Siegerland. Hinterm Haus gegrillt, vorne 8000-Euro-Bikes gestohlen: E-Bikes sind Fortbewegungsmittel für die Massen und damit attraktiv für Kriminelle.

Die Zahlen sind rasantgestiegen: Seit Jahresbeginn wurden bis Ende April erheblich mehr Fahrräder als im Vorjahreszeitraum gestohlen - und die Radsaison hat gerade erst begonnen. Auch die Schadenssumme liegt bereits deutlich höher. Einen Großteil machen dabei E-Bikes aus - die teuren Fahrzeuge sind inzwischen ein Fortbewegungsmittel für die Massen, entsprechend groß ist die Nachfrage. Und damit sind die Räder attraktiv für Kriminelle. E-Bike-Diebstahl wird zum Massendelikt. Um an die begehrten und oft sehr wertvollen Räder zu kommen, dringen die Täter immer öfter auch in private Wohnbereiche ein: Garagen, Gartenhütten, Schließanlagen und Keller von Mehrfamilienhäusern. Eine Häufung stellt die Kreispolizeibehörde in der jüngeren Vergangenheit in Siegen und Freudenberg fest.

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Im ganzen Jahr 2023 wurden in Siegen-Wittgenstein 68 Fahrräder gestohlen, 36 davon E-Bikes. Der Wert der verschwundenen Fahrzeuge betrug 143.402 Euro. 2024 waren es bislang bereits 92 Fahrräder, davon 53 E-Bikes. Schadenssumme: 232.450 Euro.

Die Masche: Garagen, Schuppen und Hütten in Siegen nicht immer richtig verschlossen

Der Klau aus privaten Garagen sei ein relativ neues Phänomen, sagt Kriminalhauptkommissar Heiko Diehl, Sachgebiet Eigentumsdelikte. Nicht nur im Siegerland, sondern bundesweit. Die Täter schneiden Garagentore auf, öffnen die Schließmechanismen und verschwinden mit den E-Bikes. Die Ermittler gehen davon aus, dass insbesondere professionelle Kriminelle dazu vorher auch auskundschaften, wo sich der Beutezug lohnen könnte. Nicht alle Garagen, Hütten oder Lauben - Orte, an denen Diebe damit rechnen können, dass dort Räder abgestellt sind - seien zudem immer richtig verschlossen. Die Polizei ruft daher dazu auf, entsprechend achtsam zu sein.

Wir hätten eine Menge Leute glücklich machen können.
Stefan Pusch - Polizei-Pressesprecher, über gestohlene Fahrräder, die ihren Eigentümern nicht zugeordnet werden konnten

Fahrräder zu stehlen, sei für Kriminelle ein Weg, mit vergleichsweise wenig Aufwand schnell Geld zu machen, sagt KHK Diehl. Das Risiko sei dabei eher gering - Fahrräder „wohnen“ in der Regel nicht mit im Haus, sondern sind eher weit weg vom ganz persönlichen Lebensbereich der Menschen geparkt - im Schuppen, in der Garage; wo man halt nicht ständig vorbeikommt. Aber immer noch näher als im öffentlichen Raum an Fahrradständer angeschlossen. Und der Schaden ist ebenfalls erheblich, wenn ein stabiles Sektionaltor aus Metall zerschnitten oder aufgebogen wird. Die Täter, ob lokale Gelegenheitsdiebe oder überregionale Banden, rücken näher an die Menschen heran. Schon zwei Mal wurde in diesem Frühjahr in Siegener Fahrradgeschäfte eingebrochen und teils hochwertige Beute gemacht. In anderen Regionen haben Einbrecher mit Transportfahrzeugen die Schaufensterscheiben durchbrochen und so größere Mengen Räder gestohlen.

Die Polizei Siegen-Wittgenstein: Für Ermittlungserfolg braucht es Tempo und Seriennummern

Im Durchschnitt ereignen sich mehrere Diebstähle pro Woche, wobei das für die Ermittler nicht immer genau nachvollziehbar ist: Mitunter werden die Einbrüche mit einigem Zeitverzug gemeldet, etwa wenn die E-Bikes am Wochenende für Radtouren hervorgeholt werden sollen. Tempo sei dabei ein entscheidender Faktor für die Behörde, je schneller und umfassender sie informiert werden, desto besser können sie tätig werden. Ein paar Stunden, sagt Diehl, könnten hier schon viel sein. Wenn bereits ein paar Tage vergangen sind und auch keine Daten wie Rahmennummern vorliegen, werde es schwierig. Als die Polizei im März in Kreuztal zahlreiche gestohlene Bikes fand und die Verdächtigen verhaftete, konnte ein Gutteil der Räder nicht zugeordnet werden - viele Eigentümer hatten die Identifikationsnummern nicht notiert. „Wir hätten eine Menge Leute glücklich machen können“, sagt Polizei-Pressesprecher Stefan Pusch. Die Räder mussten sie dem Fundbüro übergeben.

Niemand will in einem Hochsicherheitstrakt leben, aber man muss sich eben drauf einstellen, dass man einen Gegenstand besitzt, den viele andere auch haben wollen.
Heiko Diehl - Kriminalhauptkommissar Sachgebiet Eigentumsdelikte

Die „örtlichen“ Täter, die sich ein neues Fahrrad besorgen wollen und blöd genug sind, damit in Siegen herumzufahren, werden eher geschnappt als die Profis, die schnell und hart zuschlagen, die Beute wegschaffen, im Zweifel zerlegen und verkaufen. Natürlich recherchiert die Polizei permanent auch auf Kleinanzeigenplattformen, verfolgt GPS-Positionen, aber gerade hier sei der Zeitfaktor entscheidend.

Die Sicherheitsmaßnahmen: Sich bewusst sein dass man etwas hat, das andere auch haben wollen

Absolute Sicherheit gibt es nicht, aber man kann es den Täter schwer machen. Zum einen sind da die Gelegenheitsdiebe, die mitgehen lassen, was sich mehr oder weniger spontan ergibt. Und auch die Profis, sagt Heiko Diehl, nehmen lieber Fahrräder mit, für die sie nicht erst noch diverse Ersatzteile besorgen müssen, um sie fahrtüchtig und damit verkaufbar zu machen. Wobei Banden auch unvollständige Bikes oder einzelne Teile stehlen - auch für Akkus, Lenker, Räder, gibt es einen Markt. Manche bauen Räder auch aus unterschiedlichen Komponenten neu auf und erschweren so die Identifizierung zusätzlich.

Das Eigenheim zur Festung aufrüsten, sei laut Polizei auch keine Lösung, aber es gibt machbare und alltagsnahe Tipps. Am besten die Räder nicht am anderen Ende des Grundstücks in einen unbeleuchteten Schuppen stellen, sondern so nah ran ans Wohnumfeld, wie es geht. Nicht auf dem Präsentierteller: Hinterm Haus grillen, während vorne zwei 8000-Euro-Bikes auf dem Wohnmobil-Träger angeklemmt sind, ist keine gute Idee. Türen und Tore richtig schließen - auch eine Frage der Versicherung. In der Garage, im Schuppen die Räder nochmals an- oder abschließen. Akkus ausbauen und anderswo verstauen: Die schweren Räder sind gerade ohne die teuren Energiespeicher weitgehend nutzlos. Auch ein teures E-Bike ist, angeschlossen hinter einer verschlossenen Garagentür, ohne Akku, aufwändig zu stehlen - je mehr Hindernisse, desto unattraktiver für Diebe. Und für den Fall, dass es eben doch zum Diebstahl kommt: Vorher auch und gerade bei gebrauchten Bikes Seriennummern notieren, Fotos machen, Fahrradpass der Polizei nutzen.

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„Niemand will in einem Hochsicherheitstrakt leben, aber man muss sich eben drauf einstellen“, sagt Heiko Diehl: Sensibel sein dafür, dass man einen Gegenstand besitzt, den viele andere auch haben wollen. Eine wertvolle Uhrensammlung liegt am besten auch nicht im Wintergarten.