Kreuztal. Professor Norbert Enkling erklärt, wer alles an einer Angst vor Zahnbehandlungen leidet und was genau darunter zu verstehen ist.

Professor Norbert Enkling leitet die Eichenklinik in Kreuztal und beschäftigt sich dabei schwerpunktmäßig mit der Behandlung und Therapie der Zahnbehandlungsangst. In einem Gespräch hat er unserer Zeitung etwas mehr über diese Angst erzählt.

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Kreuztal: Verbreitung der Angst vor einer Zahnbehandlung

„Es gibt so ein bisschen die Tendenz, dass man das verheimlicht“, erklärt Norbert Enkling. Es gebe ein großes Schamgefühl rund um das Thema Angst vorm Zahnarzt. Daher sei es wichtig zu verdeutlichen: „Ihr seid nicht alleine.“ Denn rund 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung litten unter einer pathologischen Angst vor einer Zahnbehandlung.

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Wenn alle mit einberechnet würden, die eine geringe oder mittlere Furcht vorm Zahnarzt hätten, so seien es rund 80 Prozent der Bevölkerung, erklärt Norbert Enkling weiter. Die Zahlen würden dabei bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen durch Fragebögen ermittelt.

Zahnarztbehandlung in Kreuztal: Die Angst verstehen

Die Angst entstehe oftmals durch ein Trauma. Meist habe sie ihren Ursprung in den ersten zwei Lebensjahrzehnten, berichtet Norbert Enkling: „Das zeigt, wie wichtig es ist, eine gute Kinderbehandlung zu machen.“ Allerdings gebe es auch eine genetische Prädisposition, das sogenannte Angstgen. Demnach sei es möglich, „eine Grundveranlagung zu haben, auf gewisse Situationen ängstlich zu reagieren“, gibt er an. Wenn die Angst einmal entstanden sei, bleibe sie oft über Jahre hinweg gleichbleibend bestehen: „Die Angst wird meist nicht stärker. Sie ist einfach brutal hoch“, erläutert Norbert Enkling.

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Die Angst vor einer Zahnbehandlung stehe oft nicht allein: Rund 50 Prozent der Patienten und Patientinnen hätten weitere psychologische Probleme. Die Angst sei insbesondere unter Frauen weit verbreitet: „Da gibt es auch oft Missbrauchsfälle“, erklärt Norbert Enkling. Gerade in der sensiblen Mundhöhle würden oft Erinnerungen an traumatische Erfahrungen wach. Ein positives Therapieergebnis wirke sich gegenseitig aus, gibt er an: „Wo wir dann auch über die Zähne hinweg helfen können“, freut er sich.

Schwieriger Weg zur Behandlung auch bei der Praxis in Kreuztal

Der Weg in die Praxis erfordere jedoch zunächst eine immense Kraftaufwendung für die Betroffenen. Teilweise brauche es mehrere Versuche, bis der erste Schritt in die Praxis gewagt werde, berichtet auch Sabine Werth. Sie arbeitet am Empfang der Praxis und ist damit die erste Ansprechperson für die Patienten und Patientinnen.

In der Eichenklinik in Kreuztal gibt es auch Raum für Gespräche außerhalb des Behandlungszimmers.
In der Eichenklinik in Kreuztal gibt es auch Raum für Gespräche außerhalb des Behandlungszimmers. © WP | Antonia Flieder

Es sei oft schwierig, über die eigene Angst zu reden, erklärt Norbert Enkling. Daher werde diese vor einer Behandlung mithilfe des allgemeinmedizinischen Anamnesebogens abgefragt: „Es ist oft einfacher ein Kreuzchen zu setzen mit ,ja‘.“ Weitere Details zur Angst würden durch einen weiteren Fragebogen abgefragt, um einen ersten Überblick über die Stärke der Angst zu erhalten. Aber auch der Beginn der Angst, eine mögliche Verbindung zu anderen Erkrankungen und die psychotherapeutische Vorerfahrung werden darin thematisiert. Auch der Bericht zum Anlass der Entstehung der Angst sei für die Behandlung relevant. Zwar entspreche die Erinnerung der Betroffenen nicht immer haargenau der Realität, „aber es ist wichtig, was sie denken“, erklärt Norbert Enkling.

Kreuztaler Praxis: Behandlung der Angst

„Man muss aufpassen, dass man sie nicht überlastet“, betont er. Die Kraft, überhaupt in die Praxis zu gehen, müsse genutzt und dürfe nicht von zu vielen Behandlungen ausgebremst werden, erklärt er: „Es ist für alle natürlich herausfordernd.“ Aber es gehe vor allem darum, die Angst zu nehmen und eine langfristige Behandlung zu ermöglichen. Daher werde im Normalfall auch nicht unter Vollnarkose behandelt: „Da kann man zwar behandeln, aber die Angst geht nicht weg“, gibt Norbert Enkling an.

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Über die Uni Siegen hat er Kontakt zum Diplom-Psychologen Reinhard Semmerling, der die psychologische Betreuung der Patienten und Patientinnen der Eichenklinik übernimmt und ihnen in drei Sitzungen hilft, mit ihrer Angst umzugehen. Aber auch im Behandlungszimmer selbst werde sehr auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingegangen. Es müsse das Gefühl vermittelt werden, dass die Angst gemeinsam bewältigt werden kann, erklärt Norbert Enkling: „Die Patienten sollen die Kontrolle spüren.“