Kreuztal. Zu teure Kredite, zu lange Verfahren – es gibt viele Gründe, warum es in Kreuztaler eher weniger als mehr bezahlbare Mietwohnungen gibt.

Die Stadt Kreuztal soll ihr 2018 beschlossenes Wohnraumkonzept fortschreiben und Wohnungsbaugenossenschaften, Immobilienfachleute, Baufirmen, Behörden und Politik an einen Runden Tisch holen. Das hat der Infrastrukturausschuss auf Antrag der Grünen beschlossen. Sieben Gegenstimmen kamen von der SPD.

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Hohe Zinsen, wenig Rendite für Investoren

„Es muss unbedingt etwas passieren“, fordert Hubertus Brombach (Grüne): Die im Wohnraumkonzept favorisierten Standorte seien nach wie vor nicht bebaubar, „im sozialen Wohnungsbau gibt es gar keine Bewegung“ – im Gegenteil: Für einen Großteil der geförderten Wohnungen laufe in den nächsten Jahren die Mietpreisbindung aus. „Die Projekte ziehen sich leider in die Länge“, bedauert auch Jochen Schreiber (SPD). Das liege an der Finanzierung, die durch den Zinsanstieg teurer geworden sei. Aber auch anderen Widerständen: Am Kredenbacher Weinberg wollen sich Grundstückseigentümer nicht von möglichem Bauland trennen. Und beim Zimmerseifen in Ferndorf, wendet sich Schreiber an die Grünen, „sind Sie dazwischen gegangen.“ Die Grünen-Fraktion war dort für den Erhalt der landwirtschaftlich genutzten Fläche eingetreten.

Stadt Kreuztal bittet zum Wohnraumforum

Zweifel äußert Jochen Schreiber (SPD), dass ein Runder Tisch diese Situation verändern werde – zumal Ratsfraktionen und Wohnungswirtschaft ohnehin schon zu einem “Wohnraumforum“ im Oktober verabredet sind. „Die großen Player im Siegerland haben nicht mehr so ganz angemessene Renditeerwartungen. Im Ruhrgebiet klappt das ein bisschen besser.“ Bewegung könnte allenfalls städtisches Engagement beim Wohnungsbau bringen, „darüber muss man sicherlich noch mal reden.“ Wirtschaftlich werde das aber auch nicht sein. Harald Görnig (CDU) ist zwar auch nicht überzeugt: „Von mir aus können wir das aber gern machen. Ich weiß allerdings nicht, was es bringen soll.“ Neubauten seien kaum zu erwarten. Selbst die städtische Wohnungsbaugenossenschaft, die über Baugrundstücke verfüge, plane keine Bauvorhaben.

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„Reden kann man immer“, findet Frank Weber (FDP), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Wohnungsbaugenossenschaft, „aber auch durch einen runden Tisch wird nicht eine Wohnung mehr auf den Markt kommen.“ Eine Subventionierung des Wohnungsbaus mit städtischen Mitteln sei jedenfalls „nicht zielführend“. Die Ausweisung von Bauland sei tatsächlich „ein zähes Geschäft“, bestätigt Stadtbaurätin Christina Eckstein. Von einem besonderen Vorkaufsrecht könne die Stadt keinen Gebrauch machen, weil Kreuztal sich nicht zur Kommune mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ erklärt habe – was der Paragraf des Baugesetzbuchs voraussetzt. Die wiederholte Forderung nach einem Baulückenkataster mache vor allem Arbeit: „Damit ist nicht sichergestellt, dass Baulücken tatsächlich an den Mann oder an die Frau kommen.“ Dieter Gebauer (Grüne) drängt: „Wir müssen ein Signal setzen, dass wir uns tatsächlich mit dem Problem befassen.“ Sollten private Investoren weiterhin ausfallen, führe kein Weg an einer verstärkten Aktivität der städtischen Wohnungsbaugenossenschaft vorbei.

Buschhütten und Ferndorf

Hoffnungen verbindet die Stadt mit zwei großen Projekten: mit der Grünen Mitte Buschhütten, wo gerade ein Dorfplatz gebaut wird und daneben auf dem ehemaligen Sportplatz ein Wohnviertel auch mit Sozialwohnungen entstehen soll – ein Baubeginn ist aber noch nicht in Sicht. Und mit dem Bender-Areal in Ferndorf. Dort wird nun der Verband für Flächenrecycling (AAV) bis Jahresende einen Planungsauftrag für die Altlastensanierung vergeben, berichtet Tiefbauamtsleiter Roland Jarzina. Für die Planung selbst werde etwa ein halbes Jahr gebraucht, bevor Stadt und AAV dann den Vertrag über die Sanierung abschließen können. Die werde „definitiv nicht“ im Jahr 2024 erfolgen – was bedeutet, dass das neue Wohnviertel wohl frühestens ab 2026 gebaut werden kann.

„Eine Geschichte nahezu ohne Ende“, seufzt Ausschussvorsitzender Andreas Müller (SPD). Immerhin hat die Stadt ihren Teil des Geländes schon 2017 gekauft. „Erschütternd“ sei eine so lange Verfahrensdauer. „Wir brauchen dringend den Wohnraum“, bestätigt Harald Görnig (CDU). Nur würde der auch dann nicht entstehen, wenn schon Baurecht bestünde: „Kein Mensch kann sich das Bauen leisten. Deshalb brennt da auch nichts an, leider.“

Tiny Houses

In derselben Sitzung befasst sich der Ausschuss mit Tiny Houses. Von 20 städtischen Rest-Grundstücken, auf die ein normales Haus nicht mehr passt, erweisen sich derzeit drei als geeignet für die Mini-Wohnhäuser: am Ahornweg in Littfeld und im Bühlsgarten in Littfeld für je ein Haus und Auf der Hube in Buschhütten für bis zu drei Häuser: „Keine Ferienhäuser und auch keine Zweitwohnsitze“, betont Stadtbaurätin Christina Eckstein. Auch im Konzept für das Ferndorfer Bender-Gelände ist diese neue Wohnform vorgesehen.

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Da werde eher ein Lebensgefühl als Nachhaltigkeit verwirklicht oder gar ein Beitrag gegen Wohnraummangel geleistet, findet Frank Weber (FDP): Die Häuser seien „ökologische Dreckschleudern“ und noch nicht einmal barrierefrei, sie verschwendeten Flächen und seien auch nicht innovativ: „Die Schwiegermutter in den Garten zu holen, war noch nie ein Problem.“ Immerhin seien die Tiny Houses finanzierbar und daher für ältere Eigentümer geeignet, wendet Dieter Gebauer (Grüne) ein: „Mit fast 70 kriege ich kein Darlehen mehr für ein Einfamilienhaus.“ Stadtplanerin Petra Kramer nennt Preise von bis zu 100.000 Euro und rät von Verniedlichungen ab: „Da würde man sicher nicht von Hütten sprechen.“ Und einen Beitrag zur Wohnraumschaffung leisteten sie doch: Alt gewordene Paare oder Singles, die dort einziehen, machen womöglich ein für sie zu groß gewordenes Haus frei, das wieder von Familien genutzt werden kann.

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