Netphen/Paderborn. Michael Schoppe, als Kind schwer vom Netphener Pfarrer missbraucht will mit „Churchwashing“ erreichen, dass Kirche das Leid der Opfer anerkennt.
Vom Erzbistum ist niemand dagewesen. „Nicht einer“, sagt Michael Schoppe. Gewundert hat ihn das nicht wirklich, aber enttäuscht schon. Der 55-Jährige, als Kind in Netphen schwer vom katholischen Pfarrer missbraucht, will nicht nur Geld. Er strebt zwar auf gerichtlichem Wege Schadenersatz und Schmerzensgeld an, wohl wissend, dass das die Narben auf seiner Seele kaum zu heilen vermag. Er will aber auch von der Kirche Verständnis, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Anerkennung seiner Qualen. Dafür demonstriert er an diesem regnerischen Montag vor dem Hohen Dom zu Paderborn.
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Geld hat für Michael Schoppe in diesem Zusammenhang immer etwas davon, sich gewissermaßen von Sünden freizukaufen. Irgendwie werde damit schon eine Art Schuld anerkannt, aber dann auch wieder der Mantel des Schweigens über etwas gebettet, das ganz offensichtlich System hatte. So sieht er das mit dem Missbrauch, dem Schweigen, dem Nicht-Anerkennen. Dafür hat er den Begriff „Churchwashing“ erfunden und sich schützen lassen, angelehnt an „Greenwashing“. Der kritische Begriff, übersetzbar vielleicht mit „sich ein grünes Mäntelchen umhängen“ zielt auf Unternehmen ab, die (falsche) Informationen verbreiten, um öffentlich als umweltfreundlich, nachhaltig dazustehen – ohne dass es stimmt.
Schoppe: Viele Missbrauchsopfer sehnen sich nach Reaktion der katholischen Kirche
Die Zeichnung, die Michael Schoppe für seinen Protest, seine Kampagne hat anfertigen lassen, greift das unumwunden auf: Ein Bischof badet vor dem Dom im Geld – die katholische Kirche versuche, mit Marketingmaßnahmen ihr Image aufzubessern, statt sich um die Opfer zu kümmern, wie es schon die christliche Nächstenliebe geböte. „Ich möchte eine neue Gesprächskultur etablieren“, sagt Michael Schoppe, nachdem er seine Ein-Mann-Protestaktion beendet hat. Super angekommen sei die, er sei mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, „das Thema rückt ins Bewusstsein der Menschen“.
Er möchte, dass die Kirche sich ihm und allen anderen Betroffenen gegenüber so verhält, wie es andere Institutionen oder Unternehmen auch tun. Insbesondere vor dem christlichen Hintergrund: Fehler anerkennen, Betroffene wahrnehmen, sich ihnen zuwenden. Seelsorge, so wie es Kirche sonst auch tut. Mit vielen anderen Opfern hat Michael Schoppe in all den Jahren Kontakt gehabt: Viele sehnten sich nach Aufarbeitung, nach versöhnenden Worten, Gesten von der Kirche, von deren Vertretern ihr Leid ausging.
„Kirchliche Kollateralschäden“: Angehörige der Opfer leiden ebenfalls
Das betreffe übrigens nicht nur die Missbrauchsopfer selbst, sagt Schoppe: Die Zahl der „kirchlichen Kollateralschäden“ sei noch weit größer – in den Familien der Betroffenen, in ihrem Umfeld, da werde schon gar nicht hingeschaut. Bislang zahlte das Erzbistum Paderborn eine mittlere fünfstellige Summe an Schoppe. Viel zu wenig, findet er, weshalb er klagt. Aber Ehepartnerinnen, Kinder von Betroffenen bekommen gar nichts dafür, dass sie ein Leben mit jemandem führen, dessen Leben durch Missbrauch verkorkst wurde. Und deren eigenes Leben dadurch ebenfalls verkorkst wurde.
„Und was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche?“, fragt Schoppe: Die Missbrauchsvorwürfe sind ja in der Welt, immer mehr, sie lassen sich kaum noch vertuschen oder reinwaschen, sagt er – und die Beschäftigten wüssten auch vielfach kaum, wie sie sich dazu verhalten sollen. Mit „Churchwashing“ möchte Michael Schoppe diese Themen ansprechen, Transparenz einfordern, Diskussionen einleiten. „Es ist ja nicht alles schlecht an Kirche“, betont er. Wenn es um Ehrlichkeit gehe, um Fehlerkultur, dann gehöre auch das dazu.
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Je breiter die Debatte geführt werde, desto eher könne „Churchwashing“ auch dazu dienen, Brücken zu bauen, glaubt Schoppe. Bisher, sagt er, gebe es wenig Inhaltliches zwischen dem Missbrauch und schönen Bildern, die die Kirche verbreite. Da will er hin; ins Dazwischen, wo Platz ist für Grautöne. Und eine Stiftung gründen, einen Großspender habe er schon, berichtet er: Die soll sich um die Betroffenen und ihre Familien kümmern. Bis es hoffentlich die Kirche tue.