Siegen. Jan Schneider wusste früh, was es wollte: Siegen und die Welt sehen. Er erzählt, wie er zur Wern Group kam und wie sein Arbeitstag aussieht.

Die Frühschicht mag er am liebsten. Um 4 Uhr morgens fängt Jan Schneider an, wenn er als Hallenmeister eingeteilt ist. Damit die rund 100 Busse, die über Nacht auf dem Betriebshof der Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) abgestellt sind, gleich nach und nach in den Berufs- und Schülerverkehr ­hinausrollen können, ist im Winter auch Eiskratzen angesagt. „Da braucht man keinen Frühsport“, sagt der 21-Jährige lachend. Bei den Fahrzeugen in der Wagenhalle schaltet er die Standheizung ein.

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Ganz schnell ist dann die Halle leer – ein wenig Zeit bleibt zum Aufräumen und Saubermachen, bevor die ersten Schulbusse wieder einrollen. Sicherheitschecks. kleine Störungen selbst beheben, für die großen die Werkstatt informieren, tanken, waschen, jeden Bus mindestens einmal am Tag. Und dann beginnen schon wieder die Ausfahrten der Mittagsschicht, die ersten gegen 11 Uhr, die letzten nachmittags um vier. Wenn der letzte Bus gegen 0.45 Uhr wieder an der Marienhütte ankommt, ist Jan Schneider längst im Tiefschlaf. Nach der Frühschicht ist für ihn um 12.30 Uhr Feierabend.

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Wie er auf den Bus kommt

Jan Schneider ist „Fachkraft im Fahrbetrieb“ bei der Wern Group, zu dem die VWS gehören. „Busfahrer“ sagt nur der Volksmund. Denn in seiner dreijährigen Ausbildung hat er viel mehr gelernt: wie man Fahrpläne macht, wie man großen Fahrgastandrang bewältigt, wie man Fahrzeuge effizient einsetzt. Die „FiF“, wie sie abgekürzt gerufen werden, können in der Leitstelle arbeiten, bei der Verkehrsplanung, bei der Verkehrsaufsicht, als Verkehrsmeister – und natürlich hinterm Steuer. Und da wollte Jan Schneider auch von Anfang an hin. „Ich möchte viel sehen.“

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Entweder Busfahrer oder Rettungsdienst. Die beiden Alternativen standen für Jan Schneider früh fest. Das Niederndorfer Busunternehmen Uebach Touristik gehört zur Familie, da ist er als Jugendlicher schon mitgefahren. Bei den VWS hat er ein Schülerpraktikum gemacht. „Ich habe gern mit Menschen zu tun“, sagt er – kein Wunder, wo die Eltern in der Gastronomie unterwegs sind: Sie betreiben das Haus am Wald in Oberschelden und die Restauration im Haus der Siegerländer Wirtschaft. Mit 17, nach dem Realschulabschluss, entscheidet er sich: Der Rettungsdienst wird Freizeitbeschäftigung.

Das Berufskolleg absolviert Jan Schneider im Blockunterricht in Köln, den Busführerschein macht er in Siegen. 180 Stunden Theorie, 100 Fahrstunden, davon elf in Gespannen mit Anhänger. Bis zu 14.000 Euro hätte er dafür hinblättern müssen, wenn die Wern Group nicht die Rechnung übernommen hätte. Dieser hohe Preis, merkt Stephan Boch, Sprecher der VWS, nebenbei an, „ist auch ein Grund für den Busfahrermangel“ – früher stattete die Bundeswehr ihre Wehrpflichtigen zumindest schon mal mit dem Lkw-Führerschein aus.

Jan Schneider am Lenker – VWS-Sprecher Stephan Boch weiß, warum es schwer ist, Leute wie ihn zu finden.
Jan Schneider am Lenker – VWS-Sprecher Stephan Boch weiß, warum es schwer ist, Leute wie ihn zu finden. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Warum Reisebus Spaß macht

Eine Woche Früh-, eine Woche Spät- und zwei Wochen Verfügungsdienst: So sieht der Arbeitsmonat von Jan Schneider aus. Und vor allem in diesen zwei Wochen sitzt er am Lenker der Reisebusse der Wern Group, die vom Acht- bis zum 53-Sitzer für viele Anlässe ausgestattet ist – wobei auch einige Oldtimer zum Fuhrpark gehören. Und natürlich der Hübbelbummler. Firmen und Vereine chartern die Busse, vor allem aber auch Schulen für ihre Klassenfahrten. Fest im Fahrplan stehen die Mannschaftsbusse der Handballer vom TuS Ferndorf und der Fußballer vom FC Kaan-Marienborn. Die Ferndorfer fährt Jan Schneider zu ihren Auswärtsspielen, wenn der Stammfahrer nicht zur Verfügung steht. In Jan Schneiders eigenem Dienstplan hat eine privat organisierte Wandergruppe ihren festen Platz: Von Frühjahr bis Herbst lassen sich die rund 40 Fahrgäste im Rentenalter alle 14 Tage in die nähere Umgebung fahren.

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Mal geht es an die Ostsee, mal nach Erfurt und Weimar, mal nach München. Langweilig wird ihm nicht, wenn seine Reisegruppe ihn am Ziel nicht braucht. „Ich erkunde die Städte auch, schaue mir die Sehenswürdigkeiten an.“ Und Gardasee, Südtirol, Niederlande, Norwegen? „Darf ich noch nicht.“ Für Auslandsfahrten muss ein Busfahrer mindestens 24 Jahre alt sein. Linienbusse in Siegen und Umgebung dagegen darf Jan Schneider schon fahren – er muss gelegentlich auch.

Was der Linienbetrieb abverlangt

Dass das nicht die Höhepunkte seines Arbeitstages sind, daraus macht er keinen Hehl. „Da muss man Nerven wie Drahtseil haben.“ Der Verkehr, die vielen Baustellen, die Staus, Verspätungen, verärgerte Fahrgäste… Der Umgang mit solchen Krisensituationen steht in der Berufsschule zwar auf dem Lehrplan. Dass man mit Freundlichkeit gewinnt, ist eine Maxime des jungen Busfahrers. Aber dennoch muss auch er mit Aggressivität, mit Beschimpfungen umgehen. „Neulich bin ich sogar angespuckt worden.“ Es hilft nicht, darüber zu schweigen, meint VWS-Sprecher Stephan Boch. Solche Begleiterscheinungen aber machen es auch schwer, das dringend benötigte Fahrpersonal zu gewinnen. Ja, sagt Jan Schneider, über ein „Guten Morgen“ beim Einsteigen würde er sich schon freuen. Auch das „Tschüss“ beim Aussteigen ist nicht verboten.

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Was den Beruf attraktiv macht

Jan Schneider ist gern hier. Die Firmen der Wern Group sind trotz ihrer nun schon rund 400 Mitarbeitenden immer noch so etwas wie ein Familienbetrieb, Seniorchef Klaus-Dieter Wern hat seine Tür für jeden Fahrer offen. Mancher setzt sich dann auch noch als fitter Rentner mal hinter das Steuer eines Reisebusses, natürlich vor allem, um noch etwas dazuzuverdienen – aber irgendwie auch aus Freude am Beruf.

Jan Schneider hinterm Steuer.
Jan Schneider hinterm Steuer. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Sieben Azubis lernen derzeit bei der Wern Group ihre Berufe als Fachkräfte im Fahrbetrieb, Berufskraftfahrer oder Kaufleute. Karrieren? „Für engagierte Mitarbeiter stehen alle Türen offen“, sagt Stephan Boch. Auch der inzwischen pensionierte langjährige Betriebsleiter Gerhard Bettermann hat einmal als Busfahrer angefangen. Wobei Jan Schneider auch noch eine ganz andere Option hat: „Gelernt haben wir auch an der Straßenbahn“, eines von drei Ausbildungsjahren lang, zusammen mit Kollegen von Betrieben wie der Düsseldorfer Rheinbahn. Falls Siegen auch mal auf diese Idee kommt...

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