Oberndorf. Der Wald verändert sich – es gibt jetzt Esskastanien in Siegen-Wittgenstein. Vor 20 Jahren wäre das für heimische Förster noch undenkbar gewesen.

Freiflächen, Windanlagen oder Renaturierungsmaßnahmen – das Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein hat alle Hände voll zu tun. Während eines Waldspaziergang auf der Oberndorfer Höhe stellten die Förster nun ihre aktuellsten Arbeitsprojekte vor – dabei wird schnell deutlich, dass weitreichende strukturelle Anpassungen im Fördersystem notwendig sind.

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Försterin Anna-Maria Hille zeigt gemeinsam mit dem Oberndorfer Waldvorsteher Matthias Weiß, was sich im Waldgebiet alles getan hat – bei einem Rundgang durch zwei Wiederbewaldungsbereiche erklären beide die Unterschiede zwischen geförderten und mit eigenen Mitteln angelegten Flächen. Zunächst geht es mitten durch einen geförderten Eichen-Kiefern-Mischwald sowie Eichen-Buchen-Mischwald – auch die Lärche, Kirsche und Elsbeere finden sich in den eingezäunten Bereichen wieder.

Siegen-Wittgenstein: Wiederbewaldung nach Borkenkäfer und Dürre

Der Anbau der fast 1,5 Hektar großen Fläche wird zwar mit bis zu 10.200 Euro pro Hektar gefördert. Im Gegenzug gibt es jedoch viele Grundbedingungen, die dauerhaft nur schwer umsetzbar sind. So darf die Wiederbewaldungsfläche nur mit Baumarten ausgestattet werden, die auch im Förderprogramm des Landes angegeben sind – mindestens 35 Prozent der Fläche müssen aus Laubholz bestehen –, auch die Ausbreitung von lokalen Baumarten wie der Fichte muss ab einem bestimmten Anteil bekämpft werden. Zusätzlich haben die Förster bei der höchsten Förderstufe gleich mehrere Baumarten gleichzeitig anzupflanzen. „Die Bedingung der Förderung ist es, vier Arten zu haben“, erklärt Matthias Weiß.

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Trotz der im Vergleich zu anderen Förderprogrammen hohen Summe rechnet sich die Maßnahme nicht. „Das hier ist eine ganz schwierige anspruchsvolle Geschichte. Das wird uns noch viele Euros kosten“, so der Waldvorsteher weiter. In vielen Fällen verzichteten die Waldbesitzer daher auf die Inanspruchnahme von Fördermitteln.

Wald in Siegen-Wittgenstein: Pflege der Kulturen erfordert viel Know-how

Auch bei nicht geförderten Flächen gibt es einiges zu beachten. „Es gibt keine Baumart, die keine Schädlinge oder Fressfeinde hat“, verdeutlicht Anna-Maria Hille. Ohne regelmäßige Pflege der Kulturen sei ein zielgerichteter Waldbau undenkbar. Dementsprechend viel Herzblut legen die Förster und Försterinnen in die Betreuung der Waldflächen. Während des Rundgangs stellen die beiden eine vor zwei Jahren angebaute Freifläche, bei der unter anderem Esskastanien angebaut wurden, vor. Inzwischen haben die Bäume rund um ihre Netzhüllen eine beachtliche Größe erreicht. Die neuen klimatischen Verhältnisse machten den Anbau der Baumart im Siegerländer Wald erst möglich.

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Der Waldvorsteher Matthias Weiß nimmt es mit Humor: „Vor 20 Jahren hätten uns mein Vorgänger oder mein Vater wahrscheinlich eine Zwangsjacke angezogen.“ In den vergangenen Jahren seien durch Unwetter und Schädlingsbefalle viele Freiflächen entstanden. Obwohl 160.000 Hektar allein in NRW wiederbewaldet werden müssten, seien aktuell nur 3.000 staatlich gefördert. Oftmals lohne es sich mehr, die Bepflanzung bestimmter Waldflächen aus eigener Tasche zu finanzieren – ganz ohne Förderung seien hier jedoch Grenzen gesetzt, verdeutlicht Matthias Weiß.

Siegen-Wittgenstein: Aufwendige Verfahren für Genehmigung von Windkraftanlagen

Auch beim Bau von Windkraftanlagen hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Insgesamt 70 Windkraftanlagen befinden sich in Siegen-Wittgenstein aktuell im sogenannten BImSch-Verfahren (Bundesimmissionsschutz-Verfahren) und damit im Genehmigungsprozess. Die Forstbehörde muss in allen Fällen Stellung nehmen. Dabei ist das Regionalforstamt ausschließlich für die Regelungen bezüglich der Waldumwandlungsgenehmigung zuständig – also der Inanspruchnahme von Waldflächen für den Bau von Windkraftanlagen. „Da die Anlagen im Wald sind, könnte man denken, dass wir den Bau der Anlagen genehmigen, das ist aber tatsächlich nicht der Fall“, betont Dr. Fabian Schwaiger, der im Forstamt für die Stellungnahmen zuständig ist. „Im Grunde bin ich für die Umsetzung und Einhaltung des Forstgesetzes zuständig“, erklärt er. Im Endeffekt kümmert sich der Förster nur um den Umwandlungsprozess und stellt fest, ob dieser auf den jeweiligen Flächen möglich ist – dabei richtet er sich nach den aktuellen rechtlichen Grundlagen. Darunter fallen etwa das Windenergieerlass-Gesetz, das Wind-an-Land-Gesetz, weitere Instrumente der Raumordnung sowie das Erneuerbare Energien Gesetz. Aufgrund dieser Vorgaben ist der Handlungsspielraum für Förster sehr gering.

Dr. Fabian Schwaiger vom Regionalforstamt stellt die Entwicklungen bei der Windanlagen-Genehmigung im Wald vor.
Dr. Fabian Schwaiger vom Regionalforstamt stellt die Entwicklungen bei der Windanlagen-Genehmigung im Wald vor. © Daniel Engeland

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Die meisten geplanten Standorte befinden sich auf aktuellen Schadflächen und sind somit für die Nutzungsänderung von Wald zu Windkraft geeignet. Pro Anlage fällt ungefähr eine dauerhafte Waldumwandlungsfläche von 0,6 Hektar an. Für die verloren gehende Waldfläche ist ein Ausgleich zu erbringen. Nach der Fertigstellung der Anlage ist es dann am Forstamt, für eine geregelte Kompensation zu sorgen und die Aufforstung voranzutreiben. Im Hinblick auf die Herausforderungen des Klimawandels setzt sich Schwaiger dafür ein, dass die betroffenen Kalamitätsflächen dafür genutzt werden, um die Eichenbestände in Siegen-Wittgenstein zu erhöhen.

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