Siegen. Ohne ihn geht nichts: Axel Voss reist der Philharmonie Südwestfalen voraus und hinterher. Vorher hat er für Steinway Blasinstrumente verkauft.

Probe der Philharmonie, eine der letzten in der Schützenhalle Hilchenbach vor dem großen Umzug ins Haus der Musik in Siegen. Axel Voß hört in seinem Büro sofort, was eingeübt wird: Igor Strawinskys „Feuervogel“. Eines der Stücke, das bei den nächsten Auftritten des Orchesters präsentiert werden soll: In Köln, Frankfurt und Detmold.

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„Viele Konzerte sind heute Mischkonzerte“, sagt Axel Voß. Das bedeutet, dass manchmal zehn oder mehr Werke von unterschiedlichsten Komponisten aufgeführt werden. Für Axel Voß als Orchesterwart eine Mammutaufgabe: Denn er muss die Noten für jeden Musiker der einzelnen Instrumentengruppen zusammenstellen. 1400 Notensätze lagern inzwischen in den vielen Schränken des Orchesters. Um in diesem riesigen Archiv immer die richtigen Partituren zu finden, hat er ein besonderes System entwickelt und alle Notensätze nach Zahlen computergestützt eingeordnet. Außerdem hat er einen Wagen konstruiert, in den er die Noten für jeden Musiker zügig einsortieren kann.

Hinter den Kulissen

Ein Publikum kann nur sehen, was auf der Bühne passiert oder in einem Museum ausgestellt wird. Doch im Hintergrund sind Menschen, die das alles erst möglich machen.

Heute: Orchesterwart

7. Juli: Kulturbeauftragte

14. Juli: Personalleiterin

21. Juli: Leitungsteam

28. Juli: Licht- und Tonkunst

4. August: Haus- und Ausstellungsmeister

11. August: Veranstaltungsleiterin

18. August: Kuratorin

Wie man Orchesterwart wird

Der Weg zum Orchesterwart der Philharmonie war Axel Voß nicht unbedingt vorgezeichnet. Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann und einem anschließenden Studium der Kommunikationswissenschaften machte er eine Ausbildung zum Instrumentenbauer im sächsischen Vogtland. Dort lernte er vor allem Holzblasinstrumente herzustellen, darunter Klarinetten und Fagotte. Hochwertige Instrumente, von denen er weiß, dass sie selbst in Orchestern des WDR hochgeschätzt sind. Und auch insofern passend, als er selbst in einem Sinfonischen Blasorchester im Bergischen Land als Fagottist aktiv war.

Beruflich ging er jedoch einen völlig anderen Weg: Für die amerikanische Instrumentenfirma Steinway, vor allem für ihre legendären Flügel bekannt, war er 14 Jahre lang als Vertriebsmanager für Europa in Sachen Blasinstrumente unterwegs. Auf Dauer aber nicht sein Ding. „Der Umsatz muss stimmen und Hire and Fire sind Geschäftsprinzipien, mit denen ich mich nicht anfreunden konnte“, sagt Axel Voß. So bewarb er sich 2009 auf eine Stellenanzeige der Philharmonie Südwestfalen, wurde Kollege des langjährigen Orchesterwarts Sturmius Trachternach und ist seit dessen Pensionierung der einzige seiner Zunft. „Was in anderen vergleichbaren Orchestern drei Leute machen, mache ich allein“ sagt er, zumal ein vor einiger Zeit neu eingestellter Kollege schon nach wenigen Wochen das Handtuch geworfen hat.

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Wie ein Arbeitstag aussieht

Feste Arbeitszeiten kennt der Orchesterwart nicht. Klar, die 39-Stunden-Woche im Öffentlichen Dienst gilt auch für ihn. An Probentagen oder bei Konzertterminen allerdings kann ein Arbeitstag auch schon einmal um 7 Uhr morgens beginnen und erst um Mitternacht zu Ende sein. Schon früh wird der Lkw der Philharmonie mit orchestereigenen Instrumenten beladen: Denn bestimmte Instrumente wie Kontrabässe, Harfen, Schlagwerk, Pauken gehören der Philharmonie und werden dort gelagert. „Das ist auch körperlich ein Knochenjob“, sagt Axel Voß.

Der Aufbau am Ort des Konzerts kann zwei bis drei Stunden dauern, weil auch Sonderwünsche der Musiker erfüllt werden müssen: Einige haben spezielle Stühle oder brauchen besondere Sitzkissen. Die Notenständer werden der Besetzung entsprechend aufgestellt und die Notenmappen bereit gelegt. Auch die Betreuung der anschließenden Probe gehört zu den Aufgaben eines Orchesterwarts. Meist ist dann gegen 13 Uhr Pause, mit der Axel Voß aber wenig anfangen kann: Er wohnt in Lindlar. Also fährt er nach Hause und macht sich, wenn das Konzert zum Beispiel im Apollo stattfindet, um 18 Uhr wieder auf den Weg nach Siegen. Den Beifall des Publikums nach einem Auftritt bekommt ein Orchesterwart nur am Rande mit. „Wenn wir den Applaus hören, rattert es schon im Gehirn: es muss wieder abgebaut, die Noten eingesammelt und samt Instrumenten in den Lkw verladen werden.“ Am nächsten Morgen wird alles wieder eingeladen und sorgfältig einsortiert, frei nach dem Satz des legendären Fußballtrainers Sepp Herberger: „Nach dem Konzert ist vor dem Konzert.“

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Warum man gern reisen muss

Schon zu seiner Steinway-Zeit reiste Axel Voß gerne. Und Reisen gehören auch zum Alltag der Philharmonie: Ganz große, wie vor einigen Jahren die Tournee nach China, aber auch Fahrten nach Hamburg zur Elbphilharmonie, nach München oder zum Concertgebouw in Amsterdam, einer der feinsten Konzertadressen Europas. „Mit dem Siebeneinhalbtonner in die Grachtenstadt zu fahren,ist eine gewaltige Herausforderung“, sagt er. Engagements, die das gewachsene nationale und internationale Renommee des heimischen Orchesters nachdrücklich unterstreichen. Eine der Erkenntnisse, die Axel Voß dabei gewonnen hat: „Je bekannter das Haus ist, desto professioneller wird dort gearbeitet.“ Was aber nicht weiter schlimm ist, denn eine Maxime der Philharmonie Südwestfalen lautet: „Wir tragen die Kultur auch übers Land.“

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Was in diesem Sommer ansteht

„Mein Beruf ist voll von Abwechslungen und Überraschungen“, sagt Axel Voß. Immer, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, ist er mit seinem Talent zur Improvisation zur Stelle. Die brauchte er auch für die sicherlich größte Aufgabe seiner Berufszeit bei der Philharmonie Südwestfalen: den Umzug von der Schützenhalle in Hilchenbach ins neue Haus der Musik mitten in Siegen. „Alles muss raus“, sagt er. Natürlich wurde einiges von Fachfirmen erledigt, doch für viele Arbeiten war er als Orchesterwart zuständig. Jetzt ist erst einmal große Konzertpause für „seine“ Musiker und ihn: „O sole mio – eine italienische Sommernacht“ in Dreslers Park in Kreuztal. Eine Herausforderung auch für Axel Voß als Orchesterwart: Denn ein Open-Air-Konzert erfordert besondere Vorbereitungen.

Umsonst & Draußen: Open Air Klassik in Dreslers Park in Kreuztal mit der Philharmonie Südwestfalen: Samstag, 12. August, 20 Uhr.

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