Siegen. Die Studierenden lassen die Sektkorken knallen: Die Uni Siegen feiert Prof. Stefanie Reese als Nachfolgerin von Holger Burckhart.
Sie will ihr Büro einräumen und dann so schnell wie möglich loslegen: Prof. Stefanie Reese ist neue Rektorin der Universität Siegen. Die Hochschulwahlversammlung bestätigte die 58-Jährige am Dienstag, 8. August, mit großer Mehrheit als Nachfolgerin von Holger Burckhart, der nach der eskalierten Rektorwahl im Januar die Uni Siegen interimsweise weiter geleitet hatte, während die Stelle erneut ausgeschrieben wurde. 19 Bewerbungen waren eingegangen, sieben Kandidatinnen und Kandidaten wurden eingeladen, die Findungskommission entschied sich für eine „Einerliste“ mit Stefanie Reeses Namen darauf.
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Die promovierte Bauingenieurin, bislang Dekanin ihrer Fachfakultät an der RWTH Aachen, hatte vor der Wahl dem Gremium und der interessierten Öffentlichkeit ihr Konzept zur Zukunft der Universität Siegen vorgestellt. 2035 sehe sie die Uni als international exzellente, regional verankerte Hochschule und bekräftigte damit im Wesentlichen den unter Holger Burckhart eingeschlagenen Weg, bei Nachschärfungen und Ergänzungen an einigen Stellen. „Ideen und Strategien in positive Veränderungen umsetzen, macht mir Freude“, sagte sie. Ihre Vision des „Hochschulmeers der Zukunft“: Während die renommierten Technischen Universitäten München und Aachen gemächlich auf ihren Bahnen schippern, kreuzt die schnelle und wendige Uni Siegen dazwischen. Das Bild dürfte dem passionierten Segler Holger Burckhart gefallen.
Kandidatin streichelt die Siegener (Uni-)Seele: Die Integrative
Prof. Reese, die sich selbst als erfahrene und erfolgreiche Wissenschaftsmanagerin bezeichnet – ihre Vita bestätigt das –, traf mit ihrer sachlich-nüchtern und gleichzeitig zugewandt-herzlichen Art offensichtlich den richtigen Ton. Gerade in solchen Vorstellungsrunden müssen Kandidatinnen auch die vielen Einzelinteressen der verschiedenen Hochschulgruppen berücksichtigen, gewissermaßen allen etwas versprechen und gleichzeitig niemandem etwas abschlagen. In ihrer Konzeptpräsentation hatte Stefanie Reese offenbar alle relevanten Punkte und Interessenslagen ausreichend berücksichtigt, die anschließende Fragerunde fiel überaus wohlwollend, Kritik an ihrem Konzept hingegen so gut wie komplett aus.
Das war insbesondere bei der vergangenen Hochschulwahlversammlung anders gewesen, als die zwei oft zerstrittenen Lager Hochschulrat und (Teile des) Senat innerhalb der die Konfrontation suchten, um ihren Kandidaten Andreas Pinkwart durchzudrücken bzw diesen zu verhindern, auch für Carola Jungwirth fand sich keine Mehrheit. Dafür war die Uni Siegen über die Region hinaus gescholten worden. Anders als Andreas Pinkwart hat Stefanie Reese in Siegen keine Vorgeschichte und galt weder als Kandidatin des Hochschulrats noch des Senats.
Reese will nicht nur in ihrer Kommunikation aufs Integrieren und Verbinden setzen; mehrfach betont sie, immer als erstes mit den zuständigen Gruppen reden zu wollen und diese mitentscheiden zu lassen. Sie sagt wiederholt „hervorragend“ und „beeindruckend“, wenn sie über die Uni Siegen und ihre Errungenschaften spricht; streichelt die Siegener Seele – als jemand, die viele deutsche und europäische Hochschulen und Universitätsstädte aus eigenem Erleben kennt –, will in die Stadt ziehen und sehr bald einem Tennisclub beitreten, auch für das Geigenspiel hat die passionierte Orchestermusikerin bereits Pläne. Das kommt an, der Applaus ist mehr als höflich, aus dem Publikum wird mehrfach Dank geäußert für den „inspirierenden und realitätsnahen Vortrag“.
„Die Uni Siegen hat eine Vorbildfunktion für die Gesellschaft“
Nach öffentlicher Vorstellung und Fragerunde folgt die nichtöffentliche Beratung und schließlich die Wahl mit ihren komplizierten Gewichtungs-Prinzipien, die dieses Mal aber kaum eine Rolle spielen: Drei „Nein“-Stimmen, ansonsten wollten alle Stefanie Reese an der Spitze sehen – durchaus ein Zeichen dafür, dass Holger Burckharts Arbeit in Sachen „Gräben zuschütten“ und die vielen Rüffel Richtung Siegen nach dem Wahl-Fiasko ihre Wirkung getan haben.
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Als Stefanie Reese den Saal wieder betritt, ist der Applaus geradezu frenetisch und langanhaltend, die eher zurückhaltend wirkende Ingenieurin strahlt übers ganze Gesicht. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, gesteht sie – sehr glücklich sei sie, nun könne es endlich losgehen, „an einer tollen Uni in einer tollen Stadt in einer tollen Region. Ich freue mich unglaublich auf die Arbeit.“ Draußen lassen die Studierenden die Sektkorken knallen.
>>>HINTERGRUND: Das hat die neue Rektorin Stefanie Reese mit der Uni Siegen vor
- Den Nachwuchs begeistern für den Standort „auf allen Ebenen“ – also nicht nur Studierende, sondern auch den akademischen Mittelbau, Professoren, Angestellte, nicht nur für die Uni, sondern auch für Stadt und Region, die sie „wunderschön“ findet und die hohe Lebensqualität, moderate Lebenshaltungskosten, freundliche Menschen und vielfältige Berufsperspektiven bieten;
- Siegen zur ersten Wahl für immer mehr Fächer machen und Alleinstellungsmerkmale schaffen – gerade auch in der Lehrerausbildung, „dafür ist Siegen bundesweit bekannt“. Außerdem denkbar: Neue Verbundprojekte zu Themen wie grünem Wasserstoff und Mobilität, nachhaltige Gebäude unter dem Aspekt Demografie sowie Gesundheit und Altern. Das Studium soll wieder Platz lassen, links und rechts zu schauen, sich zu engagieren;
- Den Transfer zwischen Hochschule und Wirtschaft weiter ausbauen, auch im Hinblick auf Nachwuchskräfte;
- Die Uni in die Stadt, aber auch die Stadt in die Uni holen, den wechselseitigen Austausch verstärken, stärker mit der Bevölkerung interagieren. „Alles was Menschen aktiv macht, nicht nur Vorträge anbieten“, sondern über die Dinge sprechen, die die Bürgerinnen und Bürger bewegen. „Das gefällt mit an Siegen“, so Reese, die im ebenfalls überschaubaren Hameln aufgewachsen ist: „Man hat die Chance, zu interagieren.“
- Die leistungsfähige Infrastruktur ausbauen und modernisieren, auch etwa im Sozialen Bereich, vor allem aber bei Mobilität: „Die Busse hängen bei Schnee am Hang – das ist nicht so gut.“ Sie stelle sich kleine, überdachte E-Fahrzeuge vor, die man überall mieten und wieder abstellen kann. Das Thema Gebäude sei in den Händen von Kanzler Ulf Richter „hervorragend“ aufgehoben;
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- Konfliktlösung, besseres Miteinander, sie lege Wert auf einen partizipativen Führungsstil, auf Verlässlichkeit, Wertschätzung und Offenheit. Gerade auch bei unliebsamen Entscheidungen wolle sie sich regelmäßig mit allen Gruppen austauschen. Nicht zuletzt habe die Uni eine Vorbildfunktion für Region und Gesellschaft, auch im Hinblick auf Diversität und Vielfalt, was in Sachen Kreativität und Innovation große Vorteile biete.