Siegen. Das Museum für Gegenwartskunst Siegen macht mit der Schau „Museum der Schatten“ aus der Not eine Tugend-

Er ist bei sich. Es scheint, als gehe der Athlet gedanklich durch, was ihn gleich explodieren lassen wird. Das Sportgerät hält er in den Händen, doch noch hat sein Körper nicht diese Spannung, die es braucht, um die Wurfscheibe auf eine weite Bahn zu schicken. Geschwärzt ist der Kopf, alles andere ist weiß und wirkt aus einem Guss. Steht dieser Schatten für das bewusste Ausblenden der Welt da draußen? Oder umschattet diese Figur etwas Größeres, kaum Fassbares?

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Der Diskuswerfer ist jedenfalls ein Dreh- und Angelpunkt in einer Sammlung, die den Schatten zum Objekt macht. Und damit etwas Flüchtiges, Relatives aufbewahrt und auch zeigt: als eine vergängliche Kostbarkeit, die nur entsteht, wenn da auch Licht ist. Ohne Hell kein Dunkel und ohne Dunkel kein Hell. Diese vielleicht banale, aber doch kausale Einsicht fördert die neue Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst Siegen zunächst in der titelgebenden Arbeit des aus Kuba stammenden und seit Anfang 2000 in Düsseldorf lebenden und arbeitenden Künstlers Diango Hernández. Von dessen Rauminstallation „Il museo delle ombre“, auf Deutsch: „Museum der Schatten“, lässt sich ein Teil des Hauses auf besondere Weise erkunden. Denn Licht spenden in der neuen Ausstellung im Wesentlichen die präsentierten Werke – als Video- oder Dia-Projektionen auf Monitoren und Wänden.

Eröffnung Freitag

Die Ausstellung „Museum der Schatten“ wird am Freitag, 12. April 2024, um 19 Uhr eröffnet. Zur Begrüßung und Einführung sprechen Christian Spies von der Peter-Paul-Rubens Stiftung und Museumsdirektor Thomas Thiel. Ab 21 Uhr gibt es einen Ausklang mit DJ Set von Altuu.

Zum Rahmenprogramm der Schau gehören Künstlergespräche mit Diango Hernández (2. Mai) und Mischa Kuball (16. Mai) sowie eine Reihe von öffentlichen Führungen und ein Workshop für Kinder im Grundschulalter. Mehr: www.mgksiegen.de.

Die Begleittexte zu den vorgestellten Arbeiten lassen sich digital abrufen. Der entsprechende QR-Code wird sich am Museumseingang bereitgestellt. Ein Angebot im Zuge des Verbundprojekts „Offene Welten“.

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Arbeiten aus dem Bestand

Museumsdirektor Thomas Thiel hat aus einer Not eine Tugend gemacht. Um das Haus nicht über einen längeren Zeitraum wegen der Umbaumaßnahmen in Sachen Haus- und Lichttechnik schließen zu müssen, bespielt er, assistiert von Jessica Schiefer, vom 12. April bis 2. Juni 2024 sechs Räume im zweiten Obergeschoss mit Arbeiten aus dem Bestand, die über die Wechselwirkung von Licht und Schatten miteinander korrespondieren. Das ermöglicht ein Wiedersehen oder auch die erstmalige Begegnung mit der Arbeit von Diango Hernández, 2009 als 6. Rubenspreisträger der Stadt Siegen ausgezeichnet, die so wunderschön poetische Züge trägt. Das holt auch die Dia-Lichtinstallation „Kompressor“ (1999) aus dem Schatten des Museumsdepots. Diese Bilderschau stellt vom Fotografen Paul Swiridoff gestaltete Porträts von Persönlichkeiten wie Heinrich Böll oder Walter Gropius oder Marion Dönhoff einer Fülle von Aufnahmen architektonischer Ikonen gegenüber. So entsteht ein verdichtetes Zeit- und auch Ideenporträt.

Diango Hernández, Il museo delle ombre, 2009.
Diango Hernández, Il museo delle ombre, 2009. © MGKSiegen | Michael Wagener

Otto Piene: Die Sonne kommt näher

Breiten Raum, im wahrsten Sinne des Wortes, gibt die Schau einem wichtigen Werk des aus Bad Laasphe stammenden ZERO-Künstlers Otto Piene: Die Lichtinstallation „Die Sonne kommt näher“, eine Schenkung von Piene an das Museum im Jahr 2003, speist sich aus dem Nebeneinander einer vierfachen Projektion farbig bemalter Glasdias. Stundenlang könnte man in einem der mit Luft gefüllten Kunststoffsessel verweilen, um sich immer wieder neu überraschen und auch anregen zu lassen von diesem organisch wirkenden weiten Panorama.

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Im Piene-Raum des „Museums der Schatten“ lässt es sich eintauchen in andere Welten. Das rhythmisch-mechanische Ratschen der Projektionsautomaten verstärkt die meditative Wirkung und mischt sich mit den hingetupften Dreivierteltakt-Klängen des Videos „Waltz“ von Joan Jonas, das im Nebenraum in einer Endlosschleife läuft. Das knapp siebenminütige Maskenspiel will als explizite Hommage an das französische Freilichttheater des 18. Jahrhunderts verstanden sein und ist doch viel mehr. Denn es führt in die Natur, spiegelt deren Strukturen und zeigt deren Wert. Dieser Film stößt etwas an. Als Miniatur im Augenblick verweist er auf die ganz große globale Herausforderung, das Geschaffene zu schützen. Damit wird „Waltz“ nicht nur projiziert auf eine Wand, sondern wirft der Welt gewissermaßen etwas vor die Füße.

Otto Piene, Proliferation of the Sun, 1966/2003.
Otto Piene, Proliferation of the Sun, 1966/2003. © MGKSiegen | Philipp Ottendörfer

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William Kentridge und Mariana Castillo Deball

Leiser formuliert, aber nicht minder aussagestark sind die Positionen des südafrikanischen Künstlers William Kentridge und der aus Mexiko stammenden Mariana Castillo Deball. Beide Male geht es um Erzählungen – der eigenen Geschichte, auch aus einer Innenwelt beschrieben, und der Geschichte eines Landes, einer Kultur. Das Museum für Gegenwartskunst zeigt Mariana Castillo Deballs zehn Meter lange Zeichnung mit skizzenhaften Darstellungen in Schwarz auf Weiß, die sich auf den „Codex Borgia“ beziehen und damit auf ein wichtiges Schriftzeugnis aus der prähispanischen Geschichte Mexikos. In einem animierten Film berichtet dieser Kodex aus seiner eigenen Perspektive. Das ist sehens- und hörenswert.

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