Siegen/Burbach. Nach mehr als drei Jahren geht das Burbach-Hauptverfahren vor, Landgericht Siegen mit vier Urteilen zu Ende. Was die Kammer entschieden hat:

Der Prozess um misshandelte Flüchtlinge in der Notunterkunft in Burbach geht am Mittwoch, 7. Juli, zu Ende: Die Urteile gegen noch vier verbleibende Angeklagte im Hauptverfahren wurden gesprochen.

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Die Kammer hat einen Angeklagten wegen Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt und in den anderen Anklagepunkten freigesprochen. Ein weiterer Mann wurde ebenfalls wegen Freiheitsberaubung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 85 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt und auch hier im Übrigen freigesprochen. Wegen Freiheitsberaubung in fünf Fällen wurde der dritte verbliebene Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt, der Vierte wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 Euro.

Landgericht Siegen verurteilt vier Angeklagte zu Geldstrafen wegen Freiheitsberaubung

Die Kammer hat dabei festgestellt, dass es insgesamt zu neun Vorfällen in der Flüchtlingsunterkunft gekommen ist, bei denen die Angeklagten Bewohner der Unterkunft in sogenannte „Problemzimmer“ eingeschlossen haben. Zugrunde lagen Fehlverhalten der Bewohner, wie etwa unerlaubtes Rauchen in der Unterkunft, der Konsum von Alkohol und Drogen sowie teilweise auch körperliche Auseinandersetzungen der Bewohner untereinander, denen die Angeklagten, die in dem Umgang mit den Flüchtlingen und der für sie schwierigen Situation in der Unterkunft mit teilweise auch psychisch erkrankten Bewohnern nicht geschult waren, auf diese Weise begegnen wollten.

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Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass diese sich grundsätzlich geständig eingelassen haben und überwiegend auch nicht vorbestraft waren. Bei einem Angeklagten lag eine Vorstrafe viele Jahre zurück und war nicht einschlägig. Die Kammer hat weiter gesehen, dass die Taten längere Zeit zurück lagen. Sie hat die Dauer des Prozesses und die glaubhafte Reue der Angeklagten gewürdigt sowie den Umstand, dass diese in die Situation in der Unterkunft „hineingeschlittert“ seien. Strafschärfend hat die Kammer berücksichtigt, dass die Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen wollten, durch das Verhalten der Angeklagten weiter traumatisiert worden seien.

Ursprünglich waren 38 Personen angeklagt worden. Aufgrund der großen Zahl – neben den Beschuldigten auch ihre Anwälte – fand das Verfahren von Beginn an im Hüttensaal der Siegerlandhalle statt. Prozessbeginn war nach umfangreichen Ermittlungen der Siegener Justizbehörden im Herbst 2018; im Laufe der Zeit wurden einige Personen freigesprochen, andere verurteilt.

Abgetrennte Verfahren im Burbach-Prozess stehen noch aus

Vollständig juristisch aufgearbeitet werden die Vorgänge in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Burbach auf dem Gelände der früheren Siegerlandkaserne auch mit den vier Urteilen im Hauptverfahren nicht sein: Es stehen noch acht abgetrennte Verfahren aus. Nicht nur die Ermittlungen, auch das Verfahren selbst gestaltete sich höchst komplex; auch, weil Zeugen teilweise nicht auffindbar waren oder sich inzwischen in anderen Ländern aufhalten.

In der vom Land NRW betriebenen Unterkunft sollen Mitarbeiter Geflüchtete über Monate hinweg bis September 2014 eingesperrt (etwa in ein sogenanntes „Problemzimmer“) und misshandelt haben.

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