Siegen-Wittgenstein. Die Stimmung ist fürs Abräumen: Das Literaturfestival vielSeitig kommt auf die Liste, der Rothaarsteigverein und der ganze Tourismus gleich mit.
Das Literaturfestival vielSeitig aufs ganze Kreisgebiet ausdehnen? Das Kulturbüro und die Universität raten weiterhin ab. Die Uni, weil die Studierenden, die das Festival maßgeblich organisieren, auf ein kompaktes Veranstaltungsgebiet angewiesen sind. Das Kulturbüro, weil der Charakter eines Festivals verloren zu gehen drohe. Außerdem, so Projektleiter Patrick Zöller aus der Sicht des Kulturbüros, müsse man „aufpassen, dass man sich nicht ins Gehege kommt“. 53 Literaturveranstaltungen stünden kreisweit in dieser Saison auf den Spielplänen, darunter 40 Autorenlesungen. „Wer in Siegen-Wittgenstein Literatur live erleben will, hat dazu reichlich Gelegenheit.“
vielSeitig in Siegen könnte Opfer der „Haushaltsbegleitbeschlüsse“ werden
Mit dieser Stellungnahme zum Antrag der CDU-Fraktion, die schon im September auf eine eher reservierte Reaktion gestoßen war, kam das Kulturbüro im Kulturausschuss des Kreistages diesmal zur rechten Zeit – unmittelbar vor den Haushaltsberatungen, in denen eine Sparrunde ansteht. Geradezu genüsslich fasste Bernd Brandemann (CDU) zusammen: Die Universität gebe also die Richtung vor, die Studierenden kennen sich in der Siegener Kneipen- und Café-Szene aus und seien nicht mobil – dann sei es doch auch „vermutlich nicht Aufgabe des Kreises, das zu finanzieren“, folgerte Brandemann und ließ sich dann noch, mit Ankündigung der zu fassenden „Haushaltsbegleitbeschlüsse“, vorrechnen, dass der Kreis derzeit den größten finanziellen Einzelbeitrag zu dem Festival leistet: 18.000 von insgesamt 58.000 Euro, zu denen die Uni 7000, die Stadt Siegen 2000 Euro beisteuert.
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Siegener Studis: In Köln feiern, aber nicht in Bad Berleburg
Wolfgang Suttner (CDU) deutete die Initiative seiner Fraktion: Es handele sich um den „Versuch, deutlich zu machen, dass wir Kreiskulturbüro sind“ – und nicht Kulturbüro für die Stadt Siegen. Tim Lechthaler steuerte allerdings auch die Sicht des Kulturrings bei, in dem die Veranstalter aus dem Kreis zusammenarbeiten. „Da gingen die Augenbrauen ein bisschen hoch.“ Es sei schade, dass das in den Städten und Gemeinden bestehende Angebot nicht gesehen werde. Bei Veranstaltungsorten jenseits von Siegen werde das studentische Publikum zudem verloren gehen. „Studierende sind wenig mobil.“
„Schwachsinnig“ nannte Guido Müller (FDP) dieses Argument: „Studenten schaffen es auch nach Köln, um dort zu feiern.“ Ursula Belz (CDU), selbst bei der Veranstaltung des Bad Berleburger „Literaturpflasters“ engagiert, schloss sich an: Das sei „ein bisschen vermessen und herabwürdigend“. Wenn einem 80-Jährigen aus Bad Berleburg die Fahrt zu einer medizinischen Untersuchung in Siegen zugemutet werde, könne ein Student auch zu einer Lesung nach Bad Berleburg fahren. „Die Fahrt von Siegen nach Bad Berleburg ist genauso weit wie umgekehrt.“
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Ausschussvorsitzender Hermann-Josef Droege (CDU) regte an, „die Gerechtigkeit der Kostenträgerschaft zu überdenken“, betonte den selbst gewählten Namenszusatz der „Universitäts“-Stadt Siegen und riet im Übrigen zu vertagen: „Das macht ja keinen Sinn gegen den Widerstand von Literaturaktiven.“ Wobei eine „gewisse Mobilität“ auch „eine Frage des Wollens“ sei. In der März-Sitzung könne dann über ein Konzept für 2026 gesprochen werden, ein kreisweites vielSeitig oder um ein „vielSeitig +“ mit an das Siegener Festival angehängten Veranstaltungen. Natürlich nur, wenn der Kreistag nicht in zwei Wochen den Geldhahn zudreht.
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Rothaarsteigverein Siegen-Wittgenstein: Ende in Sicht
Wer gerade etwas will vom Kreis, ist in diesen Tagen schlecht dran. Das bekommt der Rothaarsteigverein zu spüren, dessen Mitgliederversammlung den Beitrag um 30 Prozent, das sind 3750 Euro, erhöht hat. Die Zustimmung – bei zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen – gibt es auch nur, weil damit ein „Zukunftskonzept“ finanziert werden soll, „gegebenenfalls auch eine Überführung in andere Trägerstrukturen“, wie es in der Vorlage heißt. Gemeint ist: die Auflösung des Rothaarsteigvereins und die Übernahme durch die Touristikverbände.
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Das Sauerland bis unters Siegener Krönchen - „Marke Siegen-Wittgenstein gibt es nicht mehr“
Wo alle Zeichen auf Abbruch stehen, kommt es auf den Rest auch nicht mehr an. So findet der Antrag der Grünen, einen Zusammenschluss der Touristikverbände Siegen-Wittgenstein und Sauerland Tourismus zu prüfen, durchaus Zustimmung – sogar um den Preis, als „Sauerland“ beworben zu werden. „Die Marke Siegen-Wittgenstein gibt es nicht mehr“, sagte Guido Müller (FDP), „wir haben ja uns schon beim Naturpark aufgegeben.“ Der heißt bekanntlich „Sauerland-Rothaargebirge“. Steffen Löhr, Referent des Landrates, machte allerdings darauf aufmerksam, dass der Sauerland-Tourismus von einer gemeinsamen „Südwestfalen“-Marke gar nichts hält und von den Siegen-Wittgensteinern (O-Ton Verwaltungsvorlage: „In ein gemachtes Nest setzen“) auch nicht viel mehr: „Eine Zwangsehe ist wahrscheinlich nicht möglich.“
Jule Kampen vom Touristikverband berichtete trotzdem über die angestrebte Zertifizierung zum „Nachhaltigen Reiseziel“. Was das bedeutet, blieb auch nach vielen Nachfragen ebenso im Nebel („Die Angebote werden vor Ort konzipiert“) wie das „Smarte Tourismuslabor“, das der Ausschuss erst vor knapp drei Monaten als „überkandidelt“ abgelehnt hatte, das dann aber trotzdem durch den Kreistag kam und nun mit 390.000 Euro im Haushalt steht.
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