Siegen. Siegen hatte schon viele Bäder. Da wurde gespeist, geschröpft und abgeführt… Mit nackter Haut tat man sich allerdings schwer.

Dieser „Klick in die Vergangenheit“ des Siegener Stadtarchivs hat aktuellen Bezug: Während Siegen wartet, wann das Hallenbad in Weidenau abgerissen und vergrößert neu gebaut wird, und gespannt ist, ob das Stadtbad am Löhrtor – technisch – noch lange genug durchhält, hat Bibliotheksassistent Christian Brachthäuser das Stadtarchiv zur Geschichte des Bade- und Bäderwesens durchforstet.

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Anfänge

Zwei Badestuben gab es schon im 15. Jahrhundert in der Oberstadt, beide in der Barstewende zwischen Unterer Metzgerstraße und Kornmarkts, eine im Besitz der Kirche, eine im Besitz des Hospitals. „Damen und Herren trafen sich an festgesetzten Besuchstagen, um Informationen auszutauschen, Beratungen zu führen, Geschäfte zu vereinbaren, Streitereien zu schlichten oder Handelsverträge zu schließen, während man in einen Badezuber mit warmem Wasser eintauchen und sich an servierten Speisen und Getränken laben konnte“, schreibt Christian Brachthäuser. Wobei die Bader oder Badeknechte nicht nur Wannen - und Dampfbäder verabreichten, sondern auch Abführmittel in Klistieren. Auch zum Aderlass, zum Rasieren und Haareschneiden und zum Schröpfen war die Badestube die richtige Adresse.

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Erst am 13. Mai 1839 wird danach die Badekultur wieder Thema, diesmal wohl auch als Reaktion auf die Cholera-Epidemie. Im Weidenauer Ortsteil Fickenhütten eröffnet Tilmann Jakob Jüngst neben seiner Gaststätte am Hammergraben eine Badeanstalt.

Schwimmmeister Friedrich Sauer folgt am 11. Juni 1849: Er eröffnete auf der Hammerhütte eine Schwimm- und Badeanstalt an der Sieg. 1879 bemüht sich die Stadt Siegen erfolgreich um die Herrichtung eines öffentlichen Badeplatzes direkt neben Sauers Freibad. Das Umkleide- und Badehaus an der Sieg beschreibt Christian ­Brachthäuser als eine Art „Ponton“: eine schwimmende Plattform auf leeren Holzfässern mit separierten Badebassins für Damen, Kinder und Erwachsene. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Siegen schließlich eine ganze Reihe privat betriebener Badeanstalten.

Am 22. Juli 1882 eröffnet die Badeanstalt „Schneck & Comp.“ des Bäckermeisters Heinrich Schneck, des Seifenfabrikanten Wilhelm Fries und des Lederhändlers Friedrich Steinseifer. Außer dem Bassin gab es sechs Zellen mit Badewannen, Umkleidezellen, eine kalte und eine warme Brause.

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Am 16. Mai 1898 beschließt die Siegener Stadtverordnetenversammlung den Ankauf der Badeanstalt. Das Schwimmbassin ist bis zum 13. Juli 1901 geöffnet, die medizinischen Wannenbäder sogar noch bis zum 14. September 1901. Dann wird gebaut. Nach dem Umbau eröffnet die Stadt am 25. August 1902 ein repräsentatives Jugendstilbad. Christian Brachthäuser: „Messingarmaturen, Seitenfenster mit farbigen Glaseinsätzen, an die Decke gemalte Sinnsprüche, antik anmutende Wandmalereien, das Siegener Stadtwappen an der nördlichen Giebelseite und ein wasserspeiender Delfin am Beckenrand boten optische Reizpunkte. Galerien, moderne Umkleidekabinen mit Badvorhängen sowie Sitzbänke und eine Bodenheizung versprachen Komfort.“ Die Platten im Becken lassen das Wasser meergrün schimmern.

Klick in die Vergangenheit

In seinem „Klick in die Vergangenheit“ widmet sich das Stadtarchiv Siegen regelmäßig unterschiedlichen Episoden der städtischen Geschichte. Besondere Anlässe, historische Ereignisse, bislang unbekannte Aspekte oder bemerkenswerte Stücke aus den Archivbeständen sollen dabei präsentiert werden. Die Seite des Stadtarchivs ist auf www.siegen.de.

Zwischen den Kriegen

Im ersten Weltkrieg fehlt es an Brennstoff – und an Badegästen, weil die Männer im Krieg sind. Nur an zwei Tagen in der Woche kann das Hallenbad noch geöffnet werden. Im November und Dezember 1918 wird es Desinfektions- und Entlausungsstation für die heimkehrenden Soldaten. Christian Brachthäuser: „Vom früheren Glanz der Siegener Schwimmanstalt und ihrer Heilbäder war zu Beginn der Weimarer Zeit kaum noch etwas spürbar.“ Erst 1927 werden wieder Vorkriegs-Besucherzahlen erreicht, dank Renovierung und neuem Warmwasserboiler.

Auch die umliegenden Orte kommen auf den Geschmack, 1926 beantragt Kaan-Marienborn Geld für eine „Volksbadeanstalt“, damit die Jugendlichen nicht mehr in der Weiß baden müssen und die Heuernte stören – 1936 schließlich wird der Hüttenweiher von Achenbach & Söhnen „öffentliche Badegelegenheit“.

Den Weiher in Seelbach gibt es seit 1832, seit 1927 ist er offiziell Naturfreibad. Ebenfalls 1927 eröffnet ein Freibad in Weidenau: an der Siegstraße kurz vor der Dreis-Tiefenbacher Ortsgrenze.

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In Geisweid wird in einem Weiher im Sohlbachtal gebadet. 1907 berichtet ein Polizeibeamter, dass bei der Besichtigung des Badehäuschens an dem Weiher „sämtliche Badezellen offenstanden und das Innere derselben mehr einem Abort als Badezellen“ gleiche. 1925 wird der Neubau einer „Sommerbadeanstalt“ mit Licht- und Luftbad, Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, Brause- und Fußbädern und Turngeräten beschlossen. Eröffnet wird dann aber 1937 nur ein kleineres Schwimmbad der Geisweider Eisenwerke.

1927/28 wird das Siegener Stadtbad ein weiteres Mal renoviert – aufsteigender Wasserdampf hatte den Dachstuhl verfaulen lassen. Nun gibt es auch Duschbrausen und eine Heilbäderabteilung. Aufgegriffen wird die schon vor dem Krieg entstandene Idee, im Alchetal ein Freibad zu errichten – was nicht geschieht, weil ein hoher Bretterzaun zwecks Wahrung der Sittlichkeit vor dem Anblick nackter Körper hätte schützen müssen, ein solcher Zaun aber das Landschaftsbild beeinträchtige. Es wird dann, 1932, der Leimbacher Weiher.

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Nach dem zweiten Weltkrieg

Im zweiten Weltkrieg wird das Hallenbad zerstört, es wird 1947 wiedereröffnet. 1953 endlich eröffnet Geisweid sein Freibad an der Sohlbacher Straße, 1954 Kaan-Marienborn im Breitenbachtal. Weidenau muss sein Freibad an der Siegstraße 1953 aufgeben, „wegen baulicher und hygienischer Missstände“, wie Christian Brachthäuser berichtet. Zur Verleihung der Stadtrechte wird in Weidenau 1955 der Grundstein für ein Hallenbad gelegt, 1956 ist Eröffnung – besondere Attraktion ist die Milchbar mit Blick in die Schwimmhalle.

1963 beschließt der Siegener Rat den Neubau eines Hallenbades am Löhrtor, das am 15. Januar 1967 eröffnet wird. Das alte Stadtbad schließt Heiligabend 1966 für immer seine Tore.

Die letzte Bad-Neueröffnung findet am 15. November 1980 in Eiserfeld statt. Verwirklicht wird damit ein Vorhaben, das die noch selbstständige Stadt Eiserfeld sich schon 1967 vorgenommen hat.

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Und heute? Das Stadtbad am Löhrtor steht zur Schließung an, das Vorgänger-Hallenbad auf der Sieghütte ist abgerissen. Ebenfalls zum Abbruch an steht das Hallenbad in Weidenau, um als vergrößertes Kompaktbad neu errichtet zu werden. Eiserfeld hat die Debatte über eine Hallenbad-Schließung überstanden. Aber das ist nicht mehr Teil des „Klicks in die Vergangenheit“.

Parallel zu dem Online-Klick sind in einer Glasvitrine des Stadtarchivs im KrönchenCenter (3. Etage) historische Stücke ausgestellt. Der Eintritt ist während der Geschäftszeiten des Stadtarchivs (dienstags bis freitags von 10 bis 15 Uhr oder auf Terminanfrage) frei.

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