Weidenau. Die kleine „Bücherkiste“ in Weidenau bekommt den Deutschen Buchhandlungspreis: Weil sie seit fast 50 Jahren eine „hervorragende Buchhandlung“ ist
„Viele kommen einfach nur hierhin, um zu reden“, erzählt die Auszubildende Theresa Naschinski. Die „Bücherkiste“ gibt es seit fast 50 Jahren, sie liegt an der vielbefahrenen Bismarckstraße. Wenn sich die Tür schließt, ist kaum noch etwas vom Straßenlärm zu hören. Stattdessen steht man in einer Welt aus alten und neuen Büchern – eine entspannte Atmosphäre. In dem Laden geht es jedoch nicht nur ums Verkaufen: „Wir bieten den Raum auch an, um sich zu vernetzen“, berichtet Theresa Naschinski: „Ein Büchercafé ohne Konsumzwang.“
+++ Lesen Sie auch: Programm für Siegens 800-Jahr-Feier: „Lassen Sie´s krachen!“ +++
Siegener Buchhandlung als „Hervorragende Buchhandlung“ ausgezeichnet
Mit dem Deutschen Buchhandlungspreis hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth auch in diesem Jahr 118 unabhängige und inhabergeführte Buchhandlungen ausgezeichnet – darunter die Bücherkiste, die in der Kategorie „Hervorragende Buchhandlungen“ eine Prämie von 7000 Euro sowie ein Gütesiegel erhalten hat. Besonders für den Beitrag zur Demokratie will die Ministerin die Buchhandlungen würdigen: „Bücher vermitteln Wissen, unterschiedliche Lebenserfahrungen und die Vielfalt des Denkens. Diese Vielfalt ist der Markenkern unserer Demokratie und die Literatur ist ihre Verbündete. Doch erst die vielen Buchhändlerinnen und Buchhändler sind es, die der Literatur und dem Kulturgut Buch landauf, landab, in Städten wie ländlichen Räumen, eine Bühne bieten.“
+++ Auch interessant: Neuerungen bei Feuerwehr Hilchenbach: „Es läuft sehr gut“ +++
„Wir verkaufen hauptsächlich Bücher von unabhängigen Verlagen“, sagt Theresa Naschinski. Das sei bei größeren Buchhandlungen anders: „Die suchen ihre Bücher allein danach aus, wie viel die nachgefragt werden und wie viel Geld die einbringen.“ Das Team habe jedes Buch, das im Laden zu haben ist, gezielt ausgesucht.
Siegener Bücherkiste: Seit fast 50 Jahren geöffnet
Ganz ideal findet Theresa Naschinski den Auswahlprozess des Ministeriums allerdings nicht: „Tatsächlich muss man da hauptsächlich Zahlen nennen.“ Lediglich Schwerpunktsetzungen könnten dadurch ersichtlich werden: „Wir können in Zahlen nicht so gut ausdrücken, was hier passiert“, erläutert sie. Nur ein kleines Feld hätten sie mit Bemerkungen füllen können – offensichtlich recht erfolgreich.
+++ Lesen Sie auch: Neuer Tristan-Irle-Krimi „Der Heimatverein“: Etwa Achenbach? +++
Doch der Buchhändlerpreis ist nicht das Einzige, das die Buchhandlung in der nächsten Zeit zu feiern hat: 2024 steht das Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen der Bücherkiste an. Dazu ist ein Sammelband geplant, in dem Erinnerungen an die Geschichte des linken Buchladens festgehalten werden sollen. „Wir wollen Beiträge sammeln von Menschen, die vielleicht auch schon seit 50 Jahren dabei sind“, erklärt Theresa Naschinski.
Lernen und arbeiten in der Siegener Buchhandlung
Sie selbst hat von der traditionsreichen Geschichte des Buchladens allerdings noch nicht so viel mitbekommen: Ihre Ausbildung hat die 24-Jährige erst im Mai angefangen. Sie hat sich bewusst für dieses Geschäft entschieden: „Es verbindet sich hier einfach sehr vieles, was ich machen wollte: Lernen, mit Menschen zusammen sein, über aktuelle Themen reden, politisch aktiv sein.“ Neben ihrer Arbeit in der „Bücherkiste“ beendet sie ihr Masterstudium der pluralen Ökonomie an der Uni Siegen. „Das passt auch zu dem Laden“, sagt sie. Denn im Gegensatz zum gewöhnlichen BWL-Studium würde dort nicht nur die klassische Wirtschaftstheorie gelehrt.
+++ Lesen Sie auch: Missbrauch in Netphen: Mit „Churchwashing“ gegen Freikaufen +++
Angebote für breites Publikum
Neben der Größe und den Verdiensten des Buchladens werde bei dem Buchhandlungspreis auch die Leseförderung berücksichtigt, berichtet sie. Positiv bewertet worden seien die angebotenen Lesekreise zu Belletristik und zum Marxschen „Kapital“. Außer den Lesekreisen organisiert der Laden Büchertische und Lesungen. „Wir hatten eine schöne Lesung von Lisa Pychlau-Ezli zum Umgang mit Rassismus in Kinderbüchern. Das ist ja oft so, dass man den Kindern gerne die Bücher aus der eigenen Kindheit vorlesen möchte.“ Dabei würden oft rassistische Vorurteile repliziert.
Besonders in dem Laden sei auch das große Angebot an Büchern über Pädagogik und Soziale Arbeit. Sozialistische Fachschaftsgruppen hätten den Buchladen nach dem Motto „gesellschaftliche Veränderung durch Bildung“ gegründet, wie Theresa Naschinski schildert. In den Regalen finde man noch Bücher aus den 70er Jahren: „Wir schicken nichts zurück.“ Viele Bücher zu linken Strömungen und ein „Frauenregal“ mit viel queer-feministischer Literatur gibt es. „Darüber, wie Gesellschaft aussehen könnte“, sagt Theresa Naschinski. Die Haltung des kleinen Geschäfts sei, wie seit der Gründung des Ladens vor knapp 50 Jahren, „nicht-dogmatisch links“, betont sie. Das Publikum des Ladens bestehe jedoch nicht nur aus Linksorientierten: „Für viele ist es, weil es links ist, natürlich interessant, aber es verirren sich auch viele andere hierher.“ Auch die Altersklassen seien sehr gemischt, zu den Lesekreisen kämen beispielsweise Leute zwischen 20 und 70 Jahren. „Viele Menschen kommen, wenn sie in Rente sind, wieder zum Lesen“, so die Auszubildende.
Die Arbeit macht ihr Spaß: „Hier drin ist ein bisschen heile Welt“, findet sie: „Wie kann es einem auch nicht gutgehen in einem Buchladen?“