Siegen. Die einen haben Probleme, die anderen können sie lösen: Siegener Brüder Benjamin und Christopher Hill gründen Technologiescouting-Plattform Ensun

Ein Unternehmen hat ein technologisches Problem. Irgendeins. Irgendein Startup hat eine Lösung. Beide wissen nichts voneinander. Ensun bringt beide zusammen. Im Idealfall: Problem gelöst auf der einen, Auftrag erhalten auf der anderen Seite. „Technologiescouting“ ist das Geschäftsmodell der Siegener Brüder Christopher und Benjamin Hill und ihres Startups „Ensun“: Ein Marktplatz für Digitalisierungsprojekte.

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Ensun ist eine Plattform, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt – ein Suchmechanismus. Digitalisierung ist ein weites, hochkomplexes Feld mit unüberschaubar vielen Problemen – und unüberschaubar vielen Lösungen dafür. Hier setzt Ensun an. Nur wenige Unternehmen haben selbst Entwicklungsabteilungen oder sind so gut vernetzt, dass sie ohne enormen Aufwand den richtigen Ansprechpartner für ihr Anliegen finden können. Ensun kann das.

Die Idee hinter dem Siegener Startup Ensun: Angebot und Nachfrage zusammenbringen

„Unser Hauptfokus ist Hi-Tech“, sagt Co-Geschäftsführer Benjamin Hill über die Anbieterseite, Problemlöser oder Experten genannt. Nicht nur in Siegen gründen sich in diesem Bereich sehr viele Unternehmen, Startups mit guten Ideen sprießen auch in der Krise wie Pilze aus dem Boden. Ensun will dazu beitragen, dass deren Ideen auch beim Kunden landen, dass sie einen Fuß in die Tür bekommen.

Die Brüder Hill

Christopher und Benjamin Hill sind die Söhne des Wirtschaftsinformatikers Prof. Martin Hill, Beiratsvorsitzender der IFM Solutions GmbH.

Beide Brüder kommen aus der Digitalisierungssparte: Christopher Hill hat Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Technologiemanagement studiert und ist bei Ensun als Geschäftsführer für Vertrieb und Organisation zuständig. Benjamin Hill ist Wirtschaftsinformatiker und verantwortet als Geschäftsführer Entwicklung und Controlling.

Auf der Nachfrageseite ist die Kernklientel der Siegener der klassische Mittelstand – Maschinenbau, Industrie. Die Wirtschaft steckt mitten in der Digitalisierung, genau darum geht es oft bei den Problemstellern, sagt Christopher Hill. Klassischerweise hätte das bedeutet: Eigenrecherche, dann externe Berater oder Agenturen, schließlich selbst forschen und entwickeln. Aufwändig, langwierig, teuer. „Die Mittelständler haben ihre Netzwerke, aber keine Leute, die sich in jedem Hi-Tech-Bereich auskennen“, sagt Benjamin Hill. Ensun hat sie.

Von Null auf zehn Beschäftigte und gut 1000 Kunden in einem Jahr

Um Technologie zu vermitteln, braucht es Technologie. Ensun ist zwar ein Startup, erst etwa ein Jahr alt – aber Software und Künstliche Intelligenz müssen entwickelt und weiterentwickelt, Qualität gesichert werden. Die Hills fingen bei Null an, heute haben sie zehn Beschäftigte und auf der Problemsteller-Seite gut 1000 Kunden. „Wir wollten ein Gefühl für den Markt und die Kundenreaktionen bekommen“, sagt Christopher Hill. Das lief deutlich besser als geplant. Beim Vertrieb hatten sie zuerst auf die „Problemlöser“, die Startups, gesetzt und schnell eine Basis von rund 500 Unternehmen geschaffen. Mit vielen Experten in der Rückhand gingen sie auf Kundensuche für ihre Plattform.

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Das Geschäftsmodell von Ensun basiert auf einer aktiv registrierten Community, erklärt Christopher Hill: Unternehmen füllen Steckbriefe aus, laden Referenzen hoch. Verbände können Rahmenverträge für ihre Mitglieder abschließen. Ensun verkauft Jahreslizenzen für Problemsteller, sagt Christopher Hill, die Kosten hängen von der Zahl der Beschäftigten ab. Mitbewerber gibt es eine Handvoll, „aber die haben andere Ansätze“, sagt Christopher Hill.

Mittlerweile sind sie zu zehnt: Christopher (oben Mitte) und Benjamin Hill (unten rechts) sind die Geschäftsführer von Ensun.
Mittlerweile sind sie zu zehnt: Christopher (oben Mitte) und Benjamin Hill (unten rechts) sind die Geschäftsführer von Ensun. © Ensun | Ensun

Ensun hat zwei Gesellschafter: Den Siegerlandfonds und den Softwareentwickler „Werkdigital“ aus Lennestadt. „Am Anfang, als wir die Plattform schnell aufzogen, wurden wir von beiden maßgeblich unterstützt“, sagt Benjamin Hill.

Startups bekommen über Ensun Zugang zum Markt und generieren Aufträge

Der Ensun-Algorithmus muss zunächst selbst das Problem einer Firma „verstehen“. Die Hills und ihr Team entwickelten dazu eine Heuristik, einen Prozess, um das Problem zu strukturieren – ein „Infosammler“, wenn man so will. Um Lösungen zu bieten, „muss man verstehen, was zum Beispiel alles in und um eine Fräse passiert“, sagt Christopher Hill. Die Plattform stellt beiden Seiten Formulare zur Verfügung, mit Hilfe derer das Problem oder eben das Angebot möglichst präzise beschrieben werden kann. Die Künstliche Intelligenz analysiert semantisch und lexikalisch und kann im Idealfall ein „Match“ anbieten, einen Treffer.

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Bis dahin geschieht auf Softwareebene natürlich noch viel mehr. Aber mal so ganz grob umrissen.

„Der Anbieter bekommt ein Match und schickt dem Problemsteller eine Lösungsskizze“, erklärt Benjamin Hill. Etwas wie: „Mein Sensorkit kann deine Maschine optimieren.“ Zusätzlich können sich Anbieter auch aktiv auf ein Projekt bewerben, ergänzt sein Bruder. Mehr als 900 Matches hat Ensun seit Juni generiert, deutlich über 40 Projekte wurden auf Vermittlung von Ensun hin umgesetzt. „Gerade für junge, innovative Startups ist das eine tolle Möglichkeit, sich zu Vermarkten und zu Positionieren, Aufträge zu generieren“, so Christopher Hills Überzeugung. Unternehmen auf beiden Seiten können auch ihre Kunden- und Expertennetzwerke erweitern.

Ein Beispiel: „Pegelstand“ im Altglascontainer messen

Ein Altglascontainer soll geleert werden, wenn er eine bestimmte Füllmenge erreicht hat, ein Sensor den „Pegel“ melden. Ein Container ist nicht an Strom und Internet angeschlossen, der Sensor darf nicht abfallen, wenn der Behälter zum Leeren nach unten geöffnet wird. Videoüberwachung funktioniert schonmal nicht – Glas reflektiert. Mehrere Anbieter legten in diesem Fall ihre Ansätze vor, anhand deren Referenzen erstellte Ensun eine Rangfolge. Die beste Lösung: Ultraschall.

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„Lösungen können auch Technologien sein, die für diesen Zweck eigentlich nicht gedacht sind“, erklärt Benjamin Hill – ein QR-Code-Scanner kann auch die Verschmutzung einer Scheibe messen. Oft gehe es um BWL-Probleme, Optimierung: hohe Kosten in der Produktion oder aufwändige Reinigung. Christopher Hill: „Man kann gar nicht alle Lösungen kennen. Die Firmen müssen auch nicht wissen, was es alles gibt – es gibt uns. Wir sorgen dafür, dass die Unternehmen eine passende Lösung finden.“

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