Siegen. KI-Cluster Südwestfalen: Unternehmen und Wissenschaft wollen ihre Schlagkraft bündeln, Siegen auf die KI-Landkarte heben, den Mittelstand stärken

Bei Künstlicher Intelligenz soll Siegen, soll Südwestfalen auf die Landkarte. Es gibt zahlreiche Hi-Tech-Unternehmen am Standort – wenn die Fachwissen, Innovationskraft gemeinsam in die Waagschale werfen, dann steigert das im bundesweiten Vergleich die Schlagkraft. Nicht, um ein zweites Silicon Valley zu werden – sondern, um das, worin die heimische Wirtschaft traditionell stark ist, nachhaltig zu festigen und die digitale Transformation des Mittelstands nachhaltig voranzubringen. Die Idee: Der KI-Cluster Südwestfalen.

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In Ostwestfalen-Lippe gibt es so etwas: „AI Community OWL“. Die Siegener Hi-Tech-Branche hat dorthin gute Kontakte, auch zu den KI-Netzwerken auf Landes- und Bundesebene, sie machten sich Gedanken, wie sie die Szene vor Ort besser vernetzen können. Die, die sich vor Ort damit beschäftigen, sollen zusammenfinden, um gemeinsam auf gute Rahmenbedingungen hinzuwirken, erklärt Prof. Bernd Buxbaum, Gründer des Siegener Chip-Entwicklers pmd und Vorstandsmitglied bei ifm. Wirtschaft und Wissenschaft kooperieren, rechtlich, finanziell, strukturell, um Innovation zu beschleunigen, Arbeitsplätze und Wachstum zu sichern. Allein im Siegener Hi-Tech-Zentrum „Summit“, Hauptquartier des Branchenriesen ifm, „sind so viele Technologien geclustert“, sagt Simon Sack, Gründer und Geschäftsführer des KI-Unternehmens NeurologiQ. „KI ist ein Riesenthema für den Standort – wir schaffen es nur, den nach vorne zu bringen, wenn nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht und wir unsere Energie bündeln. “

Siegener Experte: Künstliche Intelligenz mit menschlicher Intelligenz nicht vergleichbar

Über Prof. Martin Hill kam der Kontakt zur Transformationsinitiative „Do IT Südwestfalen“ zustande, die die digitale Vernetzung des Mittelstands in der Region federführend organisiert. Gewissermaßen als Startschuss wurde gemeinsam das „KI Meetup NRW" ins Siegerland geholt; im Campus Buschhütten trafen sich in der Smarten Demonstrationsfabrik (SDFS) Experten aus Forschung, Industrie, Start-ups und diskutierten, wie KI bei der digitalen Transformation in Südwestfalen helfen kann. Das soll aber keine Eintagsfliege sein, sie wollen den Schwung nutzen.

Im Campus Buschhütten treffen sich Vertreter der heimischen IT-Branche und darüber hinaus aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden zum „KI Meetup NRW“ (Archiv).
Im Campus Buschhütten treffen sich Vertreter der heimischen IT-Branche und darüber hinaus aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden zum „KI Meetup NRW“ (Archiv). © Hendrik Schulz

KI oder AI (englisch: „Artificial Intelligence“) dürfte so oder so eine der wichtigsten technologischen Entwicklungen seit Erfindung des Internets sein. Viele Menschen machen sich Sorgen, auch Experten. „Künstliche Intelligenz ist nicht das Ende der Welt, wie wir sie kennen und mit menschlicher Intelligenz sicher nicht zu vergleichen“, erklärt Bernd Buxbaum. Er sieht keinen Grund zur Panik: „Wir neigen dazu, die Wirkung einer Technologie kurzfristig zu über- und auf lange Sicht zu unterschätzen.“ Es gelte aber, Rahmenbedingungen und Richtlinien zu definieren, damit der Nutzen nachhaltig größer als das Risiko ist. „KI ist eine neue Form der Intelligenz. Das bedeutet nicht, dass KI besser oder schlechter ist, sondern es hängt vom Anwendungsfall ab, ob künstliche Intelligenz helfen kann – oder auch nicht.“ Die Systeme lernen sehr schnell – und davon können dann sofort auch andere Netzwerke profitieren.

Wie KI industrielle Produktion besser machen kann – und wo sie heute schon drinsteckt

Die aktuelle vierte industrielle Revolution sei schon jetzt sehr stark von KI geprägt, Tendenz steigend, sagt Benedikt Ley, Co-Gründer des Siegener KI-Softwareentwicklers „Virtual Retail“. „Maschinen und Anlagen werden fortschreitend digitalisiert und miteinander intelligent vernetzt und erzeugen große Mengen an Daten. KI hat das Potenzial, diese Daten in Echtzeit zu verarbeiten und zu interpretieren“, so der Wirtschaftsinformatiker – etwa um Anlagen direkt während der Produktion zu optimieren oder Störungen im Prozess frühzeitig beheben. Industrieroboter würden dank KI flexibler und effizienter: Pick-and-Place-Roboter, die Produkte und Bauteile bestücken oder montieren, könnten demnach dank KI deutlich schneller an neue oder variierende Abläufe angepasst werden. Ähnlich bei autonomen mobilen Robotern (AMR): Die werden beispielsweise für die Materialversorgung in Produktionshallen eingesetzt. Mit KI-Unterstützung können sie selbstständig Hindernisse umfahren – oder warten, bis zum Beispiel eine Person aus dem Weg gegangen ist, so Ley.

Das Hi-Tech-Zentrum „The Summit“ im Industriegebiet Martinshardt ist Sitz unter anderem der ifm-Gruppe.
Das Hi-Tech-Zentrum „The Summit“ im Industriegebiet Martinshardt ist Sitz unter anderem der ifm-Gruppe. © Hendrik Schulz

Auch im Alltag nutzen die meisten Menschen KI. Die Gesichtserkennung eines Smartphones muss trainiert werden, smarte Sprachassistenten wie Alexa oder Siri nutzen KI, um Sprache in Text umzuwandeln und semantisch zu verstehen, damit der Befehl ausgeführt wird. Kamera-Funktionen wie HDR, Tiefenunschärfe oder Nachtaufnahme arbeiten mit KI, gespeicherte Fotos werden per Objekt- und Personenerkennung analysiert, mit Schlagworten versehen, damit man sie über die Bildersuche leichter findet.

Apokalyptische Prophezeiungen und Superintelligenz-Szenarien eher theoretisch

Namhafte Experten fordern dennoch eine Entwicklungspause – erst brauche es Sicherheitsstandards, weil die Technologie so schnell voranschreitet, dass die Gesellschaft Schwierigkeiten hat, mit ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen Schritt zu halten. „Die Debatte zeigt, wie wichtig es ist, den Dialog zwischen technischen Experten, Ethikern, Gesetzgebern und der breiten Öffentlichkeit zu fördern“, betont Geschäftsführer Simon Sack. Es müsse sichergestellt werden, dass sich KI sicher und zum Wohl der Allgemeinheit entwickelt. Apokalyptische Prophezeiungen oder „Superintelligenz“-Szenarien ordnet er als eher theoretische Bedenken ein. Die Idee, dass eine Künstliche Intelligenz sich irgendwann selbst verbessern und dabei exponentiell immer intelligenter werden könnte, weit über menschliche Fähigkeiten hinaus, sei hochspekulativ und beruhe auf Annahmen, die nicht unbedingt eintreffen werden. Einige Experten nehmen das langfristige Risiko ernst, andere halten es für unwahrscheinlich oder sogar unmöglich, so Sack.

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Relevanter und dringlicher seien dagegen Fragen nach Verantwortung, Transparenz, Gerechtigkeit und Datenschutz: KI in den falschen Händen könnte gefährlich sein, etwa wenn kriminelle oder feindliche Gruppen sie als Waffe benutzen, Desinformationskampagnen automatisieren, Cyberangriffe durchführen oder Überwachungstechnologien verbessern. Nicht korrekt entworfen, implementiert und kontrolliert könnte KI zu Diskriminierung führen, wenn sie auf voreingenommenen Daten trainiert wird, oder wenn sie Arbeit zu sehr automatisiert und so Jobs überflüssig macht.