Burbach/Siegen/Leipzig . Burbach-Prozess um misshandelte Geflüchtete und kein Ende: Der Bundesgerichtshof bestätigt ein Siegener Urteil.
„Burbach“ ist noch nicht vorbei. In diesen Tagen hat der Bundesgerichtshof eines der Urteile bestätigt, das das Landgericht Siegen gegen Angeklagte gefällt hat, die Geflüchtete misshandelt haben.
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Seit 2018 Prozess gegen 38 Angeklagte
Der Skandal hat ganz Deutschland aufgeregt: In der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, die das Land NRW seit 2013 auf dem Gelände der Siegerlandkaserne in Burbach betrieb, Geflüchtete misshandelt. Fotos und Videos aus dem „Problemzimmer“ drangen im September 2014 an die Öffentlichkeit: unter anderem ein Wachmann mit dem Fuß im Nacken eines auf dem Boden liegenden Bewohners. Ab 2018 wurden die Anklagen gegen 38 in der überbelegten Unterkunft beschäftigte Personen vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Siegen verhandelt – 34.000 Seiten stark sollen die Ermittlungsakten gewesen sein, die die Staatsanwaltschaft schließlich zur Anklageerhebung geführt haben.
Der Prozess wurde wegen der Vielzahl der Beteiligten im Hüttensaal der Siegerlandhalle geführt. Erst die letzten der insgesamt 73 Verhandlungstage wurden im Gebäude des Landgerichts selbst anberaumt – im Laufe der Zeit wurden immer weniger Plätze gebraucht, weil Verfahren abgetrennt oder eingestellt worden waren. Es gab eine Reihe von Freisprüchen, überwiegend Geldstrafen und eine 15-monatige Freiheitsstrafe, die gegen den Heimleiter verhängt und zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Geldstrafen und eine Bewährungs-Haftstrafe
Die Urteile waren mild: Die meisten Angeklagten waren geständig und nicht vorbestraft, sie waren für ihren Einsatz in der Unterkunft nicht geschult, die Taten lagen lange zurück. Ins „Problemzimmer“ eingesperrt wurden Bewohner, weil sie geraucht oder Alkohol getrunken hatten, teilweise gab es aber auch körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern. Strafverschärfend wurde gesehen, dass die Geflüchteten in Burbach weiter traumatisiert wurden.
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Auch die letzten vier Urteile waren wenig spektakulär: 2800 Euro Geldstrafe wegen Freiheitsberaubung, 3400 Euro Geldstrafe wegen Freiheitsberaubung, 3500 Euro Geldstrafe wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung gegen ehemalige Wachleute – und 900 Euro wegen Freiheitsberaubung in fünf Fällen gegen einen ehemaligen Sozialbetreuer. Letzterer beantragte Revision beim Bundesgerichtshof, die nun zurückgewiesen wurde.
Das Landgericht Siegen habe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten begangen, stellt der Bundesgerichtshof fest. Detailliert setzt sich der vierte Strafsenat mit drei Fällen auseinander, in denen der Sozialbetreuer wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen verurteilt worden war.
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Bundesgerichtshof: Sozialbetreuer hat andere Täter bestärkt
Aus der Begründung des Bundesgerichtshofs: „Auch der Angeklagte ordnete – jeweils nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten – persönlich die Verbringung von Bewohnern in das ‘Problemzimmer’ an. Im Einzelnen kam es jedenfalls im Januar und im Juni 2014 dazu, dass ein Bewohner auf Weisung des Angeklagten durch Wachleute in das Zimmer gebracht wurde, wo er mehrere Stunden eingesperrt blieb. Im Juni 2014 war der Angeklagte an drei Tagen als Sozialbetreuer in der Frühschicht tätig. Obwohl er bei Schichtbeginn erfahren hatte, dass sich jeweils ein Bewohner eingesperrt in dem ‘Problemzimmer’ befand, unterließ er es, diesen umgehend zu befreien, und ordnete die Freilassung jeweils erst nach mehreren Stunden an.“
Das Landgericht habe eine „Garantenstellung“ des Sozialbetreuers angenommen. Er habe das Einsperren „im Interesse der Erleichterung seines Arbeitsalltags“ hingenommen und „in mindestens einem Fall“ auch selbst angeordnet. „Dieses seinerseits pflichtwidrige vorangegangene Tun bestärkte die anderen an der Praxis beteiligten Beschäftigten in ihrem Vorgehen und erhöhte so die Gefahr für das Rechtsgut der Freiheit der Bewohner.“ Pflicht des Sozialbetreuers wäre es gewesen, das Einsperren der Bewohner zu verhindern.
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Letztes Verfahren 2022 eingestellt
Acht Verfahren, die abgetrennt worden waren, blieben auch nach Abschluss des Großverfahrens noch offen – Zeugen waren nicht auffindbar oder im Ausland. Das allerletzte wurde im August 2022 in Siegen zu Ende geführt: Ein ehemaliger Wachmann, dem die Anreise aus Görlitz in den vorangegangenen Jahren nur selten gelang, sollte sich nun verantworten. Das Verfahren wurde schnell eingestellt: Die Strafe, die er in Siegen zu erwarten gehabt hätte, wäre hinter den anderen Strafen, zu denen er bereits in anderen Verfahren verurteilt worden war, untergegangen.
Die Erstaufnahmeeinrichtung in Burbach, die zuletzt vom DRK-Landesverband bewirtschaftet wurde, wurde im Juni 2017 geschlossen. 80 Bewohner waren zu diesem Zeitpunkt dort noch untergebracht. Die Einrichtung war für bis zu 500 Personen vorgesehen.
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