Netphen/Paderborn. Ein Missbrauchsopfer in Polizeibegleitung an einem ihm zugewiesenen Ort: So möchte Michael Schoppe beim Libori-Fest in Paderborn nicht auftreten.

„Ich möchte niemandem das Libori-Fest kaputtmachen“, sagt Michael Schoppe. Die Menschen sollen feiern, die Gläubigen sich erfreuen – aber die Konfrontation mit der Kirchen-Obrigkeit im Erzbistum Paderborn: Die wollte er suchen. Mitten auf dem ältesten und einem der größten Kirchen- und Volksfeste Deutschlands.

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Schoppe wurde als Kind etwa 50 Mal von seinem damaligen katholischen Pfarrer in Netphen missbraucht. Er vertraute sich dem Geistlichen an, der nutzte das aus, mit fatalen Folgen, die Schoppe noch heute spürt. Der Täter ist tot und die Kirche, so erzählt es Michael Schoppe, hat eine Zahlung geleistet und seither kein Interesse an ihm, seinem Schicksal und anderen Menschen, die ähnliches erleiden mussten. Es gab das „Netpher Modell“ (wir berichteten), erstmals ging das Erzbistum mit einem Missbrauchsopfer, mit Michael Schoppe an die Öffentlichkeit, im Forum des Gymnasiums Netphen. Dieses Gesprächsformat, das auch auf andere Gemeinden übertragen werden sollte, schlief ein, sagt Michael Schoppe: „Schade. Der Dialog war kurz da.“

Er will einen neuen Dialog mit den Kirchenoberen, Anerkennung, Unterstützung

Diesen Dialog wollte er suchen – aktiv, vielleicht auch provokativ, aber nicht aggressiv. „Ich bin kein Klimakleber.“ Traditionell werden die Reliquien des heiligen Liborius in einem goldenen Schrein an diesem Sonntag, 23. Juli, mit einer feierlichen Prozession durch die Straßen der Domstadt getragen. Diesem Festzug wollte sich Michael Schoppe in den Weg stellen. Prozession, vom lateinischen Wort für „voranschreiten“, kann auch freier übersetzt werden mit „Weg“. Schoppe hoffte auf einen neuen Weg der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle: Nicht mehr er allein, sondern mit Unterstützung der Kirche. Auf einen neuen Dialog der Kirchenoberen mit den Betroffenen. Er wollte den Festzug nicht stoppen, sondern nur unterbrechen, konfrontieren, aufmerksam machen. Im Besten Fall: miteinander kommunizieren.

Paderborner Innenstadt rund um den Dom: Ab Samstag, 22. Juli, findet hier eines der größten Volks- und Kirchenfeste in Deutschland statt.
Paderborner Innenstadt rund um den Dom: Ab Samstag, 22. Juli, findet hier eines der größten Volks- und Kirchenfeste in Deutschland statt. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service (Archiv) | Hans Blossey

Daraus wird nun nichts. Auch andere Medien berichteten, in Paderborn wurde ein Bericht so aufgefasst, dass er eine Stör-Aktion im Dom selbst plane, von wo die Prozession ausgeht. Schoppe wies das umgehend zurück. Da ihm aber in der Folge laut seiner Aussage von den Behörden ein fester Platz inklusive Polizeibegleitung zugewiesen worden sei, trat er von seinem Ansinnen zurück. Was Schoppe sehr bedauert. Für das Leid der Betroffenen sei kein Platz ist in der öffentlichen Selbstdarstellung der Kirche, sagt er, „Churchwashing“ nennt Schoppe das, den Versuch der Reinwaschung von Sünden. Das Thema Missbrauch werde weiter versucht unter den Teppich zu kehren. „Die Lobbyisten der katholischen Kirche leisten da vollen Einsatz.“

„Wir Missbrauchsopfer wären ja alle nur Jammerlappen“, habe er zu hören bekommen

Man könne nichts mehr für ihn tun, sei ihm beschieden worden, es sei alles getan. Offenbar, sagt der 55-Jährige, wolle man sich nicht mehr mit ihm und anderen Missbrauchsopfern auseinandersetzen. „Was wollen sie noch?“ habe man ihm gesagt – der Täter sei doch tot, er habe sein Geld. „Wir Missbrauchsopfer wären ja alle nur Jammerlappen“, habe er zu hören bekommen, sagt Michael Schoppe. Er bezeichnet sich selbst als „Überlebenden des Missbrauchs der katholischen Kirche“. „Mein Leben geht den Bach runter und das interessiert die nicht.“ Das will er ihnen nicht durchgehen lassen.

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Gespräch nach dem „Netpher Modell“ über den Missbrauch durch den früheren Pfarrer in Netphen: Thomas Wendland, Michael Schoppe, Jutta Tacke, Heinrich Maiworm. Ute Bachmann (von rechts).
Gespräch nach dem „Netpher Modell“ über den Missbrauch durch den früheren Pfarrer in Netphen: Thomas Wendland, Michael Schoppe, Jutta Tacke, Heinrich Maiworm. Ute Bachmann (von rechts). © Steffen Schwab