Kreuztal. Oft reicht das Geld nicht für warmes Essen und Lebensmittel. Aber das ist nicht der einzige Grund, zum Kreuztaler Mittagstisch zu gehen.
Pünktlich um 11 Uhr ist es so weit: Elisabeth Kramer, Leiterin des Kreuztaler Mittagstischs, öffnet die Eingangstüren zum Saal der Kreuzkirche und begrüßt zusammen mit ihrem Team die Gäste. Drei Jahre lang musste wegen der Corona-Pandemie auf die Weihnachtsfeier mit gemütlichem Zusammensitzen und gemeinsamem Essen verzichtet werden - jetzt können sie wieder zusammenkommen.
Weihnachten beim Kreuztaler Mittagstisch
Der Kreuztaler Posaunenchor stimmt Weihnachtlieder an. Weihnachtliche Melodien tragen die Schülerinnen und Schüler einer Vokalklasse der Clara-Schumann-Gesamtschule vor. Pastor Thies Friederich hält eine kurze Andacht. Susanne Leyendecker spricht im Namen der Stiftung Diakonie-Station zu den Gästen. „Drei Jahre mussten wir die Weihnachtsfeier ausfallen lassen. Umso schöner ist es, dass es dieses Jahr wieder klappt“, sagt sie und blickt zurück: Allein in den letzten 100 Tagen haben die fleißigen Helferinnen 8000 Gäste bekocht. „Das nenne ich mal eine herausragende Leistung.“
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Wenn das Geld nicht fürs Essen reicht
Unter den Gästen ist Karl Heinz aus Littfeld. Der 63-Jährige freut sich, dass er jeden Dienstag und Freitag das Angebot des Kreuztaler Mittagstischs nutzen darf. Für 1,50 Euro gibt es ein warmes Mittagessen. „Ich mag die Hausmannskost, die die netten Helferinnen für uns zubereiten. Es schmeckt immer sehr, sehr gut. Ich würde dafür fünf Sterne vergeben.“ Für ihn ist der Kreuztaler Mittagstisch aber mehr als nur ein warmes Essen. „Es tut mir gut, unter Menschen zu sein. Anfangs habe ich mich geschämt, dieses Angebot zu wählen“, erzählt Karl Heinz, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Er bezieht Bürgergeld und ist seit zehn Jahren arbeitslos. Vorher habe er in der Lager- und Logistikverwaltung gearbeitet. „Durch mehrere persönliche Umstände, darunter auch gesundheitliche, konnte ich nicht mehr arbeiten. Dann habe ich mit 53 Jahren immer wieder den Satz gehört, ich sei zu alt. Also bist du dann für den Arbeitsmarkt abgeschrieben.“
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Nicht nur Gäste höheren Alters besuchen den Kreuztaler Mittagstisch. Mareike Richter ist 28 Jahre jung: „Ich nutze das Angebot, weil es günstig und gut ist. Das Essen ist immer lecker. Außerdem nutze ich die Gelegenheit, um Menschen kennenzulernen“. Mareike Richter ist mit ihrer dreijährigen Tochter gekommen. „Ich kann nicht in allen Berufen arbeiten.“ Sie hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. „Auch wenn ich noch bei meinen Eltern in Buschhütten wohne, erledige ich die meisten Dinge alleine und möchte selbstständig sein. Beispielsweise die Besuche beim Kinderarzt. Die Formulare nehme ich dann mit nach Hause und lasse mir helfen.“ Bis vor drei Jahren hat sie in einer Werkstatt in Netphen gearbeitet, dann kam ihre Tochter auf Welt und seitdem kümmert sich die 28-Jährige um sie. „Ich möchte aber auch bald wieder arbeiten.“
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Die anderen sollen es nicht wissen
Das Essen kommt. Serviert wird es unter anderem von Anne Pröpper. Sie hilft ehrenamtlich beim Kreuztaler Mittagstisch und ist eine der insgesamt 47 fleißigen Helfer und Helferinnen. „Um auf Nummer sicher zu gehen, hatten wir letztes Jahr bei der Weihnachtsfeier die Essen in einer Box an die Gäste ausgegeben. Gemeinsam gegessen wurde da noch nicht“, erinnert sich die engagierte Frau.
Einen Tisch weiter sitzt Ulla aus Siegen. Auch sie möchte ihren Nachnamen nicht so gerne in der Zeitung lesen. „Ich bin mit meinen 74 Jahren immer noch ehrenamtlich aktiv und möchte nicht, dass alle Leute wissen, dass ich zum Kreuztaler Mittagstisch gehe“. Bis zu ihrer Hüftoperation vor einiger Zeit ist sie von Siegen sogar mit dem Fahrrad für ein warmes Mittagessen nach Kreuztal geradelt. Donnerstags sei sie beim Geisweider Mittagstisch und genieße dort eine warme Mahlzeit genießen. „Ich habe früher als Servicekraft in der Gastronomie gearbeitet. Schon da wurden nicht die größten Löhne gezahlt. Ich bekomme ungefähr 850 Euro Rente und die liegt unter der Grundsicherung. Mit dem Geld komme ich nicht so gut über die Runden.“ Darum nutzt sie auch das Angebot der Siegener Tafel, um so günstig an Lebensmittel zu kommen.
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Seit 15 Jahren wird zweimal in der Woche gekocht
Zweimal in der Woche stehen die Frauen des Kreuztaler Mittagstisch für die bedürftigen Gäste in der Küche unter der Kreuzkirche und kochen Hausmannskost. Die kommt sehr gut an. „Am besten gehen die Gerichte, wo Fleisch oder Wurst mit dabei sind. Mal ist es ein Eintopf, letztes Jahr hatten wir auch mal im Februar Gänsebraten“, erzählt Christel Spies. „Gute Planung ist bei uns das A und O. Drei Frauen haben in der Küche den Hut auf, gucken, was noch in den Kühlhäusern ist, und danach entscheiden wir, was wir kochen“, so die 77-Jährige. Sie ist von Anfang an beim Kreuztaler Mittagstisch dabei. „Das sind jetzt schon 15 Jahre und ich möchte auch noch lange dabeibleiben“, sagt die Seniorin mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.
2008 wurde zum ersten Mal für die Gäste gekocht. Seitdem nutzen immer rund 80 Gäste dienstags und freitags von 11.30 Uhr bis 13 Uhr Angebot des Kreuztaler Mittagstisches. Christel Spies gibt zusammen mit Doris Wiehl und Freja Weil in der Küche den Ton an. „Wir verstehen uns einfach ausgezeichnet und ergänzen uns.“ Freja Weil hat früher in der Waldorfschule für 150 Kinder gekocht. Da kennt sie sich mit großen Mengen bestens aus. Sie bietet auch gerne vegetarische Gerichte an. Die haben sich aber zum Weihnachtsessen nicht durchsetzen können. Stattdessen haben die Frauen rund 400 Klöße mit den Händen geformt. Dazu gibt es Gulasch und Rotkohl, als Vorspeise eine Rindfleisch-Suppe und Pfirsichmousse mit Mascarpone als Dessert. Der Rotkohl ist selbst zubereitet, dafür sind die Köchinnen extra noch früher aufgestanden.
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Mehr Gäste, aber weniger Lebensmittelspenden
Die Lebensmittel bekommt der Kreuztaler Mittagstisch als Spenden vom Dornseifer-Frische-Markt, Edeka Böhm in Buschhütten und den Rewe-Märkten Schneider und Mockenhaupt in Kreuztal und Eichen. Die Bäckerei Schumacher aus Ferndorf gibt donnerstags nach dem Kreuztaler Wochenmarkt die Backwaren ab, die nicht verkauft wurden.
„Wir möchten uns natürlich auch in diesem Jahr wieder für die Lebensmittel und auch Geldspenden sehr herzlich bedanken. Ohne die Unternehmen, Privatpersonen und vor allem die fleißigen Helfer bei uns im Team wäre so ein kostengünstiges Angebot für unsere Gäste gar nicht möglich“, sagt Elisabeth Kramer. „Wir bekommen immer mehr Gäste, darunter auch viele aus der Ukraine. Die Spenden der Supermärkte werden jedoch merklich weniger. Die Unternehmen achten auch mehr auf Nachhaltigkeit und kaufen anders ein. Das macht unsere Arbeit nicht leichter.“ Trotzdem: Auch in diesem Jahr ist nach dem Essen eine kleine Bescherung möglich. In der Tasche, die jeder mitbekommt, sind Konserven, Reis, Nudeln, Kaffee, Tee, Schokolade, Gebäck und Körperpflege-Produkte.
„Na Liebeschen, wie geht es dir?“ Im hinteren Teil der Küche wird Nahaj Hadji Ali von Ute Seiffenrath begrüßt. Nahaj Hadji Ali ist 37 Jahre alt, kommt aus dem Iran und hilft seit 2018 beim Kreuztaler Mittagstisch. „Ich mache das von Herzen. Als ich gehört habe, dass es hier in Kreuztal Menschen gibt, die hier ein warmes Mittagessen bekommen, wollte ich helfen. Es macht mir sehr viel Spaß“. Ute Seiffenrath ist mit ihren 83 Jahren eine der ältesten im Team. „Ich möchte auch gerne noch ein bisschen mitmachen. Mal schauen, was der liebe Gott so mit mir noch vorhat.“
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