Siegen-Wittgenstein. Das Pestel-Institut rechnet vor: Um in Siegen-Wittgenstein bauen zu können, braucht man mindestens 5000 Euro monatliches Nettoeinkommen.
Schlechte Chancen auf ein Wohnen in den eigenen vier Wänden: Vom Einfamilienhaus über das Reihenhaus bis zur Eigentumswohnung – im Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es rund 74.500 Wohnungen, für die keine Miete bezahlt werden muss. Denn ihre Eigentümer nutzen sie selbst. Die Wohneigentumsquote im Kreis Siegen-Wittgenstein liegt damit bei rund 55,1 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt hervor, die das Pestel-Institut (Hannover) gemacht hat.
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Warum der Traum vom Eigenheim platzt
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es nach Angaben des Pestel-Instituts im gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein lediglich 66 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser, im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 111. „Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um 41 Prozent zurückgegangen“, sagt Institutsleiter Matthias Günther.
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„Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Kreis Siegen-Wittgenstein quasi in eine Schockstarre verfallen“, sagt Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Wohnungsmarkt-Untersuchung beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat. „Hohe Zinsen, hohe Baulandpreise, hohe Baukosten, die vor allem auch durch hohe Klimaschutz-Auflagen nach oben getrieben werden: Wohneigentum scheitert am Geld“, so Katharina Metzger.
Wer sich eigene vier Wände leisten kann
Das Pestel-Institut hat in seiner Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt auch einen „Machbarkeits-Check Wohneigentum“ für den Kreis Siegen-Wittgenstein gemacht. Hierbei haben die Wissenschaftler den Fokus auf den Neubau eines Reihenhauses mit 95 Quadratmetern Wohnfläche gelegt – also auf das Zuhause für eine 4-köpfige Familie. Bei seinen Berechnungen zum Wohneigentum im Kreis Siegen-Wittgenstein hat das Pestel-Institut unterschiedliche Kriterien herangezogen. Entscheidende Faktoren waren dabei die Zinsen, die lokalen Baulandpreise sowie die aktuellen Baukosten. „Bei der Bewertung der Haushalte, die sich einen Reihenhaus-Neubau leisten können, ist die Zahl der Verdiener nicht entscheidend. Es kommt nur auf die Höhe des Nettoeinkommens an. Dabei liegt die angesetzte Grenze der monatlichen Belastung für die Finanzierung von Wohneigentum bei 40 Prozent vom Haushaltseinkommen“, erläutert Matthias Günther.
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Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass für einen privaten Haushalt im Kreis Siegen-Wittgenstein die Grenze bei einem Nettoeinkommen von 5.000 Euro pro Monat liegt: „Wer ein Einkommen in dieser Höhe hat oder darüber liegt und außerdem noch über ein Eigenkapital von mindestens 38.000 Euro verfügt, der sollte sich den Neubau des eigenen Reihenhauses im Kreis Siegen-Wittgenstein leisten können. Wirklich viele sind das nicht. Für alle anderen Haushalte ist Wohneigentum nur machbar, wenn der Staat den Menschen dabei unter die Arme greift “, sagt Ökonom Matthias Günther.
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Wie der Hausbau wieder erschwinglich wird
Der Leiter des Pestel-Instituts nennt „Bauhilfen fürs Wohneigentum“, für die vor allem der Bund jetzt die Weichen stellen müsse: Bei einem Bundes-Baudarlehen mit einem 1,5-Prozent-Zins würde sich das notwendige Einkommen für den Neubau eines Reihenhauses im Kreis Siegen-Wittgenstein nach Berechnungen des Pestel-Instituts auf 3.100 Euro netto im Monat reduzieren. „Außerdem muss politisch dringend dafür gesorgt werden, dass überzogene Bauvorschriften abgeschafft und Klimaschutz-Auflagen bezahlbar bleiben, also wieder gezielt gefördert oder zurückgeschraubt werden“, so Wohnungsmarktforscher Günther.
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Das Pestel-Institut nimmt in seiner Untersuchung vor allem die 25- bis 40-Jährigen ins Visier: „Sie gehen beim Wohneigentum seit Jahren mehr oder weniger leer aus. Dabei wäre es dringend notwendig, gerade der Nestbauer-Generation wieder eine Chance auf die eigenen vier Wände zu geben. Denn das eigene Haus oder die eigene Wohnung ist eine wichtige Altersvorsorge. Altersarmut ist in erster Linie Mieterarmut – also Armut durch Miete“, so der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Es sei höchste Zeit für den Staat, „beim Wohnen politisch wieder in den ‚Eigentums-Modus‘ zu schalten“.
Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut sprechen sich in ihrer Untersuchung deshalb für ein „Bundes-Baustartkapital“ aus. „Wer heute neu bauen will, der braucht vor allem eines: günstiges Geld. Der Staat sollte den Menschen den festen Niedrigzins für 20 Jahre bieten – und das für einen Kredit in Höhe von bis zu 4.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche“, fordert Wohnungsmarktforscher Matthias Günther. Dadurch ließe sich der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern, von Eigentumswohnungen und Reihenhäusern auch im Kreis Siegen-Wittgenstein wieder pushen. „Mit der Garantie eines langfristig kalkulierbaren und günstigen Kredits würde der Bund den Menschen die Chance geben, zu ‚Neubau-Startups‘ zu werden“, so Günther.
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Um mehr Wohneigentum möglich zu machen, sei deshalb ein mehrere Milliarden Euro schweres Darlehenspaket des Bundes notwendig. Die bestehende, erst in diesem Jahr neu eingeführte Wohneigentumsförderung des Bundes erklärt das Pestel-Institut für gescheitert: Mit 350 Millionen Euro ließe sich bestenfalls der Neubau von 2.000 Eigenheimen anschieben. Das Ziel des Bundes sollte es aber sein, 100.000 neu gebaute Eigenheime pro Jahr zu schaffen. „Außerdem geht die aktuelle Wohneigentumsförderung völlig an der Lebensrealität vorbei: Wer sie in Anspruch nimmt, braucht ein niedriges Einkommen. Er muss aber gleichzeitig genug Geld auf der hohen Kante haben, um sich bei hohen Grundstückspreisen und hohen Baukosten einen Neubau leisten zu können“, so Institutsleiter Matthias Günther.
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Warum die Industrie gegen „Super-Klimaschutz“ ist
„Ins Geld geht vor allem der Energiespar-Zwang. Hier muss der Bund einen Gang zurückzuschalten“, sagt die Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel, Katharina Metzger. Wer heute für sein Wohneigentum die Förderung vom Bund nutzen wolle, müsse nach dem „extrem ehrgeizigen Effizienz-Standard 40“ bauen. „Das ist aber auch extrem teuer. Also macht es kaum einer. Der Staat muss endlich davon wegkommen, nur ‚Super-Klimaschutzhäuser‘ zu fördern. Denn die hohen Standards machen das Bauen richtig teuer“, so Katharina Metzger. „Das Geld, das zusätzlich beim Neubau in den Klimaschutz gesteckt werden muss, holt auf Jahre hinweg keiner beim Energiesparen mehr heraus.“
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