Siegen. Was sich seit Monaten abzeichnet, wird nun wahr: Der Kreis Siegen-Wittgenstein steigt aus der Finanzierung des Weidenauer Evau aus.
Mit 35 gegen zehn Stimmen hat der Kreistag am Freitag den Ausstieg aus der Finanzierung des Evangelischen Gymnasiums beschlossen. Zwei Kreistagsmitglieder enthielten sich in der geheimen Abstimmung über den Antrag von CDU, FDP und Wir Bürger der Stimme.
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Konkret sieht der Beschluss eine „gleitende Beendigung“ vor: Dem evangelischen Kirchenkreis soll angeboten werden, dass der Kreis seinen Zuschuss in jedem Jahr um 80.000 Euro verringert; die faktische Mit-Trägerschaft würde dann mit dem Ende des Schuljahr 2027/28 vorbei sein. „Sollte wider Erwarten keine Einigung erzielt werden, wird der Landrat beauftragt, den Vertrag seitens des Kreises Siegen-Wittgenstein zum 31. Juli 2024 zu kündigen.“ In diesem Fall allerdings müsste der Kreis mit dem - bereits angekündigten - Widerspruch des Kirchenkreises rechnen, der sich auf den 1964 geschlossenen Vertrag beruft: Der sieht keine Kündigung vor und gilt deshalb als „Ewigkeitsvertrag“.
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1962 wollte Kreuztal ein evangelisches Gymnasium
Auf dem Briefkopf des Antrags stand die UWG-Fraktion als vierter Antragsteller; davon rückte UWG-Fraktionschef Hans-Günter Bertelmann allerdings zum Beginn der Sitzung ab. Linke und AfD hatten eigene Anträge gestellt, die ebenfalls auf eine Kündigung hinausliefen: die Linken mit einer einseitigen Reduzierung des 340.000-Euro-Zuschusses um jährlich 50.000 Euro, die AfD „hilfsweise“ mit einer Reduzierung auf eine einzügige Halbtagsschule. Von der ursprünglichen Absicht, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu diskutieren, nahm der Kreistag Abstand.
Es gebe für den Kreis Siegen-Wittgenstein „nicht den geringsten Anlass“, ein Gymnasium in der Stadt Siegen zu finanzieren, stellte Ullrich Georgi (Linke) fest. 1964 war der Kreis aktiv geworden, weil sich keine Kommune außerhalb der heutigen Stadt Siegen in der Lage sah, ein Gymnasium zu unterhalten - die beiden Hilchenbacher Gymnasien wurden vom Land (Jung-Stilling-Gymnasium) und einem Stiftsvermögen (Stift Keppel) getragen. „Die Situation hat sich seitdem geändert“, räumte Hermann-Josef Droege (CDU) ein.
Private Schulen
Außer dem Evangelischen Gymnasium in Siegen-Weidenau gibt es weitere Schulen im Kreisgebiet, die private Träger haben: die beiden Förderschulen der AWO in Siegen (Hans-Reinhardt-Schule) und Deuz (Schule am Sonnenhang), die vier Schulen des Christlichen Schulvereins in Rudersdorf und Siegen (Grundschulen), Niederndorf (Realschule) und Kaan-Marienborn (Sekundarschule), die von Vereinen getragenen Waldorfschulen in Siegen (Rudolf-Steiner-Schule, Johanna-Ruß-Schule) sowie zwei von gemeinnützigen GmbHen getragene Schulen: das Gymnasium Schloss Wittgenstein in Bad Laasphe und die b school, die bilinguale Grundschule in Allenbach.
Einen Sonderstatus hat das Gymnasium Stift Keppel in Allenbach. Das Stiftsvermögen, das als Schulträger auftritt, wird vom Land NRW verwaltet.
Bis auf Burbach, Erndtebrück und Freudenberg haben alle Kommunen im Kreis eigene Gymnasien. Für ein Gymnasium in evangelischer Trägerschaft hatte sich schon 1962 auch das Amt Ferndorf, die heutige Stadt Kreuztal, interessiert, weil der Kirchenkreis Weidenau bevorzugte, ließ Kreuztal sein Gymnasium 1969 von Ehrenbürger Friedrich Flick bezahlen, dessen Namen die Schule bis 2008 trug.
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Anträge von AfD und Linken
„Wir sind dem Kreis verpflichtet und nicht dem Kirchenkreis“, sagte Christian Zaun (AfD). Bereits 2015 habe der Kreistag das Rechtsgutachten zu dem „Ewigkeitsvertrag“ in Auftrag gegeben, das 2016 vorgelegt wurde. Hätte der Kreis zu diesem Zeitpunkt gekündigt, wären seitdem rund zwei Millionen Euro eingespart worden. „Der Schulbetrieb wäre in keiner Weise gefährdet.“ Schließlich betrage der Kostenanteil des Schulträgers, an dem sich der Kreis nun nicht mehr beteiligen soll, nur sechs Prozent an den Gesamtkosten. Die AfD hatte ihren Antrag bereits im September im Schulausschuss gestellt; dort war er abgelehnt worden.
Daraufhin hatten die Linken ihren Antrag gestellt, den Fraktionschef Ullrich Georg im Kreistag zugunsten des Drei-Fraktionen-Antrags zurückzog. Die Verwaltung hatte darauf hingewiesen, dass der Kreis die Höhe des Zuschusse nicht einseitig festlegen kann.
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Es geht nicht nur ums Geld
Die Haushaltslage sei „nicht der alleinige Grund“, aus dem der Rückzug des Kreises aus dem Vertrag beantragt werde, betonte Hermann-Josef Droege (CDU). Angestrebt werden müssten ein „möglichst weitgehende Einvernehmen“ und „Lösungen, die für beide Seiten zumutbar sind“. Zurückgezogen wurde der Antrag, bereits die für 2024 veranschlagten Mittel für das Evau zu sperren. „Das könnte unglücklich werden“, hatte Landrat Andreas Müller gewarnt, „wir würden vertragsbrüchig.“ Verzichtet wurde auch auf die Ermahnung, dass der Landrat „in Zukunft grundsätzlich“ keine Verträge mehr abschließe, in denen eine Kündigung nicht vorgesehen sei. Unkündbare Verträge schließe der Kreis sowieso längst nicht mehr ab, stellte der Landrat klar. „Das klingt nach 1960er Jahren.“
Es kam zu einer Sitzungsunterbrechung, nach der dann abgestimmt wurde. Die geheime Abstimmung mit Stimmzetteln, die in einer Wahlkabine ausgefüllt wurden, hatte der CDU-Fraktion beantragt.
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