Ferndorf. Warum Photovoltaik-Dächer auf Parkplätzen Sinn machen und was die besondere Idee des Kreuztal-Netphener Unternehmens Power Shield ist.

Dass ihre Autos auf dem Parkplatz nicht mehr nass werden, mag Berufstätige, die den Firmenparkplatz nutzen, freuen. Ebenso die Kunden von Supermärkten, die ihre Einkäufe mit ein bisschen Geschick im Trockenen einladen. Die Dächer, die nach und nach zunächst vor allem auf neu angelegten Parkplätzen zu sehen sind, dienen aber allenfalls in zweiter Linie dem Regenschutz. Auf ihnen befinden sich Photovoltaikmodule, die Strom erzeugen. Power Shields heißen sie deshalb. „Kraftschild“, übersetzt Google. Eine Erfindung, um Flächen nicht zu verschwenden, indem man sie doppelt nutzt. Deshalb schreibt die Landesbauordnung sie neuerdings vor, zumindest einmal für neue gewerblich genutzte Parkplätze für mehr als 35 Autos.

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Wie entsteht die Idee?

Für ihre Kunden ist das Photovoltaikdach auf dem Parkplatz aber nicht nur lästige Pflicht, weiß Tim Sinner, der zusammen mit Calvin Jonathan Hommerich die Geschäfte der jungen Power Shield GmbH führt. Sondern auch eine Alternative zu den Solarmodulen auf den Firmendächern, die, wenn sie in die Jahre gekommen sind, nicht mehr stabil genug sind für die zusätzliche Last. „Sie müssten die Dächer dann aufwändig ertüchtigen“, sagt Tim Sinner. Oder eben ihren Parkplatz überbauen.

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Das Team, zu dem auch Projektleiter Philipp Czogalla gehört, hat die Parkplatz-Dächer nicht erfunden. Aber eine Idee verfolgt: die Überdachung mit Kraftwerk so einfach installierbar zu machen wie - ja, wie den Zusammenbau eines bestimmten Kleiderschranks aus dem schwedischen Möbelhaus. Normal war: Der Kunde bestellt den Stahlbauer für das Dach, den Elektriker für die Anschlüsse und kauft die Module ein. „Es ist aber eine große Herausforderung, die Systeme aufeinander abzustimmen“, erklärt Tim Sinner: die Kabelführung, die Dachflächen und ihre Statik, die Befestigung der Module, die richtige Platzierung der Stützen möglichst außerhalb der eigentlichen Auto-Stellflächen …

Auf dem Sinner-Gelände in Ferndorf steht der erste Power-Shield. Vorgeschrieben sind die Überdachungen für neue Parkplätze ab 35 Autos.
Auf dem Sinner-Gelände in Ferndorf steht der erste Power-Shield. Vorgeschrieben sind die Überdachungen für neue Parkplätze ab 35 Autos. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Wer macht was?

Sinner Stahl- und Industriebauten, das 1952 in Ferndorf gegründete Unternehmen, und Effexx Green, die gemeinsame Neugründung des Netphener Systemanbieters Effexx und der Wilnsdorfer Hommerich Elektrotechnik, haben sich in der Power Shield GmbH zusammengetan. Anfang 2023, erzählt Tim Sinner, haben sie erstmals die Köpfe zusammengesteckt. Herausgekommen ist das Parkplatzdach aus dem Modul-Baukasten: über jeden 2,5 mal fünf Meter großen Stellplatz zwölfeinhalb Quadratmeter Sonnenkollektor, wahlweise als Kragarm oder mit elf Metern Spannweite als „Schmetterling“, je nachdem, ob die Autos in einer Reihe oder in zwei Reihen stehen.

Wir liefern alles von der Aufstellung bis zum Stromanschluss aus einer Hand.
Tim Sinner

Einen wichtigen Unterschied zu dem schwedischen Möbelhaus macht Power Shield allerdings: Bei ihm muss der Kunde nicht selbst zusammenbauen. „Wir liefern alles von der Aufstellung bis zum Stromanschluss aus einer Hand“, sagt Tim Sinner, einschließlich Wirtschaftlichkeitsberechnung. Nur um den Tiefbauer, der für die mitgebrachten Fundamente ausschachtet und die Fläche befestigt, muss sich der Bauherr noch selbst kümmern. Etwa ein halbes Jahr ab der Bestellung dauert es, bis die Autos unter dem Photovoltaikdach geparkt werden können. Wobei der Aufbau selbst in ein bis zwei Wochen erledigt ist. Zeit brauchen die Genehmigungsverfahren: für den Bau selbst, „da hat uns die SIT gerade ausgebremst“, sagt Tim Sinner - noch ein Leidtragender des Cyber-Angriffs. Und für die Einspeisegenehmigung.

Wohin mit dem Strom?

Womit die Frage gestellt ist, was die Parkplatzdachbesitzer mit dem erzeugten Strom eigentlich machen. Auf die Möglichkeit, ins Netz einspeisen zu können, verzichten die wenigsten. „Wir haben den einen oder anderen Kunden, wo eine zusätzliche Trafostation notwendig wird. Das ist dann natürlich kostspielig.“ Aber Batteriespeicher sind auch nicht billiger, und die Wasserstoff-Stickstoff-Technologien zur Stromspeicherung sind erst der Entwicklung. Am besten also: selbst verbrauchen.

Parken und Tanken: Der Solarstrom kann direkt zum Auffüllen des Akkus eingesetzt werden.
Parken und Tanken: Der Solarstrom kann direkt zum Auffüllen des Akkus eingesetzt werden. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

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Auf der Musteranlage bei Sinner in Ferndorf hängen die Autos an der Steckdose: Nachmittags, nach Schichtschluss, laden sie hier ihren Fuhrpark auf, „Das schaffen wir in 80 bis 90 Prozent der Fälle“, sagt Tim Sinner. Jedenfalls von März bis Oktober, in den ganz dunklen Monaten eher nicht. Wenn der erzeugte Strom geschickt verteilt wird, kann an jedem Parkplatz ein Auto aufgeladen werden - wenn es dort den ganzen Tag steht. Für den Supermarkt-Einsatz ist das eher nichts. Die brauchen Schnellladestationen, für die auf dem Dach erzeugte Leistung nicht ausreicht. Dort wiederum können die über 100 Stellplätzen errichteten Module durchaus ausreichen, den Strombedarf des ganzen Ladens zu decken. Bei zweieinhalb Metern Einfahrthöhe und bis zu vier Metern an der höchsten Stelle passen übrigens auch (Camping-)Bullis mit Dachaufbauten unters Parkplatzdach.

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Viele Kunden kommen aus der Industrie. Da ist der Strom nicht nur für Mitarbeiterautos willkommen. Die Module über vier Parkplätzen decken zum Beispiel genauso gut den Strombedarf einer Stanzmaschine. Das kann dann im großen Maßstab weitergehen: Sogar ein energieintensiver Betrieb mit 200 bis 300 Stellplätzen auf dem Gelände kann sich bis zu 30 Prozent seines Energiebedarfs vom Parkplatzdach holen, schätzt Tim Sinner. Wobei Gewerbebauten, im Gegensatz zu Schulen und Turnhallen, die dankbarsten Abnehmer sind: Dort wird im Idealfall rund um die Uhr Strom in gleichbleibender Menge verbraucht, Schulferien spielen da keine Rolle. Deshalb ist es auch gar nicht so sinnvoll, die Photovoltaikmodule nach Süden auszurichten. Optimal, sagt Tim Sinner, ist eine Ost-West-Orientierung. Die bringt zwar unter dem Strich etwas weniger Stromertrag, dafür aber gleichmäßiger, dem Lauf der Sonne folgend, über eine langen Tag verteilt.

Wie geht es weiter?

Träger und Bleche werden in der Werkstatt in Ferndorf gesägt, gebohrt, geschweißt, gesandstrahlt, lackiert. Daraus werden Industriehallen oder Sonderkonstruktionen wie zum Beispiel Fußgängerbrücken. Und nun auch immer, wenn gerade kein Projekt drängt, Komponenten für die - übrigens verzinkten - Power Shields, die für gleichmäßige Auslastung sorgen und eines Tages einmal bis zu einem Viertel der Produktion ausmachen sollen. 55 Beschäftigte hat Sinner, davon arbeiten 35 in der Fertigung und die anderen im Büro. Mit sieben Ingenieuren ist die Konstruktionsabteilung stark besetzt - dass da auch weiter intensiv getüftelt wird, steht fest. Auch für die Power Shields. Tim Sinner denkt an ein Parkleitsystem, das ins Dach integriert wird: Das zeigt den Herannahenden an, unter welchem Dach sie parken und laden können.

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