehrsplaner aus der Zentrale. Am Pfingstsonntag übernimmt sogar VWS-Chef Klaus-Dieter Wern persönlich die Fahrt des Dreis-Tiefenbacher Spielmannszugs nach Dotzlar.
Wind und Wetter machen den VWS bei Kultur Pur wenig aus. „Wir haben da schon alles erlebt“, erinnert Gerhard Bettermann, sogar leichten Schneefall. Wenn es zu viel regnet, werden zusätzliche Reinigungskräfte geordert, „die Leute kommen ja dann aus einem Schlammbad.“ Sicher, die Abende auf dem Giller können lang werden. Die Busse richten sich nach den Shows, vor allem am Schluss nach der letzten Late Night kann es schon mal 1.15 Uhr werden. Stehen gelassen wird niemand. „Der nächste Bus käme ja erst am nächsten Mittag...“ Je später der Abend, desto schwieriger die Fahrgäste? Bei Kultur Pur nicht. „Und wenn einer mal über den Durst getrunken hat, sorgen die anderen Fahrgäste dafür, dass er sich zurückhält.“
Einmal hat Kultur Pur den Bus zur Disco gemacht. „Willer Watz“, sonst ein Highlight beim Siegener Stadtfest auf dem Schlossplatz, hat die Beats direkt vom Siegener Bahnhof aus auf die Reise geschickt. Gerhard Bettermann hat sich auch da selbst ans Steuer gesetzt, und er denkt gern an die Fahrt vor sechs Jahren zurück: „Es war auch nicht lauter als im Schulbus, vielleicht ein bisschen rhythmischer.“ Überhaupt: Mittlerweile scheint die Überzeugungsarbeit zu fruchten, dass Busfahren auch den Fahrern Spaß machen kann. „So langsam sind wir auf einem guten Weg.“ Soll heißen: Die Lücken, die auch an den vielen Ausfällen von Fahrten schuld sind, werden geschlossen, neues Personal kommt an Bord. Im Kosovo sind die VWS fündig geworden, die Neu-Siegener werden zum Start rundum betreut, einschließlich der Wohnungssuche. Dass sich die Tarifsituation verbessert hat, wirkt sich natürlich positiv aus. Teuer bleibt der Führerschein, den die Fahrer einst meist von der Bundeswehr mitbrachten, dennoch: Irgendwer muss die rund 10.000 Euro halt bezahlen.
Als der Orkan über den Giller fegt,wird es brenzlig bei Kultur Pur
Auch Jens Schmitt kam vor mittlerweile 29 Jahren auf Umwegen von der Bundeswehr zu den VWS, hat sich vom Fahrer zum Verkehrsmeister qualifiziert, „Industriemeister Kraftverkehrstechnik“ steht auf der zugehörigen Urkunde. Auf dem Giller hat Schmitt seinen Einsatzwagen direkt neben der provisorischen Buswende geparkt. Kurz nach 16 Uhr wird es betriebsam: In den nächsten 20 Minuten trifft die Armada der Gelenkbusse mehr oder weniger gleichzeitig ein. Mit dem Einsatzleiter des DRK, das hier den Verkehr regelt, spricht Schmitt ab, wann die Gillerbergstraße für den anderen Verkehr gesperrt wird. Dann fährt ein Bus nach dem anderen vor, lässt die bis zu 130 Fahrgäste direkt am Eingang aussteigen, wendet und bezieht Position auf dem mittlerweile tief verschlammten Randstreifen. Gemeinsame Rückfahrt: 16.35 Uhr.
Manchmal haben die Fahrer hier oben auch Pause, bummeln über das Festivalgelände, schauen manchmal sogar kurz in eine Show hinein. Für jeden von ihnen hat Jens Schmitt zu Hause ein Lunchpaket gepackt. Wasser, Obst, ein Stück Salami, „ein bisschen was Süßes“. Das Wetter ist nicht schön, die Stimmung entspannt. Das ist nicht immer so. Jens Schmitt erinnert sich an die Nacht, als ein Orkan über den Giller zu ziehen drohte und sogar der Abbruch des Festivals erwogen wurde. „Die Busse waren schon alle weg.“ Die laufende Late-Night-Show wurde bis ins Endlose verlängert, die Menschen wurden im Zelttheater zurückgehalten, bis die Busse für eine letzte Rückfahrt wieder eintrafen. „Das hat gut geklappt“, sagt Schmitt. Gibt aber zu: „Ich habe Blut und Wasser geschwitzt.“
Keine Fahrgast-Beschwerde bleibt unbearbeitet
Als Verkehrsleiter bleibt Jens Schmitt am Netz, bis der letzte Bus, sei es noch so spät in der Nacht, den Giller verlassen hat. „Ich bin für die Fahrer immer erreichbar.“ Größere Zwischenfälle, sagt er, hat es hier noch nie gegeben. Jens Schmitt nimmt aber auch die Kleinigkeiten ernst. Zum Beispiel die Beschwerde eines Fahrgastes, der in Dahlbruch vergeblich auf den Bus gewartet hat. Auf dem Laptop vollzieht Schmitt die beanstandete Fahrt nach: Die „KP 1“ stand in den Baustellenstaus auf der B 508, ist 18 Minuten nach der Zeit an der Haltestelle angekommen. Manchmal braucht‘s halt Geduld. Aber ans Ziel kommt jeder. Ehrensache für Leute wie Jens Schmitt und Gerhard Bettermann.
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