Netphen/Siegen. Wie sich der Klimawandel wo auswirkt, ist bekannt. Das hat schon jetzt Folgen für städtische Planungen – zum Beispiel bei Feuerwehrgerätehäusern.
Wie richtet sich Siegen-Wittgenstein auf das sich verändernde Klima ein? Drei Themen im Umweltausschuss des Kreistags:
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Klimafolgen: Anpassen
Es wird wärmer. Die Zahl der Hitzetage über 30 Grad nimmt zu. Die Starkregen kommen häufiger. Die Sommer werden trockener, die Winter verregnen. Das hat handfeste Folgen, erklärt Sebastian Gürke: 20 Kitas im Kreisgebiet sind nicht ausreichend gegen Starkregen und Hochwasser geschützt, über 100 verfügen nicht über ausreichenden Hitzeschutz. Noch in diesem Monat werden die Träger der Kitas zu ersten Workshops zusammenkommen. „Wir schauen uns alle Kitas an“, sagt Sebastian Gürke. Er ist Klimafolgenanpassungsmanager des Kreises. Es geht darum, wie die Einrichtungen geschützt werden können und wo es dafür Fördermittel gibt. Das Projekt „Klimasicher in sozialen Einrichtungen“ geht aus der Klimawirkungsanalyse hervor, die an der Technischen Universität Dortmund auch für Siegen-Wittgenstein erarbeitet worden ist. In einem nächsten Schritt werden die Alten- und Pflegeheime betrachtet.
Gefragt ist Sebastian Gürke immer auch dann, wenn eine Kommune an ihrer Bauleitplanung arbeitet. Die Kreisverwaltung nimmt dazu Stellung. Gürke weist dann auf Risiken hin, wenn eine Wohnbebauung auf einer möglichen Überflutungsfläche vorgesehen wird. Oder wenn ein Seniorenheim ausgerechnet in einer Hitzeinsel stehen soll. „In den Planungen wird das oft nicht ausreichend bedacht.“ Und wohl auch gezielt ignoriert. wie Bau- und Umweltdezernent Arno Wied im Umweltausschuss des Kreistags andeutet.
„Immer wieder“ kämen Bauanträge auf den Tisch, bei denen Risiken durch Überflutung und Starkregen nicht beachtet würden, „häufig bei kommunalen Projekten“. Konkret nennt Wied Planungen für Feuerwehrgerätehäuser - ohne ausdrücklich das Vorhaben der Stadt Netphen in Nenkersdorf zu erwähnen, wo die Wasserbehörde des Kreises eine Umplanung veranlasst hat: Der zugehörige Parkplatz wird eingegraben, sodass er bei Hochwasser wie eine Grube vollläuft. Ebenfalls seit langer Zeit auf Eis liegt der Geh- und Radweg „Sieg verbindet“ in Dreis-Tiefenbach. Nachdem die Trasse direkt ans Siegufer gelegt werden musste, wartet die Stadt auch dort auf eine Genehmigung der Wasserbehörde. „Insbesondere die Stadt Siegen“ beschäftige die Wasserbehörde des Kreises, berichtet Arno Wied. Dort rückt die Bebauung nah an Sieg und Weiß heran. „Es ist immer noch eine besondere Herausforderung, diese Aspekte zu berücksichtigen.“ Erkenntnisse aus der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal würden nicht genügend beachtet.
Das steht dagegen auf der Haben-Seite: Drei Kommunen in Kreis haben erfolgreich Bundesmittel aus dem „Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ beantragt, berichtet Sebastian Gürke. Die AWO hat für einige Kitas Investitionszuschüsse bekommen, um diese „klimasicher“ zu machen. In Wilnsdorf wurden Schulhöfe entsiegelt, und schließlich wurden 250.000 Euro Landeszuschüsse für Dach- und Fassadenbegrünung vermittelt.
Grundwasser: Reichlich
Um ihr Grundwasser müssen sich die Siegen-Wittgensteiner trotz Klimaveränderung keine Sorgen machen. Im Schnitt werden 106 Millimeter pro Quadratmeter und Jahr neu gebildet, bei leicht steigender Tendenz angesichts regenreicherer Winter. Für die Trinkwasserversorgung spielt das Grundwasser allerdings nur eine untergeordnete Rolle: 2,37 von 14,8 Millionen Kubikmetern im Jahr kommen aus Brunnen, davon allein 1,8 Millionen aus dem Grundwasserwerk Siegtal in Dreis-Tiefenbach. „Wenn Sie die Obernautalsperre ausfallen lassen, müssen sie bis zu zehn Millionen Kubikmeter pro Jahr ersetzen“, rechnet Friedhelm Garbe aus dem Dezernat Wasserwirtschaft der Bezirksregierung vor, „dafür müssten Sie 500 Brunnen bohren.“ Für die Versorgung der Vegetation spielt die Grundwassermenge ebenfalls nur eine geringe Rolle. Die Vorkommen sind tief unter der oberen Bodenschicht, in der die Pflanzen wurzeln.
Klimaschutzkommune: Vorbei
Den Titel „Klimaschutzkommune“ gibt der Kreis ab. Zum letzten Mal in diesem Jahr wird der Kreis den European Energy Award bekommen. Einstimmig spricht sich der Umweltausschuss dafür aus, aus dem Prozess auszusteigen. 42,5 Prozent der erreichbaren Punkte, die durch 57 Maßnahmen erzielt werden können, hatte der Kreis 2016, als er sich dem Zertifizierungsverfahren anschloss; nun ist er bei 54,6 Prozent angekommen. Punkte gemacht hat der Kreis mit seiner Beteiligung am Gewerbegebiet Leimbach, mit der Gebäudesanierung, der Beschaffung von Hybrid- und E-Fahrzeugen und dem Ökoprofit-Programm für Unternehmen. Im noch aufgestellten Arbeitsprogramm bis 2028 sind unter anderem Photovoltaikanlagen an kreiseigenen Gebäuden, ein betriebliches Mobilitätsmanagement und Maßnahmen zur Klimaanpassung geplant.
„Ich hoffe, dass effizient weitergearbeitet wird“, sagt Martin Achatzi (CDU) - künftig aber mit den Fachkräften der Kreisverwaltung und ohne die „Energielenker“, deren Geschäftsführer Thomas Pöhlker ein letztes Mal die erzielten Fortschritte vorstellte. Dem Vorschlag von Roland Steffe (AfD), das Verfahren noch vor dem letzten Audit in diesem Jahr zu beenden, folgt der Ausschuss nicht. „Das wäre äußerst unglücklich“, rät Thomas Pöhlker ab. „Wir haben drei Jahre darauf hingearbeitet“, sagt Klimaschutz-Koordinator Dr. Andreas Kaiser. Aufs Punktekonto kommt womöglich noch eine Freiflächen-Photovoltaikanlage in Beienbach. Der Strom soll die Pumpstation der Wassertransportleitung nach Wittgenstein versorgen. Der Wasserverband habe dafür eine Landesförderung beantragt, berichtet Dr. Andreas Kaiser.
Aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein sind aktuell außer der Kreisverwaltung selbst drei Städte und Gemeinden beim European Energy Award dabei. Als europäische Klimaschutzkommunen zertifiziert sind Bad Berleburg (seit 2014), Hilchenbach (seit 2009) und Wilnsdorf (seit 2017).
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