Siegen. Andreas Pinkwart wird es nicht – und Carolla Jungwirth auch nicht. Erneut scheitert eine Rektorwahl an der Uni Siegen. Kanzler: „Tief in Sorge“.

Die Rektorwahl ist am Abend zu Ende gegangen mit einem Status, der mindestens bezeichnet werden kann als „Kurz vor Eskalation“. Auf einen Nachfolger für Prof. Holger Burckhart konnte sich die Hochschulwahlversammlung lange nicht einigen. Favorit Prof. Andreas Pinkwart scheiterte schließlich – in drei Wahlgängen konnte er die erforderliche Mehrheit in beiden Kammern nicht erzielen. Danach stimmte das Gremium über Carola Jungwirth ab – und auch sie scheiterte, mit umgekehrtem Vorzeichen gewissermaßen.

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Wie schon vor fünf Jahren waren erhebliche Differenzen zwischen den beiden Kammern, Hochschulrat und Senat zutage getreten. Seinerzeit hatten beide unterschiedliche Kandidierende bevorzugt und waren nicht bereit, von ihrer Position abzurücken. Genauso am Dienstagabend, 24. Januar: Der Hochschulrat sprach sich mehrheitlich für Andreas Pinkwart aus, der Senat mehrheitlich dagegen. Der frühere NRW-Wissenschaftsminister (FDP) war Listenkandidat 1, in den ersten beiden Wahlgängen ging es nur um Ja, Nein oder Enthaltung zu seiner Person.

Hochkompliziertes Wahlsystem – Wahl zum Spitzenamt der Uni Siegen wird Fiasko

Das Wahlprozedere ist kompliziert. In der gesamten Wahlversammlung und in beiden Kammern muss eine Mehrheit gefunden werden, andernfalls geht es in den nächsten Wahlgang. Jedes Mitglied des fünfköpfigen Hochschulrats hat ein Stimmgewicht von 7,32 – insgesamt also 36,6. Der Senat hat genauso viele Stimmen, aber 24 Mitglieder. Professorinnen und Professoren haben dabei jeweils ein Stimmgewicht von 3,1; alle anderen – Studierende, akademische Beschäftigte, Personal aus Technik und Verwaltung – haben eine Stimme.

Die Wahl zum Spitzenamt der Uni Siegen geriet zum Fiasko, weil zumindest Teile beider Kammern sie als Machtprobe verstanden. So hatte der Hochschulrat – der in den ersten beiden Wahlgängen keineswegs einstimmig für Pinkwart war (3 von 5 Personen) – während einer langen Pause vor dem dritten Wahlgang versucht, die Professorinnen und Professoren, also die „stimmgewaltigeren“ Mitglieder, aus dem Senat herauszulösen und ein separates Gespräch nur mit dieser Gruppe führen, nicht mit dem ganzen Gremium. Das verstanden insbesondere die studentischen Senatsmitglieder als Affront, warfen dem Hochschulrat vor, nur ihren Kandidaten Pinkwart retten zu wollen, dieses Ziel über die Stabilität der Universität Siegen zu stellen. Wird ein Kandidat im dritten Wahlgang nicht gewählt, ist er als Kandidat verbrannt. Das gipfelte zeitweise in gegenseitigen persönlichen Unterstellungen.

Rektorwahl in Siegen einer Universität unwürdig – Kanzler: „In tiefer Sorge“

Die Situation fuhr sich zusehends fest, die Gräben und Streitpunkte vertieften sich – unwürdig einer Universität.

Nach kontroverser Diskussion wurde auch der Antrag abgelehnt, die Hochschulwahlversammlung zu vertagen. Hochschulratsmitglied Dagmar Schulze-Lange gab nach mehrstündiger Sitzung während des dritten Wahlgangs zu, sich bei der Stimmabgabe vertan zu haben. Sie sei körperlich und seelisch ausgelaugt und bedaure das Versehen. Auch hier wurde intensiv diskutiert, ob der dritte Wahlgang wiederholt werden könne. Das hätte die Wahl womöglich anfechtbar gemacht, schließlich wurde der Wahlgang wiederholt. Was nichts änderte, wie die Wahlgänge zuvor fand sich keine Mehrheit.

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Sichtlich mitgenommen äußerte sich Kanzler Ulf Richter und versuchte, die zeitweise außer Kontrolle geratene, hitzige Debatte einzufangen. Mit tränenerstickter Stimme sagte er: „Ich sehe, dass wir eine zerrissene Uni haben. Es geht nicht mehr um Personen, es geht nur noch um Macht.“ Der Verwaltungschef erinnerte an die Verantwortung der stimmberechtigten Mitglieder für die Hochschule, für die Beschäftigten und Studierenden, für angeschlossene Organisationen. „Ich bin in tiefer Sorge um diese Universität.“

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