Siegen. Online-Gefahren bedrohen manche Nutzergruppen stärker als andere. Ein Team der Uni Siegen will nun vor allem älteren Menschen im Internet helfen.
Die Sicherheitsrisiken, die im Internet lauern, verderben Menschen in zwei Fällen die Online-Aktivitäten mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit: Wenn sie diese Gefahren nicht im Blick haben – oder wenn sie sich aus Angst davor gar nicht erst ins Digitale trauen. Ein Team der Uni Siegen möchte für beides eine Lösung bieten. Ein Problem dabei: „Das Thema Cybersicherheit ist nicht so spannend“, sagt Margarita Grinko, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Projekten „Crosscomits“ und „Nebula“. „Wie bringt man die Leute dazu, sich trotzdem damit zu beschäftigen?“
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Während es bei Nebula um die Entwicklung einer App geht, die Fake-News entlarven kann (siehe Zweittext), soll Crosscomits eine Plattform liefern, die vor allem älteren Menschen sowie Migrantinnen und Migranten das Rüstzeug für sicheres Surfen an die Hand gibt. Hilfreich werden die Inhalte zwar unabhängig von Alter und Herkunft für alle Nutzerinnen und Nutzer sein, doch im Fokus stehen diese beiden speziellen Zielgruppen, weil beide in diesem Kontext als „vulnerabel“ gelten, wie die Forscherin erklärt – auch wenn die Gründe jeweils unterschiedliche sind.
Siegen: Cybersicherheit muss für Senioren und Migranten oft auf spezielle Art vermittelt werden
Bei Migrantinnen und Migranten sei oft die Sprache ein Knackpunkt, außerdem variierten, je nach Herkunftsland, digitale Fähigkeiten und Vorkenntnisse. Das bezieht sich allerdings nicht nur darauf, dass in manchen Gegenden der Welt Digitalität eine geringere Rolle als in Deutschland spielen mag, sondern kann im Gegenteil auch damit zusammenhängen, dass deren Bedeutung andernorts höher oder zumindest anders ist, wie Margarita Grinko erläutert. Wer etwa aus einem Staat kommt, in dem viel mehr Dinge digital erledigt werden, finde Mails, die von Banken oder Behörden kommen und Fragen nach persönlichen Daten enthalten, vielleicht weniger verdächtig. An dieser Stelle sei es also wichtig, zu vermitteln, wann in Deutschland die Alarmglocken schrillen sollten. Migrantinnen und Migranten sind deshalb unabhängig vom Alter als Zielgruppe von Crosscomits definiert.
Das Projekt
Das Projekt Crosscomits läuft seit Juli 2022 und noch bis Juni 2025. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit fast 660.000 Euro gefördert.
Beteiligt sind außer dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien von Prof. Dr. Volker Wulf an der Universität Siegen auch drei Professuren der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, eine Professur der Katholischen Hochschule NRW und die NanoGiants GmbH, ein Softwareentwickler aus Düsseldorf.
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Bei älteren Menschen, die nicht mit digitalen Medien aufgewachsen sein, „sehen wir sehr große Unterschiede“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin. „Manche sind sehr versiert, andere trauen sich nicht ans Smartphone. Viele haben Angst, etwas kaputtzumachen, einen falschen Knopf zu drücken oder auf einen falschen Link zu klicken.“ Und wieder andere seien zwar online unterwegs, seien sich aber über die diversen Risiken, Betrugs- und Abzockmaschen – zu denen ständig neue hinzukommen – nicht ausreichend im Klaren.
Universität Siegen arbeitet mit Stadtteilbüro Fritz-Erler-Siedlung in Kreuztal zusammen
Das Modell, das in dem Kooperationsprojekt der Uni Siegen, der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der Katholischen Hochschule NRW und der Düsseldorfer NanoGiants GmbH entstehen soll, müsse einen Spagat hinbekommen: „Wie kann man das alles erklären, ohne Angst zu machen?“, beschreibt Margarita Grinko die Herausforderung. „Wir wollen den Menschen ein Bewusstsein dafür vermitteln, dass man genau hinschauen und sich bewusst durch die digitale Welt bewegen muss.“ Dafür ist natürlich der Austausch mit Angehörigen der Zielgruppen ganz wesentlich. Dies geschieht vor allem in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilbüro Fritz-Erler-Siedlung in Kreuztal, wo es bereits seit Jahren das „Smartphonecafé“ speziell für Seniorinnen und Senioren gibt, außerdem entsprechende Themennachmittage. Verallgemeinerungen sind nicht möglich, weil die Bandbreite der Nutzung auch bei der älteren Generation so ziemlich das gesamte Spektrum abdeckt. Es gibt aber Tendenzen. Ältere nutzten digitale Kanäle „hauptsächlich, um mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben und zu kommunizieren“. Darüber hinaus werde das Team auch „viel auf Online-Banking angesprochen“.
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Ansätze und Forschung zum Thema IT-Sicherheit gebe es insgesamt reichlich, sagt Margarita Grinko, „aber wenig, was unsere beiden Zielgruppen betrifft“. Entscheidend ist nämlich nicht nur, dass die notwendigen Informationen irgendwo und irgendwie zur Verfügung stehen, sondern dass sie bei den Nutzerinnen und Nutzern auch ankommen – und dann auch noch zur Kenntnis genommen werden. Die Crosscomits-Plattform, für die derzeit die Arbeit an einem Prototyp läuft, soll deshalb Darstellungsformen bieten, mit denen sich Menschen auch tatsächlich befassen wollen, ohne es als lästige Pflichtübung zu betrachten und dann womöglich schleifen zu lassen. Das Team ist an dieser Stelle über klassische Formate wie Erklärvideos oder Workshops hinaus sehr offen, wie im Gespräch mit Margarita Grinko deutlich wird. Beispielsweise könnten „Hypermedia Novels“ ein Ansatz sein: Multimedial erzählte Geschichten aus allen Genres – Krimi, Mystery, Comedy – die die relevanten Inhalte über eine unterhaltsame und spannende Handlung transportieren und sich auch als Grundlage für Filme oder szenische Lesungen eignen. Eine andere Idee wären Quiz-Runden.
Siegen: Plattform für Cybersicherheit soll bis Mitte 2025 online zur Verfügung stehen
Die fertige Plattform, die nach derzeitigem Stand ab Mitte 2025 in Betrieb sein soll, wird zwar auch für einzelne Userinnen und User nutzbar sein, richtet sich aber in erster Linie an sogenannte Mittler. Diese Multiplikatorinnen und Multiplikatoren greifen auf die Inhalte zu, um damit in Kursen oder Beratungen Wissen zu vermitteln. Sie können aber auch selbst Inhalte erstellen und hochladen, wobei Moderatorinnen und Moderatoren dafür sorgen, dass nur geeignetes Material online landet. Die Hoffnung ist, „dass langfristig die Community übernimmt“, erklärt die Siegener Forscherin. Auf diese Weise soll die Plattform weiter wachsen und dauerhaft aktuell bleiben.
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