Netphen. Schülerparlament Grundschule Netphen: Demokratie macht Arbeit. Ob bei kleinen Spenden oder großen Millionen. Aber die Kinder sind halt auf Zack.
Im Schülerparlament hat man Ideen. „Nora wollte unbedingt Geld sammeln“, erinnert Rektorin Annette Kramps an den Anfang des Projekts. Aus 13 Klassen kommen 27 Klassensprecherinnen und Klassensprecher und Stellvertreter zusammen - 27, wirklich! - und verabreden einen Bonuslauf. Weil sie vorher schon als „Flitzkids“ mit dem Schrittzähler unterwegs waren, möglichst oft zu Fuß zur Schule gegangen sind und die Siegerklasse einen Wandertag gewonnen hat. Das nur nebenbei. 424,65 Euro wollen sie nun verteilen. An Unicef und an das Tierheim. Und jetzt gibt es ein Problem im Schülerparlament der Grundschule Netphen. Wie wird das Geld aufgeteilt?
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Nicht dass die Mädchen und Jungen an der Grundschule Netphen keine Ahnung von Demokratie hätten. „Wir haben ein paar Bürgermeister gefragt, was sie von Demokratie halten“, berichtet Anna. Und sogar einen kurzen Film darüber gedreht. Emma, Rachel, Viktoria und Henry sind ins Netphener Rathaus gegangen, haben Paul Wagener befragt. „Demokratie ist das Allerwichtigste“, lernen sie da, „die Mehrheit bestimmt, und die Minderheit muss sich fügen.“ So lange, bis sie nach der nächsten Wahl selbst Mehrheit ist. Emil ist nach Erndtebrück gefahren. Dort ist sein Onkel Henning Gronau Bürgermeister. „Jeder kann mitbestimmen“, sagt er, „was für eine Herausforderung die beste Lösung ist.“ Der dritte Gesprächspartner ist der Opa von Fanny und Nora: der frühere Siegener Bürgermeister und Netphener Gemeindedirektor Ulf Stötzel. Der weist seine jungen Gäste darauf hin, dass Demokratie in der Schule beginnt. Zum Beispiel bei der Suche nach einem Ziel für die Klassenfahrt. „Da werden nicht alle dieselbe Meinung haben.“ Die Mehrheit bestimmt dann, meistens.
Was Klassensprecher alles tun
Wenn es nur die Klassenfahrten wären. „Der Name sagt’s doch schon“, klärt Anna auf, „Klassensprecher.“ „Wenn wir uns nicht trauen würden zu reden, könnten wir ja gar nichts tun“, erläutert Nora. Das haben sie sogar schon auf der großen Bühne gemacht, beim Demokratiefestival, das das Zentrum für Lehrerbildung an der Siegener Uni im letzten Semester ausgerichtet hat, um angehenden Lehrkräften zu zeigen, wie man Demokratiebildung macht. „Wir wollten unsere Meinung zu Demokratie zeigen“, erklärt Freddy. Selbst haben sie dann auch mitgemacht. Im Theaterworkshop wurde abgestimmt, ob der Froschkönig oder Der Wolf und die sieben Geißlein gespielt wird. „Und wenn mehrere eine Rolle haben wollten, bekam der die, der die meisten Stimmen hatte.“ Das nur nebenbei. Da sind immer noch die 424,65 Euro.
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Ganz klar, sagt Freddy: Unicef bekommt 212 Euro, und das Tierheim bekommt 212 Euro. „Und was machen wir mit den 65 Cent?“, fragt Annette Kramps. „Die behalten wir“, tönt es aus der Runde zurück. Wenn das so einfach wäre, wäre das Schülerparlament hier fertig und die Geschichte zu Ende. 30 Cent bekommt Unicef, 35 Cent das Tierheim, schlägt der eine vor. „Umgekehrt“, widerspricht die andere. „Jedes Kind hat das Recht, in die Schule zu gehen“, plädiert Tilda für das UN-Kinderhilfswerk. „Ich finde, dass das Tierheim fünf Cent mehr kriegen soll“, sagt dagegen Anni, „weil - ich weiß auch nicht.“ Das Schülerparlament ist mittendrin in der großen Politik. Auch ein paar hundert Meter weiter im Ratssaal sind ein paar Millionen manchmal schneller ausgegeben als ein paar hundert Euro für eine Kleinigkeit.
Sie kommen schon rum, die Netphener Klassensprecher und -sprecherinnen. Beim Demokratiefestival vertraten sie, zusammen mit der Weidenauer Glückaufschule, als einzige die Grundschulen. Die Mehrzahl kam aus weiterführenden Schulen. „Ganz Alte aus der 10. Klasse.“ Gerade waren sie bei der regionalen Bildungskonferenz, auch mit Workshops für Kinder. Der Alltag ist anders. Da sei der Klassensprecher schon mal als Streitschlichter gefragt, berichtet Freddy, oder, um für Ruhe zu sorgen. Die Klassensprecher haben auch gelbe und rote Karten. Die gelben sind die Ermahnung. Wer aber eine rote Karte bekommt, muss aufschreiben, was er oder sie ausgefressen hat und sich das von den Eltern unterschreiben lassen. Ob man sich da nicht unbeliebt macht? Die Antwort gibt Schulleiterin Annette Kramps lieber selbst: „Ihr seid ja auch alle gewählt worden.“
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Wie ein Problem gelöst wird
Und immer noch die 424,65 Euro. „Die fünf Cent sind eigentlich nicht so wichtig“, überlegt jemand. Viki fragt ganz leise ihre Nachbarin im Stuhlkreis, Schulsozialarbeiterin Svenja Steinberger: „Hast du mal einen Cent?“ Jemand sagt’s laut: „Vielleicht könnte man einfach noch einen Cent dazugeben.“ Nun gibt es kein Halten mehr. Neun Cent kommen dazu. Auf der Tafel werden die Namen der Spender notiert, die morgen liefern müssen. Der Rest ist Mathe. 412,65 plus 9 macht 424,74 geteilt durch 2 sind 212,37 Euro. „Sicher?“, fragt Annette Kramps, „und wie kommt das Geld da hin?“ „Ich fände es cool, wenn wir das persönlich hinbringen“, schlägt ein Mädchen vor. „Laufen wir?“, fragt der eine Junge. „Klar“, sagt der andere.
„Alan kriegt einen Schreck – er denkt dann, er müsse dableiben“, warnt Annette Kramps vor einem Termin im Tierheim. Alan ist der Schulhund. Die Rektorin würde nie zugeben, dass sie um zwei verloren gehende Unterrichtstage bangt. „Wir können es ja auch umgekehrt machen“, rettet Svenja Steinkämper – und die Spendenempfänger einladen. Es ist noch nicht vorbei. Wer lädt wen ein? Annette Kramps öffnet ein Fenster zum Lüften und regt Minderheitenschutz an. Die Obernetpher, die in jedem Jahrgang nur eine Klasse haben und immer überstimmt werden, sollen aussuchen. Denn von da kam schließlich die Idee, Spendenlauf und so.
Was in der 3 besonders ist
Ach ja: 27 Klassensprecher sind’s, weil die 3 b drei hat. Johannes und Elisabeth haben die meisten Stimmen bekommen, sind aber Zwillinge. „Ich wollte s noch mal machen“, sagt sie. „Ich habe meine ganzen Freunde gefragt, dass sie mich wählen“, sagt er. Weil die Zwillinge aber naturgemäß, wenn überhaupt, immer beide krank sind – weil sie sich halt gegenseitig anstecken –, hat die 3 b Levi als dritten Klassensprecher gewählt. Wie sagte doch noch Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau eben im Film? „Da sitzen viele zusammen und überlegen, was für ein Problem die beste Lösung ist.“ Dass Demokratie einfach sei, hat auch von den Alten keiner behauptet.
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