Netphen. Die Stadt Netphen setzt auf Risiko: Sie hofft, dass alle Ortsteile kostenlose Glasfaserhausanschlüsse bekommen.

Die Stadt Netphen vertraut weiter darauf, dass Telekommunikationsunternehmen alle Haushalte im Stadtgebiet auf eigene Rechnung mit einem Glasfaserhausanschluss versorgen. Die Alternative, für die so genannten „grauen Flecken“ auf der Breitband-Landkarte Fördermittel des Bundes zu beantragen, hat der Hauptausschuss mit großer Mehrheit bei einer Gegenstimme abgelehnt.

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Die Situation

Bis Ende vorigen Jahres konnte sich Netphen voll versorgt fühlen: Im Kernort Netphen legt die Telekom-Tochter Glasfaser Plus Hausanschlüsse, in allen anderen Ortsteilen Glasfaser Direkt. Das Unternehmen mit Sitz in Köln musste im Dezember nach Rückzug eines Investors Insolvenzantrag stellen. Neuer Mehrheitseigentümer ist die Firma CarMa networks GmbH aus Bremerhaven. Diese wiederum hält zunächst nur die von Glasfaser Direkt bereits abgeschlossenen Verträge ein: Das war in Eschenbach, Afholderbach, Sohlbach, Brauersdorf, Beienbach, Deuz, Grissenbach, Nenkersdorf, Walpersdorf, Salchendorf, Helgersdorf, Werthenbach, Irmgarteichen und Hainchen.

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In einem zweiten Schritt wollte Glasfaser Direkt eine „Vorvermarktung“ auch in Dreis-Tiefenbach, Eckmannshausen, Unglinghausen, Herzhausen, Frohnhausen und Oelgershausen beginnen. Machen 40 Prozent der Haushalte mit, würde auch dort gebaut. Dazu kam es aber nicht mehr. Ob Glasfaser Direkt dort wieder einsteigt, stehe noch nicht fest, sagt Katja Herrmann vom städtischen Liegenschaftsmanagement, bei dem das Breitband-Thema bearbeitet wird. Nicht ausgeschlossen sei aber auch, dass die übrigen Ortsteile „vielleicht auch ohne Vorvermarktung“ direkt versorgt werden.

Dritter Akteur in der Stadt ist Greenfiber. Das Unternehmen hat vom Kreis den Auftrag, die Adressen auf den „weißen Flecken“ zu versorgen – das sind die mit weniger als 30 Mbit pro Sekunde.

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Die Alternativen

Von insgesamt 7802 Adressen in Netphen sind noch 3108 „nicht gigabitfähig“, haben also weniger als 500 Mbit pro Sekunde Bandbreite und auch keinen Zugang zum Vodafone-Kabelnetz. Für sie hätte die Stadt einen Graue-Flecken-Förderantrag stellen können. Zu den Gesamtkosten von rund 25 Millionen Euro hätte der Eigenanteil der Stadt fünf Millionen Euro betragen. Ob diese Summe für 2024 überhaupt im Hauhalt eingeplant werden könne, will Alexandra Wunderlich (CDU) wissen. Dieser Betrag, sagt Kämmerer Christian Walde, sei im städtischen Haushalt „nicht darstellbar“.

Blick zu den Nachbargemeinden

Dem Wilnsdorfer Rat liegt eine Empfehlung der Gemeindeverwaltung vor, das Graue-Flecken-Programm in Anspruch zu nehmen. Dort könnten 1710 Adressen angeschlossen werden. Der Anteil der Gemeinde an den Gesamtkosten von 13,9 Millionen Euro beträgt 2,8 Millionen Euro. In Wilnsdorf ist bisher nur Glasfaser Plus in Anzhausen, Gernsdorf, Rudersdorf und Wilnsdorf unterwegs.

In Neunkirchen fehlen noch 132 Adressen, um das Gemeindegebiet flächendeckend zu versorgen. Diese „Grauen Flecken“ kosten rund eine Million Euro, der Anteil der Gemeinde beträgt 200.000 Euro.

Hilchenbach wird fast komplett von Westconnect und Glasfaser Plus bedient. Für Oechelhausen und Ruckersfeld gibt es noch keine Lösung.

Jörg Roth (fraktionslos) glaubt nicht, dass die Nachfrage für weitere Angebote ausreicht. In Unglinghausen, in dem die Stadt eigentlich Glasfaser Direkt sah, werde auch von Greenfiber akquiriert. Außerdem biete die Telekom an, ihre bisherigen 50-Mbit-Anschlüsse, die von den Verteilstationen mit dem altem Kupferkabel die Häuser erreichen, auf 100 Mbit aufzurüsten, „für das gleiche Geld“. Diesem „Wildwuchs“ stehe das Konzept von Greenfiber entgegen, in Netzgesellschaften gemeinsam mit der Kommune das ganze Stadtgebiet einheitlich auszustatten – eine Option, für die sich im Kreisgebiet Bad Berleburg, Burbach und Kreuztal entschieden habe.

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Klaus-Peter Wilhelm (UWG) berichtet über ein anderes Angebot, das die Telekom ihren Festnetzkunden gemacht habe: 300 Megabit pro Sekunde über 5-G-Mobilfunk für fünf Euro im Monat – „das ist kein schlechtes Angebot, dann manche ich das doch.“ Je mehr Kunden allerdings genauso entscheiden, desto kleiner wird die Zahl der Interessierten an einem Glasfaserhausanschluss – und desto uninteressanter das Gebiet für die Anbieter: „Glasfaser werden die Kunden dort nicht mehr bekommen.“

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Manfred Heinz (SPD) äußert die Sorge, dass die „-hausen“-Dörfer auch 2030 noch keine Glasfaser-Hausanschlüsse haben. „Wir müssen doch alle Ortschaften gleich versorgen.“ Glasfaser Direkt habe mit der Unterstützung durch den Bürgermeister persönlich geworben und so Hauseigentümer zum Unterschreiben animiert. „Wir sind missbraucht worden.“ Hinzu komme der Flurschaden, der mit der eiligen Kabelverlegung durch fremde Baufirmen angerichtet werde: „Die Gehwege sind de facto ruiniert.“

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