Siegen. Bis zu 70 Prozent weniger Energie klingt gut, hat aber auch einen Preis. Und erstmal müsste das Projekt in Siegen durch die Förderbürokratie...
Mehr als 70 Prozent weniger Primärenergie: Wenn das Kulturhaus Lyz energetisch so saniert wird, wie die Kreisverwaltung sich das aktuell vorstellt, würden enorme Mengen Strom gespart. Allerdings kostet das alles auch ganz erheblich. Um einen solchen Energieeffizienzstandard zu erreichen, wären fast drei Millionen Euro für die Umbauarbeiten erforderlich.
Bei einer Gegenstimme hat sich der Bauausschuss des Kreistags dafür ausgesprochen, sich um Fördermittel der EU zu bewerben, die Umsetzung aber von der Höhe des Zuschusses abhängig zu machen. Wenn der zu gering ausfalle, werde auch das Bauprogramm reduziert, kündigte Michael Haßler, Leiter des Amtes für Immobilien, an.
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Beschlossen hatte der Kreistag bereits 2021 verschiedene energetische Maßnahmen: Oberste Geschossdecke und Dachgauben dämmen, Fenster austauschen, Heizung optimieren, Bürobeleuchtung erneuern. Seinerzeit wurden die Kosten dafür auf 910.000 Euro geschätzt. Inklusive Preissteigerung bei den Baukosten (rund ein Drittel) liegen sie heute bei 1,2 Millionen – und einen Effizienzhausstandard hätte das Lyz damit noch nicht erreicht. Den braucht es aber für eine Förderung aus dem „EFRE“-Topf, der sich aus Mitteln der EU und des Landes NRW speist: Der Energieverbrauch muss demnach mindestens um die Hälfte sinken und ein Gebäude wenigstens zu 60 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden.
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Um das zu erreichen, „sind weitere Maßnahmen in erheblichem Umfang erforderlich“, heißt es in der Verwaltungsvorlage, über die nun der Kreistag am Freitag 22. September, zu beschließen hat. Sinnvoll, ergänzend, in Summe gut 2 Millionen Euro teuer und weitgehend förderfähig seien demnach:
- Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Eisspeicher als Wärmequelle: Hybridsystem zur bestehenden Nahwärmeleitung aus dem benachbarten Kreishaus, wo zwei Erdgaskessel Wärme erzeugen. Die Wärmepumpe könnte 80 Prozent der jährlichen Heizlast tragen, das bestehende System in Spitzen dazugeschaltet werden. Kosten: 900.000 Euro.
- Neue Raumlufttechnik: Lüftungsanlagen mit angebundenen Kältemaschinen aus dem Jahr 1997 versorgen Schauplatz, kleines Theater, Foyer und Gastronomieräume. Sie sind demnach ineffizient und veraltet, verfügen über keine Wärmerückgewinnung. Neue Anlagen bräuchten Kälte – die könnte durch die Nutzung des Eisspeichers im Sommer kommen. Kosten: 800.000 Euro.
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- Photovoltaik-Anlage: 400 Module auf beiden Hauptdächern und Flachdach der Aula (insgesamt 767 Quadratmeter) würden 160 kWp Leistung liefern, die Lyz und Kreishaus wahrscheinlich komplett selbst verbrauchen würden. Bei 30 Cent pro Kilowattstunde könnten so jährlich 40.000 Euro an Stromkosten gespart werden, nach 7,5 Jahren wäre die Anlage amortisiert. Kosten: 300.000 Euro – nicht förderfähig, aber fürs Energiekonzept des Gebäudes unerlässlich.
- Beleuchtung: Leuchtstoffröhren in Fluren und Foyer des Lyz durch LED-Lampen ersetzen, zusätzlich zu den Büros. Kosten: 50.000 Euro.
Lyz-Sanierung: Das Vorhaben steht auf noch recht wackligen Füßen
Das Vorhaben steht auf noch recht wackligen Füßen und zeigt exemplarisch die Unwägbarkeiten der Förderbürokratie, bei der sich Staatsorgane bei übergeordneten Stellen um Geld bewerben müssen – und bei denen taktische Belange und Qualität der Anträge oft mindestens ebenso maßgeblich sind für den Erfolg wie der Sinngehalt des eigentlichen Vorhabens. Für Schlagzeilen sorgt hier beispielsweise öfter die ungarische Regierung, die es regelmäßig versteht, EU-Millionen für reichlich nutzlose Bauvorhaben ins Land zu lenken.
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Die Förderung für die Lyz-Ertüchtigung kann den Richtlinien zufolge bis zu 80 Prozent der Summe betragen – oder auch nur 30 Prozent. Bewilligen muss den Plan die Bezirksregierung Arnsberg; und nach welchen Kriterien sie zustimmt oder ablehnt, sei „bisher nicht transparent erkennbar“, heißt es von der Kreisverwaltung. Außer: Je schneller der Antrag eingeht, desto besser die Chancen („Windhundverfahren“). Es könne aber dennoch durchaus sein, dass das Vorhaben abgelehnt werde – denn das Lyz wird nicht nur für Kultur, Sport, Tourismus oder Soziales genutzt, sondern auch als Bürogebäude.
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Das beauftragte Büro habe „sehr lange gerechnet“, berichtete Amtsleiter Michael Haßler. Am Ende hätten „ein paar Prozent“ an der Energieeinsparung gefehlt, die Voraussetzung für die Förderung ist. „Da kam der Eisspeicher gerade passend.“ Dieter Born (SWM) nannte die Sanierung „unumgänglich“, und so sah es die Mehrzahl der Ausschussmitglieder auch. Nur Gerd Groß (WB) fand, dass der Kreis nicht um jeden Preis in das Rennen um Fördermittel einsteigen solle. Der allein fast eine Million Euro teure Eisspeicher jedenfalls sei jedenfalls „absoluter Wahnsinn“.
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