Siegen. Grünwerke Düsseldorf und Waldgenossen Eiserfeld wollen mit vier riesigen Windrädern auf der Kreuzeiche sauberen Strom für Siegen produzieren.
Am Pfannenberg passt einfach alles. Die Parameter stimmen, Siegens erstem Windpark steht im Grunde nichts mehr im Wege. Noch im Herbst wollen die Grünwerke, Tochterunternehmen der Düsseldorfer Stadtwerke, spezialisiert auf Erneuerbare Energie, beim Kreis die Genehmigung für die Kreuzeiche beantragen, damit ab 2025 vier Windenergieanlagen auf Flächen der Waldgenossenschaft Eiserfeld sauberen Strom für zehntausende Siegener liefern. Das Unternehmen gibt sich erkennbar Mühe, die Menschen vor Ort mitzunehmen, das wird beim Bürger-Infopark in der Siegerlandhalle deutlich – und auch die deutlich gestiegene Akzeptanz von Windrädern vor der Haustür.
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„Vor fünf Jahren wäre das noch anders gewesen“, sagt der Eiserfelder SPD-Stadtverordnete Joachim Pfeifer, während er die Visualisierungen betrachtet. Mit Hilfe einer App haben die Grünwerke simuliert, wie es von verschiedenen Stellen aus wirken wird, wenn da ein Windrad steht. Oder mehrere. Ergebnis: Reichlich unspektakulär. Er liebe die Natur und das Wandern, fahre seit Jahren in den Schwarzwald in den Urlaub, erzählt der Eiserfelder Waldvorsteher Klaus Runkel: „Sie wirken nicht mehr störend. Die Akzeptanz ist einfach da.“ Selbst im bislang weitgehend windradfreien Siegen. „Wir sind froh, mit den Grünwerken einen verlässlichen Partner gefunden zu haben.“
Der Kontakt kam schon vor Jahren zustande: Die Stadt Siegen versuchte es ab 2012 mit der Planung von Windkraft-Konzentrationszonen, die dann wie in so vielen Kommunen irgendwann stecken blieb. Dabei wurde aber auch der Bereich Pfannenberg als vielversprechende Potenzialfläche in den Fokus genommen und die 2010 gegründeten Grünwerke sind stetig und bundesweit auf der Suche nach Projekten, um Energie aus Wind, Sonne, Wasser, Biomasse zu gewinnen, so Prokurist Frank Thesen.
Auch die Stadt Siegen profitiert finanziell vom Windpark – ohne Gegenleistung
An mehreren Themen-Inseln erläutern die Grünwerke alle möglichen Aspekte, die zu so einem Windpark gehören. Technische Daten, Genehmigungsverfahren und auch Wertschöpfung vor Ort. Mit diesem Format habe man gute Erfahrungen gemacht, sagt Projektleiter Stefan Otto und bei einer doch landschaftsprägenden Baumaßnahme in einer Großstadt wie Siegen sei Transparenz ein wichtiges Anliegen für das Unternehmen, das in der dicht besiedelten Landeshauptstadt selbst kaum Flächen für Erneuerbare Energien findet.
Das Unternehmen hat die Grundstücke – ein Bruchteil der Flächen, die der Waldgenossenschaft Eiserfeld gehören – für 30 Jahre gepachtet; Geld fließt darüber hinaus im Betrieb sowohl an alle Kommunen im näheren Umkreis – und auch an die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie wollen. Neben Siegen profitieren Neunkirchen, Mudersbach, Brachbach und Herdorf mit 0,2 Cent je auf dem Pfannenberg erzeugter Kilowattstunde, ohne Gegenleistung. Bei 60 Gigawattstunden jährlich sind das insgesamt rund 120.000 Euro – immerhin. Privatleute können über ein sogenanntes „Nachrangdarlehen“ mitverdienen: Geldbetrag fest anlegen, am Ende der Laufzeit plus Zinsen zurückbekommen. Entsprechend fällt das Interesse gerade an diesem Aspekt in der Siegerlandhalle aus.
Pfannenberg: Auf Siegens höchster Erhebung weht genug Wind
Warum aber ist der Pfannenberg so geeignet? Zunächst einmal weht auf Siegens höchster Erhebung – 499 Meter – genug Wind, das haben die Grünwerke seit etwa einem Jahr mit einem speziellen Verfahren gemessen. In 160 Metern Höhe, wo sich später der Windrad-Rotor dreht. Je höher, desto stärker der Wind. Und je größer die Windenergieanlagen, desto leistungsfähiger. Der Wind kommt hier überwiegend aus Süd bis Ost – keine vorgelagerten Gebirgszüge, die das abschwächen, „so hoch ist der Westerwald nicht“, sagt Stefan Otto.
Auf dem Pfannenberg werde kein Schutzgut verletzt, berichtet Prokurist Thesen: Der Eingriff in die Natur sei minimal, auch wenn Naturschützer Hinweise auf eine vom Aussterben bedrohte Unterart des Haselhuhns gefunden haben wollen, was die von den Grünwerken beauftragten Biologen klar zurückweisen. Man habe keine Bruthorste sensibler Arten gefunden – es stehen ja auch kaum noch Bäume in dem Gebiet.
Gebaut werden die vier Anlagen alle auf Kalamitätsflächen. Für den Antransport per Schwerlast-Lkw werden bestehende Wege ab der Landstraße im Bereich Schränke genutzt und wo nötig ertüchtigt. Ohnehin, sagt Stefan Otto, seien die Wirtschaftswege hier umfassend für den Abtransport des Kalamitätsholzes genutzt worden, „die sind schon gut ausgebaut“. Gut 5,5 Hektar Fläche werden so versiegelt und dauerhaft freigehalten – auch für den Kranausleger, für Wartung und Reparatur. Da das „ehemaliger Wald“ ist, der wieder gepflanzt werden könnte, wird der Verlust andernorts durch Aufforstung ausgeglichen.
Schall und Schatten durch Windräder in Siegen: Anlagen mit Abschaltmodulen
Die Bevölkerung ist durch die ablegenenen Standort ebenfalls nur wenig betroffen. Bis auf den Kaiserschacht werden 1000 Meter Mindestabstand deutlich übertroffen. Bei Schall und Schattenwurf gibt es genaue Vorgaben, wie viele Minuten am Tag, wie viele Stunden im Jahr, wie viel Dezibel maximal die Wohnbebauung erreichen dürfen. Damit die Grenzwerte auch wirklich nicht überschritten wird, verfügen die Anlagen über Abschaltmodule und Sensoren. Die Grünwerke sind hier von den für sie ungünstigsten Bedingungen ausgegangen – aber im Winterhalbjahr, wenn die Sonne tief steht und die Rotoren lange Schatten werfen, „gibt es auch immer sehr viel Wolken“, sagt Gutachter Titus Foellmer.
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Frank Thesen geht davon aus, dass der hier erzeugte Strom überwiegend vor Ort verbraucht wird – als Großstadt und Industriestandort sei eine Überlast im regionalen Netz wenig wahrscheinlich. Und weil der Bereich so geeignet ist, möchten die Grünwerke auch jenseits der kommunalen Grenze aktiv werden: Mit Waldgenossen, Verwaltung und Politik in Neunkirchen habe es bereits erste Gespräche für weitere Windparks gegeben.