Netphen. Die Kosten für die Erweiterung des Gymnasiums klettern auf 13,46 Millionen Euro. In den Ferien wird das Containerdorf aufgebaut.
Angefangen hat es mit vier Millionen Euro. Dieser Preis wurde 2019 genannt, als es zum ersten Mal um einen Erweiterungsbau für das Gymnasium ging. Bis 2022 wurden daraus 7,55 Millionen Euro – jetzt muss Architekt Thorsten Wagener, Gesellschafter von „architektur im modulbüro“ in Siegen, den Schulausschuss mit 13,46 Millionen Euro konfrontieren. Das ist, seit vorigem Jahr, eine Preissteigerung um 79 Prozent.
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Gymnasium Netphen wächst: Bald über 1000 Schüler
Ursache dafür sind nicht allein Inflation, Material- und Fachkräftemangel. Das Raumvolumen ist gegenüber den ersten Überlegungen um 50 Prozent größer geworden. Der Gebäudetrakt B, der am Hang unterhalb der Sporthalle liegt und noch aus der Zeit vor 1990 stammt, als hier eine Hauptschule war, ist mit seinen drei Flügeln zum Hang hin offen. Der Erweiterungsbau wird sich wie ein Kragen um den Altbau legen und somit einen Innenhof schaffen, der offener Klassenraum sein kann. Im Erdgeschoss entstehen sechs Klassenräume, Selbstlernzentrum, Schulküche und Sanitäranlagen, im Obergeschoss acht Klassenräume, Besprechungs- und Beratungsräume.
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„Wir bemühen uns einzusparen“, betont Schulleiter Eckhard Göbel, weist aber darauf hin, dass die Schule wächst: Ab Klasse 5 ist sie seit Jahren vierzügig, der neunte Jahrgang – Folge der um ein Jahr verlängerten Gymnasialzeit – wächst gerade heran. Die Oberstufe wird doppelt so groß sein wie noch vor wenigen Jahren, die Gesamtschülerzahl über 1000 liegen. „Der Druck ist jetzt schon groß.“ Um einen Klassenraum hinzuzugewinnen, wurden ein Kunstraum und der Werkraum zusammengelegt. Wegen des Anteils von über 80 Prozent Fahrschülern muss das Selbstlernzentrum sein, für die Inklusionsschüler die Ausstattung für das Fach Hauswirtschaft mit der Lehrküche.
Keller als Not-Rathaus und Containerdorf
Kostensteigernd ist das Kellergeschoss, das nicht nur für den Bedarf des Gymnasiums auf maximale Größe ausgebaut wird. Hier sollen Ausstattungen für den Katastrophenschutz gelagert werden, Betten, Matratzen, Vorräte. Der Keller soll Einsatzzentrale der Feuerwehr und Notfall-Rathaus sein und auch Evakuierte aufnehmen können. „Da oben sind wir nicht im Überschwemmungsgebiet“, erklärt Beigeordneter Andreas Fresen, warum die Stadt diese Gelegenheit nun nutzen will – „wir haben ja gesehen, wie schnell das geht.“
Ursprünglich sollte der Erweiterungsbau im laufenden Schulbetrieb errichtet werden. „Das ist aber eigentlich nicht machbar“, sagt Architekt Thorsten Wagener. Als dicker neuer Kostenfaktor kommt daher nun auch der „Ersatzbau“ dazu: Auf dem Schotterparkplatz unterhalb der Haardtstraße sollen für zwei Jahre bis zu zehn Klassenräume in ein Containerdorf ausgelagert werden, bereits ab Beginn des neuen Schuljahrs. Im Herbst oder Winter 2025 soll der erweiterte Trakt B dann bereit für den Unterricht sein.
„Da bleibt einem erst mal die Spucke weg“, kommentiert Lothar Kämpfer (SPD) die neuen Zahlen, „das ist eine Größenordnung, die wir uns nie vorgestellt haben.“ Kämmerer Hans-Georg Rosemann reagiert mit einer Rechenaufgabe: Um eine Investition von zehn Millionen zu finanzieren, muss die Stadt 30 Jahre lang 550.000 Euro im Jahr und weitere 20 Jahre 200.000 Euro aufbringen. Um 80.000 Euro mehr einzunehmen, muss die Stadt den Hebesatz für die Grundsteuer um zehn Prozentpunkte anheben. Zu Ende gerechnet: Der Hebesatz für die Grundsteuer würde von jetzt 535 auf mindestens 627 Prozent erhöht werden müssen. „Wir rechnen damit, dass es günstiger wird“, meint Beigeordneter Andreas Fresen. Die Materialpreise sinken bereits wieder.
Fernwärmenetz und neue Grundschule dazu?
Besonders nachhaltig sei der Bau („sehr viel Beton“) wohl nicht, vermutet Manfred Heinz (SPD). Was Architekt Thorsten Wagener bestätigt: Ein Nachhaltigkeitszertifikat, wie es zum Beispiel die Gemeinde Wilnsdorf mit ihrer neuen Grundschule bekommt, „werden wir auf keinen Fall erreichen“ – auch wenn der Neubau mit Sole-Wasser-Wärmepumpe und Photovoltaik energieautark ist. Dazu müsste Holz als Baustoff kommen, „dann wären wir erst 2026 fertig.“
Lothar Kämpfer (SPD) erweitert das Thema: Schließlich ist nach wie vor nicht entschieden, ob die Grundschule in Niedernetphen erweitert wird oder ob doch beide Grundschul-Standorte in einem Neubau zusammengefasst werden. Dafür hat die Verwaltung die Haardt als einen möglichen Standort vorgeschlagen – an der Stelle des Kindergartens, der dann woanders neu gebaut werden müsste. In diesem Fall könnten nicht nur Grundschule und Gymnasium über eine gemeinsame Anlage beheizt werden, überlegt Thorsten Wagener, „man müsste auch über den Altbau des Gymnasiums nachdenken.“ Denn dieser 1990er-Jahre-Komplex hat noch eine Gasheizung. Dann wäre es sogar denkbar, auch noch Anwohner auf der Haardt in ein Fernwärmenetz einzubinden.
Die Grundschulen: Noch zwei Baustellen
Das Gymnasium ist nicht Netphens einzige Schulbaustelle. Die Grundschulen Dreis-Tiefenbach und Netphen kommen noch dazu.
Dreis-Tiefenbach: Bis Ende 2023 soll eine Machbarkeitsstudie vorliegen. Dann wird klar sein, wie der Raumbedarf erfüllt werden kann. Idee ist, den Gebäudetrakt am Storchennest aufzustocken. Wenn diese neuen Klassenräume zur Verfügung stehen, würde das alte Lehrerwohnhaus abgerissen und dort ein Erweiterungsbau errichtet. Sollte dieser Ablauf nicht möglich sein, müsste ein Teil der Schule für die Bauzeit in Container umziehen. „Das wäre wirklich die letzte Lösung“, sagt Beigeordneter Andreas Fresen im Gespräch mit dieser Zeitung, „denn das kann man nur unten im Dorf machen“ – womöglich durch die B 62 von der Schule am Hang des Dreisbacher Bergs getrennt. Ziel wäre eine Fertigstellung des Neubaus Ende 2026. „Das ist sportlich – es kann auch 2027 werden.“
Netphen: Ein Um- und Anbau mit Abriss des Lehrerwohnhauses und eines Teils des Altbaus wird „kompliziert“, sagt Andreas Fresen voraus. Der Baubestand muss digital aufgenommen, eine Machbarkeitsstudie erstellt werden. „Dafür müssen wir erst mal jemanden finden, die Planungsbüros sind ausgelastet.“ Gesucht wird ein Standort für Container, in die die Schule während der Bauzeit ausgelagert werden kann. Beigeordneter Andreas Fresen nennt den gut 600 Meter entfernten Bolzplatz neben der Georg-Heimann-Halle. „Wo?“, fragt Schulleiterin Annette Kramps zurück. Sie klingt fassungslos. Manfred Heinz (SPD) verweist auf die zurückliegende Debatte über Neu- oder Anbau: „Für mich ist das noch nicht entschieden.“ „Auch das wird die Machbarkeitsstudie zeigen“, antwortet Andreas Fresen. Soll wohl heißen: Vielleicht kommt die Stadt um einen Neubau gar nicht herum.
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